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Meidum Gänse eine Fälschung?

Die weidenden Gänse von Meidum, ein Wandbild aus dem Alten Reich, das heute im ägyptischen Museum in Kairo ausgestellt ist, ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist das Jahrtausende alte Bild in einem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand, zum anderen sind darauf Gänsearten abgebildet, die man in keiner anderen ägyptischen Darstellung finden kann. Beides trug dazu bei, dass dieses Kunstwerk so berühmt wurde. Beides hat nun aber auch Zweifel geweckt, ob die Malerei wirklich 4600 Jahre alt ist oder eventuell doch eine Fälschung aus der Neuzeit.

Das Bild der Gänse stammt aus der Mastaba des Nefermaat, der Wesir unter dem Pharao Snofru (4. Dynastie) war. Die Mastaba diente als Grabstätte für Nefermaat und seine Frau Atet oder Itet. Sie wurde 1871 in der Meidum-Nekropole von Auguste Mariette gefunden. Neben den beiden Grabkammern gab es in der Mastaba auch zwei Kapellen, eine für Nefermaat und eine für Atet. Das Bild der Gänse stammt aus der Atet-Kapelle. Mariettes Mitarbeiter Luigi Vassalli soll den 162 x 24 cm großen Fries aus der Wand gelöst und mitgenommen haben. Vassalli war zu jener Zeit Kurator des Museums Bulaq in Kairo.

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Einmalige Pastenreliefs

Besonders bekannt ist Nefermaats Mastaba auch durch die nur hier eingesetzte Technik der sogenannten Pastenreliefs. Dabei wurden die Bilder zunächst als Relief in den Stein geschnitten und die Vertiefungen dann mit einer Farbpaste ausgefüllt. Nefermaat selbst schreibt in seinem Grab, dass er seine Bilder und Schriften dadurch unverwüstlich machen wollte. Leider hatte er Unrecht: Die Paste wurde an manchen Stellen im Laufe der Zeit rissig und fiel in Teilen sogar heraus. Vielleicht deshalb wurde diese Maltechnik nicht weiter verwendet.

Die Pastenreliefs wurden in der Mastaba auch nur an den Fassaden der Kapellen eigesetzt – in den Korridoren beschränkte man sich auf die übliche Art, auf die weiß gekalkte Wand zu malen. Würde das Gänsefries also aus einer Fassade stammen und als Relief ausgeführt sein, hätte man Gewissheit über sein Alter. Aber das Bild stammt aus einem der Korridore der Atet-Kapelle, ist also in der konventionellen Maltechnik gefertigt.

Professor glaubt an Fälschung

Der Mann, der die Zweifel an der Echtheit der Gänse aufbrachte, heißt Francesco Tiradritti. Er ist Professor an der Universität Enna in Italien und gleichzeitig auch Direktor der Italienischen Archäologischen Mission in Ägypten. Er ist also kein Hobby-Archäologe, der auf eine Schlagzeile aus ist, sondern hat ein fundiertes Fachwissen.

„Die Echtheit eines solchen Meisterwerkes anzuzweifeln, erscheint einem unglaublich und ist mental durchaus ein schmerzvoller Prozess“, schrieb er der Live Science. Aber nach monatelangem Studium der Fakten gäbe es für ihn kaum noch Zweifel daran. Am 5. April will er seine Ergebnisse im Giornale dell’Arte und dem Art Newspaper auf Italienisch und Englisch veröffentlichen.

Keine „ägyptischen“ Gänse

Ein Grund, der ihn an eine Fälschung glauben lässt, ist die Tatsache, dass zwei der drei abgebildeten Gänsearten seiner Meinung nach nie in Ägypten gelebt haben. Abgebildet sind außen Saatgänse, nach links blickend ein Paar Blässgänse sowie nach rechts gerichtet Rothalsgänse. Während man Blässgänse auch auf anderen Bildern findet, wurden die beiden anderen Gänsearten von den alten Ägyptern in mehreren Jahrtausenden niemals irgendwo anders abgebildet. Saat- und Rothalsgänse würden im Sommer auch in der Tundra und Taiga brüten, meint Tiradritti. Die südlichsten Stationen ihres Winterquartiers seien maximal in Spanien, Griechenland oder der Türkei, niemals aber in Afrika.

Falsche Farben und Proportionen

Eine weitere Ungereimtheit sieht Tiradritti in den verwendeten Farben. Sowohl das Beige als auch Rot und Orange würden hier in Farbtönen verwendet, wie sie in der gesamten Atet-Kapelle nirgendwo anders zu finden seien.

