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Heftige Diskussionen über neue Kleopatra-Doku auf Netflix

Für heiße Diskussionen sorgt schon seit einigen Wochen eine Kleopatra-Doku auf Netflix, die im Rahmen einer „African Queens“ Reihe von Jada Pinkett Smith produziert wurde. Die Königin wird in „Queen Cleopatra“ von der schwarzen Darstellerin Adele James verkörpert, was insbesondere in Griechenland und Ägypten für einen Sturm der Entrüstung sorgte.

„Blackwashing“

Kurz nach Veröffentlichung des Trailers war es natürlich Zahi Hawass, der sich als erstes zu Wort meldete. Die Dokumentation sei „komplett fake“. Die Königin stammt aus der Linie der griechisch-stämmigen Ptolemäern und ihre Haut sei definitiv heller und nicht schwarz gewesen. Hawass startete sofort die Gegenoffensive und veröffentlichte am gleichen Erscheinungsdatum wie die Netflix-Serie seine „Gegen-Doku“ „Discover the true Cleopatra“ auf Youtube.

Aber auch von vielen anderen kam der Vorwurf von „Blackwashing“, also das Darstellen weißer Persönlichkeiten mit schwarzen Schauspielern. Die Behauptung einer afrozentrische Bewegung, dass die alten Ägypten eine schwarze Hautfarbe gehabt hätten, ist vielen heutigen Ägyptern schon lange ein Dorn im Auge. In ihrem Nationalstolz verletzt, sahen sie die Kleopatra-Doku nun als Spitze des Eisberges für die falsche Auslegung ihrer eigenen Geschichte. Ein ägyptischer Rechtsanwalt droht sogar Netflix aufgrund der Darstellung von falschen Tatsachen zu verklagen und will Netflix nun von allen ägyptischen Bildschirmen verbannen.

Aufgrund des großen Shitstorms haben sich viele der Beteiligten zu ihrer Dokumentation im Nachhinein noch geäußert. Die Regisseurin von „Queen Cleopatra“, Tina Gharavi rechtfertigte sich, dass Kleopatras Familie schon seit 300 Jahren in Ägypten gelebt hat. Daher sei die Tatsache für sie, dass die Königin weiß gewesen sei, „etwas unwahrscheinlich“.

Auch Netflix sah sich dazu genötigt in einer Pressemitteilung Stellung dazu zu nehmen: „(Kleopatras) ethnische Zugehörigkeit steht nicht im Mittelpunkt (der Serie), aber wir haben uns bewusst dafür entschieden, sie als gemischte ethnische Zugehörigkeit darzustellen, um Theorien über Kleopatras mögliche ägyptische Abstammung und den multikulturellen Charakter widerzuspiegeln“. Die ethnische Zugehörigkeit steht tatsächlich nicht im Mittelpunkt der 4-teiligen Serie. Da Netflix aus 181 Minuten Doku in dem Trailer ausgerechnet das Anfangszitat über ihre vermeintliche Hautfarbe rausgefischt hat, könnte man schon eine gewisse Provokation unterstellen. Ebenso den extra dunkelbraunen Filter im Promotionbild über das Gesicht der Darstellerin , die eigentlich, wie vielleicht Kleopatra auch, gemischte Wurzeln hat.

Der Stein des Anstoßes

In dem besagten Trailer sieht man den Ausschnitt von der Historikerin Professor Shelley Haley, die sich in den ersten Minuten der Doku noch an die Worte ihrer Großmutter erinnert, als das Thema Kleopatra in der Schule unterrichtet wurde: „Es ist mir egal, was man dir in der Schule erzählt, Kleopatra war schwarz.“ Punkt. Ja, also wenn das die Großmutter sagt… Und, nebenbei bemerkt, ob das der richtige Ansatz ist zu sagen, dass es egal ist, was man dir in der Schule erzählt? Ein schlechter und auch provokanter Start für eine Dokumentation. Immerhin wird sie ihre Aussage später noch mal mit „wir kennen ihre genaue Abstammung nicht“ relativieren. Wenn die Doku (bzw. der Trailer) das zu ihrem Leitsatz gemacht hätte, wäre allen Beteiligten einiges erspart geblieben.

