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Teile des verlorenen Tempels von Thutmosis I wiedergefunden

In einem Grab auf Luxors Westbank wurden Tausende von zum Teil dekorierten Blöcken und Steinfragmenten entdeckt, die einmal zum verschollen geglaubten Totentempel von Thutmosis I gehörten, dem Vater von Königin Hatschepsut. Nanu, Steinblöcke eines Tempels in einem Grab? Ja! Das Supreme Council of Antiquities, Vorgänger des ägyptischen Antikenministeriums, hatte das Grab als Lager genutzt, und die dorthin gebrachten Steinblöcke waren danach jahrelang unerforscht geblieben und in Vergessenheit geraten.

Jadwiga Iwaszczuk, Archäologin des Instituts für mediterrane und orientalische Kulturen, das zur Polnischen Akademie der Wissenschaften gehört, war eigentlich auf der Suche nach Blöcken, die vielleicht noch zum Totentempel der Hatschepsut gehören könnten und entdeckte diese Blöcke dabei eher zufällig.

Dem polnischen Team, das schon seit Jahren in Deir el-Bahari Forschungen rund um Hatschepsuts Terrassentempel betreibt, war aber anhand ziemlich gut erhaltener Inschriften schnell klar, dass es sich hier um Teile des verschwundenen Totentempels von Thutmosis I handelte. Tatsächlich ist das Missionshaus, in dem das polnische Team während der Grabungssaison wohnt, in direkter Nähe zu diesem „Lager-Grab“. Dessen Inhalt war in all den Jahren dennoch niemandem aufgefallen.

Der Fehler wurde in den 70ern gemacht

Die Blöcke hatte man in den 1970er Jahren gefunden. Die damaligen Archäologen hatten sie aber als Teil des Tempels eines „Cha-achet“ notiert, von dem sie vermuteten, dass er zur Zeit Hatschepsuts gelebt habe. Dessen Tempel war aber vor zwei Jahren im Ramesseum gefunden worden. Jadwiga Iwaszczuk hatte die Blöcke nach ihrem Auffinden deshalb neu untersucht und den Namen Khenemet-Ankh (Der mit dem Leben verbindet) als Inschrift auf einem Architrav gefunden. Dieser Name ist aus schriftlichen Quellen als Tempel für Thutmosis I bekannt, so Iwaszczuk in der »Science&Scholarship in Poland«. Die ursprünglichen Ausgräber hatten die Inschriften also falsch gedeutet.

Der Totentempel von Thutmosis I soll einst in der Nähe des Totentempels seines Enkels Thutmosis III gestanden haben. Nun hatte dieser zwei solcher Millionenjahrehäuser angelegt: einen ersten, genannt Hut-Henket-Anch (Gemach des Lebens), der heute zwischen dem Gräberfeld El-Chocha und dem Ramesseum liegt, und einen späteren, Djeser-Achet (Heilig vom Horizont), beim Terrassentempel seiner Stiefmutter Hatschepsut. Gemeint ist hier der frühere Tempel, Hut-Henket-Anch, den Thutmosis III anscheinend in direkter Nähe zum Totentempel seines Großvaters erbaute. Heute sind nur noch die Grundmauern des Totentempels von Thutmosis III zu sehen (siehe Titelbild), von einem weiteren Tempel ist dort aber nichts mehr zu erkennen. Die Überreste des Totentempels von Thutmosis I hatten daher bislang als verschollen gegolten.

Ein Puzzle mit 7500 Teilen

Bis heute hat das Team um Jadwiga Iwaszczuk ca. 7500 Blöcke fotografiert und 5000 abgezeichnet. Nun gilt es, dieses riesige Puzzle zusammenzusetzen und die Darstellungen auf den Wänden dieses Tempels somit wieder sichtbar zu machen.
Besonders hervorheben kann man aber schon jetzt eine eingravierte Schlachtenszene, die eine der ältesten sein muss, in der Streitwagen mit Pferden abgebildet sind.

Das polnische Team hat aber noch weitere interessante Fakten aus der epigraphischen Analyse der Inschriften erhalten: Der Tempel wurde zwar für Thutmosis I erbaut, allerdings im Auftrag von Hatschepsut, seiner Tochter. Es wurden hier zwei unterschiedliche Steinarten, Kalkstein und Sandstein, verwendet. Das sei sehr ungewöhnlich, meint Iwaszczuk, weil zu Hatschepsuts Zeiten eigentlich nur Kalkstein verbaut wurde. Bei Thutmosis‘ Tempel aber wurden die konstruktiven Teile aus Sandstein errichtet, die Füllungen dazwischen aber aus Kalkstein.

Erbaut, renoviert und abgerissen

Interressant ist auch die Tatsache, dass einige Funde beweisen, dass der Tempel revoviert wurde. Der verstorbene Pharao war in diesem Tempel über Jahrhunderte verehrt worden, ganz sicher bis zur Zeit Ramses‘ IX., vielleicht sogar bis zum Ende der Epoche. Eine Renovierung nach ein paar hundert Jahren wäre da also nichts Ungewöhnliches.
Letztlich ging es diesem Tempel aber so, wie vielen anderen vor und nach ihm auch: Er wurde in späteren Zeiten als Steinbruch für andere Bauprojekte verwendet. Übrig blieben dann nur noch die Baureste, die nicht mehr zu gebrauchen waren – und die man nun an diesem ungewöhnlichen Lagerplatz fand.

Fotos einiger Fundstücke sowie eine Zeichnung der Schlachtenszene findet ihr in der Science&Scholarship in Poland.

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