Ebenso seien die Größenproportionen „unägyptisch“. Die alten Ägypter malten Menschen, Tiere und Gegenstände so groß, wie es ihnen gerade passte – häufig angelehnt an die Bedeutung des Dargestellten. So wurde bspw. der Pharao groß, seine Frau deutlich kleiner, und Kinder und Bedienstete noch viel kleiner dargestellt. Hier hat der Künstler aber zu einem anderen Trick gegriffen, um eine Balance zwischen den größeren äußeren Gänsen und den kleineren inneren Gänsepaaren zu erreichen: Er stellt die äußeren Gänse mit gesenktem Kopf, also fressend, dar. Das sei zwar in der modernen Malerei ganz normal, für das Alte Ägypten aber einzigartig.

Und schließlich glaubt Tiradritti, unter dem Bild der Gänse ein anderes, älteres Bild zu erkennen. Während der Hintergund der Gänse ein leicht bläuliches Grau sei, soll das angeblich übermalte Original eher einen Cremeton gehabt haben, wie man es rechts und links des Halses einer der Rothalsgänse noch sehen kann, meint er.

Indizienkette oder Verschwörungstheorie

Als „Künstler“ der Gänse vermutet Tiradritti den bereits erwähnten Luigi Vassalli, der das Bild dann ja auch ins Museum verfrachtete. Vassalli war ein ausgebildeter Künstler; er hatte in Mailand Malerei studiert. Und obwohl er mit Vorliebe über seine anderen Entdeckungen in Ägypten sprach, publizierte er über diesen außergewöhnlichen Fund kein einziges Wort.

Obwohl Vassalli die Urheberschaft nicht nachzuweisen ist, glaubt Tiradritti, auch dafür ein Indiz gefunden zu haben. Als er andere Überreste aus der Atet-Kapelle untersuchte, stolperte er über ein kleines bemaltes Stuckfragment, das einen Korb und einen Geier darstellt. Sie könnten die Buchstaben „G“ und „A“ repräsentieren – überraschenderweise die Anfangsbuchstaben von Vassallis zweiter Frau Gigliati Angiola.

Spätestens jetzt klingt es ein wenig nach Verschwörungstheorie, finde ich. Und das Symbol des Korbes wird gemeinhin als K und nicht als G gesehen – aber wer will sich schon mit einem Professor anlegen… 😉

Wir sind gespannt auf die Reaktionen der Fachwelt, wenn Tiradritti seine Theorien erst einmal veröffentlicht hat. Letztlich sollte eine Untersuchung des Alters der verwendeten Farben jedoch Klarheit bringen können.

2 Gedanken zu „Meidum Gänse eine Fälschung?“

  1. Ich finde das Argument, es hätte die Gänse seiner Meinung nach nicht in Ägypten gegeben, etwas an den Haaren herbeigezogen. Er ist Archäologe und nicht Zoologe.
    Zum anderen haben die Ägypter wie Römer und Griechen auch Waren und auch Tiere aus anderen Ländern importiert. Selbst wenn sie da nicht heimisch waren, könnten einige reiche Leute sich solche Tiere als Dekoration ihres Gartens gehalten haben, weil sie sie schön fanden.

    Und sie kommen sonst in keiner Grabmalerei vor. Kenn er denn wirklich ALLE Grabmalereien? Außerdem gibt es auch Gräber, die heute noch nicht bekannt sind.
    Des weiteren kann das ungewöhnliche Motiv auch ein Wunsch der Grabherrin gewesen sein, weil sie die Gänse einfach mochte. Auch die Ägypter hatten eine gewisse Freiheit in der Gestaltung ihrer Gräber, wenn ihnen etwas besonderes wichtig war. Vielleicht wollte Atet nach ihrem Tod auch Gänse in ihrem Garten im Jenseits haben?

    Eine genaue Antwort wird wohl nur eine Altersbestimmung der verwendeten Pigmente bringen.

  2. Ich möchte mich dem Kommentar von Alex anschließen.
    Prof. Tiradritti ist tatsächlich kein Zoologe. Seine Behauptung, Saat- und Rothalsgänse wären „niemals in Afrika“ zu Gast, ist falsch. In ornithologischen Fachbüchern über die Vogelwelt Nordafrikas wird die Rothalsgans als Wintergast in Algerien und Ägypten aufgeführt. Und die Saatgans kommt danach gelegentlich in Ägypten vor; siehe Etchécopar & Hüe: The Birds of North Africa. London 1967.
    Heimisch waren diese Tiere in Ägypten wohl nicht, möglicherweise aber häufigere Wintergäste als heute. Jedenfalls kannten sich die alten Ägypter etwas mit dem Vogelzug aus. Zumindest wussten sie, dass Gänse, Kraniche und Wachteln im Herbst am fettesten waren. Nämlich dann, wenn diese Vögel auf dem Zug nach Süden waren. Und dann wurden sie gejagt, und nicht selten domestiziert und gemästet.

    Weiß jemand, was die Altersbestimmung gebracht hat?

    Walther

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