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Mumie in Lehm-Kokon neu untersucht

Neue Untersuchungen einer Mumie an der Universität Sydney, die zwischen den Leinenschichten eine einzigartige, harte Schale aus Lehm aufweist, wurden nun in einer interdisziplinären Studie aufgearbeitet. Der bemalte Lehm-Kokon, der bislang an keiner anderen ägyptischen Mumie gefunden wurde, war von außen nicht sichtbar, da er mit weiteren Leinenbinden umwickelt worden war. Die Untersuchungen ergaben, dass die Lehmschicht wohl nicht zur ursprünglichen Mumifizierung gehörte, sondern erst später, nachdem die Mumie vermutlich von Grabräubern beschädigt worden war, ergänzt wurde.

Bei der Mumie handelt es sich um ein Artefakt des Chau Chak Wing Museums der Macquarie Universität von Sydney. Mumie und Sarg waren 1857 von Sir Charles Nicholson von einer Ägyptenreise mitgebracht und bereits 1860 dem Museum geschenkt worden. Nicholson hatte sie vermutlich in Luxor gekauft. Die Inschriften auf dem Sarg benennen eine Frau namens Meruah oder Merutah. Dass die Mumie auch diese Dame Meru(t)ah war, nahm man natürlich zunächst an, bis eine DNA-Untersuchung im Jahr 2005 ergab, dass es sich um einen Mann handelt.

Mumie und Sargdeckel aus der Nicholson Collection des Chau Chak Wing Museums. CC BY-SA 4.0, Original © Universität Sydney 2019. Quelle: siehe Artikelende

Der Sargdeckel war zunächst in die späte 21. Dynastie datiert worden. Neuere Forschungen legten aufgrund der Ikonografie eher etwa 1000 v.Chr. nahe, also die frühe 21. Dynastie. Nun durchgeführte Radiocarbondatierungen der Binden ergaben allerdings eine Zeitspanne von 1370 bis 1113 v.Chr., so dass zumindest die Mumie eher in die 19. oder 20. Dynastie datiert werden muss. Die Forscher vermuten, dass ein findiger Antikenhändler den leeren Sarg und diese vielleicht sarglose Mumie zusammenfügten, um für das komplette Set einen besseren Preis erzielen zu können.

Der Kokon aus Lehm

Die Lehmschale war schon 1999 bei Scans entdeckt worden, und durch einen Einschnitt in die äußeren Bandagen waren an der linken unteren Kopfseite, wo der Kokon ohnehin schon beschädigt war, vier kleine Materialproben genommen worden, das größte etwa 1 cm groß. Alle Teile bestehen aus einer Schicht aus braunem, ungebranntem Ton oder Lehm, die auf einer Seite von einer dünnen weißen Kalkschicht und darüber von einer roten Farbe überzogen sind. Auf der Innenseite sind im Lehm noch Abdrücke der Leinenbinden zu sehen. Der Lehm wurde also auf diese Binden aufgebracht, als er noch feucht und formbar war.

Vorder- und Rückseiten der Kokonfragmente. Bilder: K.Sowada (links), R.Oldfield (rechts). Quelle: siehe Artikelende

Der Lehmkokon ist weitgehend intakt, hat aber Schäden am Kopf, an der rechten Brustseite, an den Hüften und den Füßen (siehe Titelbild). Die Dicke der Lehmschicht ist sehr unterschiedlich; sie schwankt zwischen 1,5 mm am Unterkiefer und 25 mm an der Oberschenkelrückseite.

Anatomische Betrachtung

Untersuchungen der Scans des Skeletts zeigen, dass der Körper zwar vollständig ist, dass aber mehrere Skelettteile (z.B. die Kniescheiben) abgelöst sind und an falschen Stellen liegen. Am rechten Oberarm und rechten Oberschenkel finden sich Brüche, die post mortem entstanden sein müssen. Die Lehmschale ist an diesen Stellen auch beschädigt und gerollter Stoff wurde hier zum Stabilisieren verwendet. Der Brustraum wurde ebenfalls mit zwei leicht unterschiedlichen Stoffen ausgestopft (Bilder B+C unten).

