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Das Grab der Krieger in Deir el-Bahari

In den Felswänden von Deir el-Bahari, dem Ort des weltberühmten Terrassentempels der Pharaonin Hatschepsut in Luxor, untersuchten Archäologen ein Massengrab oberhalb der Ruinen des Mentuhotep-Tempels und fanden heraus, dass die Toten darin vermutlich alle in einem blutigen Kampf ihr Leben ließen. Mit ihren Ergebnissen decken die Forscher wohl eines der dunkelsten Kapitel des niedergehenden Alten Reiches auf.

Das Grab war bereits 1923 gefunden, dann aber versiegelt und nie wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Im September 2018 untersuchte nun Dr. Salima Ikram von der Amerikanischen Universität Kairo die Leichen und nahm dabei ein Kamerateam mit. Die entstandene 55-minütige Dokumentation „Secrets of the Dead: Egypt’s Darkest Hour“ lief am 3. April beim nordamerikanischen Sendernetzwerk PBS (Public Broadcasting Service).

Vom Eingang des Grabes geht ein Labyrinth von Gängen ab, das bis zu 60m weit in die Felswand hineinragt. In den einzelnen Kammern zählten die Wissenschaftler Leichen und Leichenteile von mind. 60 Toten – alles Männer. Die Toten waren mumifiziert und gemeinsam bestattet worden, was äußerst ungewöhnlich ist, denn normalerweise ließen sich die Ägypter alleine oder mit der Familie bestatten.

Leichname haben schwerwiegende Wunden

Ungewöhnlich ist auch, dass die Leichname schwerste Verletzungen aufweisen: gebrochene oder durchbohrte Schädel, Pfeilspitzen im Körper, abgetrennte Körperteile. Einer der Männer trug noch einen Armschutz, wie ihn Bogenschützen verwendeten. Es ist also ziemlich klar, dass es sich hier um Soldaten handeln muss, die in einem äußerst blutigen Kampf starben, meint Salima Ikram.

Wie es zu diesen Kämpfen kam, dazu haben Dr. Ikram und ihre Kollegen eine fundierte Theorie entwickelt. Das Grab stammt aus der Zeit des zuende gehenden Alten Reichs, ca. 2200-2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Schon während seiner Regierungszeit hatte der fünfte (und letzte große) Pharao der 6. Dynastie, Pepi II., zunehmend Verwaltungsaufgaben und Autorität an die verschiedenen Gaufürsten abgegeben. Nach dem Tode des Pharaos zerfiel die zentrale Verwaltung Ägyptens gänzlich und die Gaufürsten wurden noch mächtiger. Hinzu kam eine klimabedingte Dürre und daraus resutierende Hungersnöte. Zusammengenommen könnte das zu Aufständen und bürgerkriegsähnlichen Kämpfen rivalisierender Gruppen geführt haben, meinen die Forscher.

Die Fürstengräber in Qubbet el-Hawa

Gaufürst Sabni mit Töchtern bei Fisch- und Vogeljagd, Qubbet el-Hawa

Die wachsende Macht der Gaufürsten lässt sich sehr schön in Qubbet el-Hawa ablesen, wo sich die Gouverneure von Elephantine bestatten ließen. Zu Beginn der Amtszeit von Pepi II. musste der damalige Gaufürst Harchuf noch die Erlaubnis des Pharaos einholen, um sich überhaupt ein eigenes Grab im Gräberberg Qubbet el-Hawas anlegen zu lassen. Und dabei war Harchuf ein bedeutender Mann seiner Zeit, der auch beim Pharao hohes Ansehen genoss, sagt der deutsche Archäologe und Ägyptologe Martin Bommas, der seit Jahren in Qubbet el-Hawa und Elephantine gräbt. Das Grab des Harchuf ist 25qm groß und enthält 3 Säulen.

Die beiden verbundenen Gräber des Mechu und seines Sohnes Sabni stammen dagegen aus der Zeit des Endes von Pepis Regierung. Nicht nur, dass sie als einzige Gräber in Qubbet el-Hawa eigene Treppenaufwege vom Nil zu den Gräbern herauf haben, ihre schiere Größe im Vergleich zu Harchufs Grab sagt etwas darüber aus, wieviel mehr Macht und Eigenständigkeit diese beiden Gaufürsten gehabt haben müssen. Mechus Grab ist 150 qm groß, mehr als 3m hoch und enthält einen „Säulenwald“ von 18 Säulen! Sein Sohn Sabni „begnügte“ sich mit 120 qm und 14 Säulen.

Säulen im Grab des Mehu, Qubbet el-Hawa

Die Hungersnot in Texten

Auch für den zweiten Grund, der zu den Aufständen geführt haben soll, die Dürre und die Hungersnöte, haben die Wissenschaftler eine Reihe von Beweisen gefunden. Der französische Archäologe Audran Labrousse zitiert aus einem Text des ägyptischen Poeten Ipuwer, nach dem nicht nur der König gestürzt worden war, sondern auch die Städte ihre Führer verjagten und „die Menschen weinten, weil die Feinde die Tempel betreten und die Bilder verbrannt“ hatten. Und ganz „Oberägypten wurde ein Ödland“, schreibt Ipuwer.