CT-Schnittbilder. Der Lehmkokon als dünne, weiße Linie sichtbar. Bilder: Courtesy Chau Chak Wing Museum und Macquarie Medical Imaging. Quelle: siehe Artikelende

Anhand der Wachstumsfugen und Weisheitszähne kommen die Forscher zu dem Schluss, dass es sich um einen Erwachsenen um die 30 Jahre handelt. Obwohl es weder Anzeichen für äußere noch für innere Geschlechtsorgane gibt, legt die Beckenform nahe, dass es sich um eine Frau handelt. Die Forscher empfehlen daher eine Überprüfung der DNA-Ergebnisse, nach denen die Mumie ja männlich sein soll, weil die damaligen Proben eventuell kontaminiert gewesen sein könnten. Sie kommen nach dieser Studie zu dem Schluss, dass es sich bei der Verstorbenen vermutlich doch um eine Frau handelt.

Schlussfolgerungen

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Verstorbene, vermutlich eine 26-35 Jahre alte Frau, in der Zeit des späten Neuen Reiches starb und mumifiziert wurde. Schon in der Antike wurde die Mumie an mehreren Stellen beschädigt, anschließend teilweise ausgewickelt und bestmöglich „repariert“. Danach wurden die inneren Binden mit feuchtem Ton oder Lehm bestrichen. Diese Lehmschale wurde zunächst weiß grundiert und dann im Bereich des Gesichts auch noch mit roter Farbe bemalt. Danach wurde die lehmumhüllte Mumie mit weiteren Binden umwickelt.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurde die Mumie in ihrem Lemkokon erneut an der rechten Seite und am Nacken beschädigt. Diesen späteren Schaden hat man in moderner Zeit versucht zu „vertuschen“, indem man mit Metallnadeln die Mumie an diesen Stellen zu stabilisieren versuchte – vermutlich das Werk eines Antikenhändlers, der versuchte, die Mumie als intakt darzustellen.

Es gibt nur wenige andere Fälle, in denen eine harte Schale an Mumien mit geringem Status gefunden wurde. Bei manchen wurde vermutet, dass diese Schale aus Gips war, aber das wurde nie explizit untersucht. Eine Lehm- oder Schlammschicht wurde allerdings noch bei keiner anderen Mumie festgestellt. Karin Sowada, die führende Autorin des veröffentlichten Forschungsberichts, vermutet, dass vielleicht die Harzschicht nachgebildet werden sollte, die die Mumien der Reichen schützen sollte. Bei einer Luxus-Mumifizierung wurden die inneren Mumienbinden mit edlem Harz getränkt, bevor die Körper damit umwickelt wurden. Die daraus entstehende, harte, luftdichte Schicht sollte den Körper bestmöglich vor dem Verfall schützen. Harz war aber teuer, Schlamm vielleicht ein billiger Ersatzstoff dafür.

In jedem Fall sollten die Schale und das Neueinwickeln mit Binden die Restaurierung und somit die Unversehrtheit des Körpers für das jenseitige Leben garantieren. Obwohl die soziale Stellung dieser Toten nicht verifiziert werden kann, so kann man doch sagen, dass ihre Nachkommen sowohl die ursprüngliche Mumifizierung – immerhin mit Entnahme der inneren Organe, Füllung des leeren Brust- und Bauchraums und Bandagierung des ganzen Körpers – als auch die spätere Restaurierung der beschädigten Mumie incl. Einbringung dieses außergewöhnlichen, bemalten Lehmkokons, sehr ernst nahmen. Ob diese Lehmschale allerdings tatsächlich eine einmalige oder vielleicht doch eine verbreitete Praxis war, werden vielleicht radiologische Untersuchungen an anderen nicht-königlichen Mumien aus dieser Zeit zeigen können.

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Die Informationen und Bilder stammen aus dem folgenden Artikel:
Sowada K, Power RK, Jacobsen G, Murphy T, McClymont A, Bertuch F, et al. (2021): »Multidisciplinary discovery of ancient restoration using a rare mud carapace on a mummified individual from late New Kingdom Egypt.« PLoS ONE 16(2): e0245247,
veröffentlicht unter Creative Commons Attribution License CC BY-SA 4.0

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