Im Grab des Gaufürsten Anchtifi in el-Moalla, der in den unruhigen Jahren nach dem Tod Pepis II. seinen Gau regierte, wird von einer Hungersnot berichtet, die so groß war, dass „Jedermann seine eigenen Kinder aß“ und das „ganze Land wie eine verhungernde Heuschrecke war“, erklärt der spanische Ägyptologe Antonio Morales in der Dokumentation anhand der Grab-Inschriften.

Der Süden gegen den Norden

Diese Dürre, für die es auch naturwissenschaftliche Belege gibt, dauerte mindestens 20 Jahre – die politischen Unruhen aber dauerten viel länger; in der Dokumentation wird von 130 Jahren Krieg gesprochen. Sobald die Trockenheit nachließ und der Nilstand wieder Normalmaß annahm, versuchten viele Gaufürsten, ihren Machtbereich auszudehnen und nach Möglichkeit die Herrschaft über das ganze Land an sich zu reißen. Etwa 40 Jahre nach dem Ende der Dürre war Ägypten wieder einmal zweigeteilt: Es gab den Süden, mit dem Machtzentrum in Theben, und den Norden, dessen Führer in Herakleopolis saßen. Und beide Seiten bekämpften sich. Dabei hatten die Thebaner die größere Kraft und um 2040 v.Chr. einen Großteil des Nordens bereits erobert, als es zur Belagerung von Herakleopolis kam. Die Armee des Südens wurde angeführt von ihrem König Mentuhotep II., der ein fähiger General war, und schließlich die Stadt einnahm.

Hatschepsut- (li) und Montuhotep-II-Tempel (re) von oben

Salima Ikram glaubt, dass die Toten des Grabes, das die Forscher „Grab der Krieger“ (tomb of the warriors) genannt haben, in genau dieser letzten Schlacht für die Truppen des Südens unter Mentuhotep II. kämpften. Nicht nur die Tatsache, dass ihr Grab direkt über dem Totentempel ihres Königs, Mentuhotep II., liegt, spricht dafür. Ikram hat entdeckt, dass auch die Leinenbinden, die zur Mumifizierung der Männer verwendet wurden, die Zeichen dieses Tempels tragen.

Und noch ein weiterer Aspekt ihrer Forschung spricht für ihre These, dass die Männer nicht in irgendeinem Kampf sondern bei der Belagerung von Herakleopolis starben. Die Pfeile, die in den Körpern stecken, wurden von oben abgeschossen. Und auch alle Kopfwunden sehen so aus, als seien sie von oben zugefügt worden. Diese Soldaten kämpften gegen einen Feind, der einen höheren Standort hatte – so, wie wenn man eine Festung bekämpft.

Ehrenvolle Bestattung für erfolgreiche Soldaten

Nach der erfolgreichen Belagerung von Herakleopolis krönte sich Mentuhotep II. zum König von ganz Ägypten. Er hatte das Land wiedervereinigt. Als Ausdruck der Dankbarkeit für einige der in diesem Kampf getöteten Soldaten ließ er sie von den Priestern seines Tempels mumifizieren und direkt über dem Tempel in einem Felsengrab bestatten, was sicher eine große Ehre war.

Mentuhotep II. regierte 51 Jahre lang. Er beendete den chaotischen Zustand, den wir heute die erste Zwischenzeit nennen. Mit ihm und seiner 11. Dynastie begann das Mittlere Reich, das etwa 500 Jahre halten sollte. Und das „Grab der Krieger“ ist sichtbares Zeichen dieses wichtigen Wendepunkts der altägyptischen Geschichte.

Leider kann die vollständige Dokumentation „Secrets of the Dead: Egypt’s Darkest Hour“ auf der Website des Senders außerhalb der USA zur Zeit nicht abgerufen werden, nur ein Trailer. Einige Fotos aus der Doku kann man aber hier ansehen.

Nachtrag 15.04.19: Monika Mangal hat in den Kommentaren unten einen Youtube-Link zur Doku genannt.

5 Gedanken zu „Das Grab der Krieger in Deir el-Bahari“

  1. Tja, wäre durchaus eine Überlegung wert, mich zur Abwechslung mal ins Alte Reich vor- beziehungsweise zurückzuwagen 🙂
    Oje, keine Pferde und keine Streitwagen in Ägypten…

  2. @Jolly Thews: Der „verlangte“ Roman ist fertig! Ich konnte mch leider nicht beherrschen. Er heißt „Krieger der Maat“ und spielt -nicht sehr überraschend- am Ende der Ersten Zwischenzeit. Lust auf ein Rezensionsexemplar?

    LG

  3. Liebe Frau Mangal, Herzlichen Glckwunsch zum neuen Roman! Bin gerade in Assuan. Wir nehmen natürlich sehr gerne ein Buch und besprechen es auf unserer Seite. Ich melde mich nach meiner Rückkehr dafür bei Ihnen.
    Grùße aus Ägypten!

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