Der britische Historiker Dr. Islam Issa wird nur etwas später seine Zunft ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckern: „Die Anziehungskraft von Kleopatra. . . ist, dass sich jeder sie auf seine eigene Art vorstellen kann. Ich stelle mir vor, dass sie lockiges Haar wie ich und eine ähnliche Hautfarbe hat.“ Was will er uns damit sagen? Wer braucht schon Fakten wenn man Fantasie hat?

Das Schlusswort der Dame mit der Großmutter setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf, als sie davon erzählt, dass sie sich bisher immer geweigert hat, über Kleopatra zu forschen – bis ihr dann eines nachts eine schemenhafte Gestalt im Schlaf erschien, die ihr sagte, sie solle ihre wahre Geschichte erzählen… Wenn die Doku da nicht schon zu Ende gewesen wäre, hätte ich spätestens hier abgeschaltet. Solche Aussagen, und damit beziehe ich auch die beiden oberen mit rein, gehören einfach nicht in eine Doku und machen sie weder glaubwürdig noch überzeugend.

Ansonsten werden Fakten wie die ungeklärte Herkunft von Kleopatra (auf die wir später noch eingehen werden), einfach nur schnell abgefrühstückt (auf ihre Bildnisse wird zum Beispiel gar nicht eingegangen), und das war es auch schon im Großen und Ganzen mit der Diskussion über die Ethnie Kleopatras. Immerhin ist die Doku konsequent und so werden auch alle (Halb-)Geschwister Kleopatras sowie ihr erweitertes Umfeld von „people of colour“ gespielt. Nur an die Römer hat man sich dann doch nicht herangetraut…

Eine langatmige Doku

Unterm Strich ist die Serie eine langatmige Doku, die für einen Vierteiler erstaunlich wenig in die Tiefe geht. Kleopatra wurde nicht in einem Teppich eingerollt zu Caesar gebracht… Kleopatra ist nicht von einem Schlangenbiss getötet worden… Ja schön, das mag zwar alles sein, aber man stellt auch hier einfach Aussagen in den Raum, ohne sie auch nur ansatzweise überzeugend, wenn denn überhaupt zu begründen. Der Schlangenbiss geht nicht wie in der Doku behauptet auf Hollywood zurück, sondern auf eine Vermutung von Plutarch, der jedoch 100 Jahre nach Kleopatra lebte und somit kein Zeitzeuge gewesen ist. Da man durch Schlangengift langsam und qualvoll stirbt, scheint es eher unwahrscheinlich, dass Kleopatra diese Form von Selbstmord gewählt hat. Hätte man ja mal erwähnen können…

Ohne die Diskussion über die ethnische Zugehörigkeit Kleopatras wäre die Reihe schnell in der Versenkung verschwunden. Es wechseln sich die Aussagen von mehr oder (eher) weniger bekannten Wissenschaftlern mit den für Dokus dieser Zeit typischen Spielfilmszenen ab, die teilweise noch mit etwas befremdlich wirkender Popmusik untermalt werden. Einziges Highlight und daher auch sehr schade, dass die Darstellerin so einen Shitstorm ertragen musste: Adele James spielt die Kleopatra super! Die anderen Darsteller können da leider nicht mithalten (wer hat nur diesen unsympathischen Julius Caesar gecastet?!).

Vernichtende Kritiken

Die Kritiken sind zwar vernichtend, doch durch die Aufmerksamkeit schaffte es die Doku in die Top 10 bei Netflix. Schlechte publicity ist immerhin auch publicity. Auf der Film-Bewertungsplattform „Rotten Tomatoes“ erhielt die Reihe nach vier Tagen gerade einmal eine Bewertung von einem Prozent. Von den professionellen Kritikern der Plattform konnten nur 10% der Serie etwas Gutes abgewinnen. Bei IMDB ist die Kritik ähnlich verheerend. Von 60.143 Bewertungen hat die Doku-Serie nur 1 von 10 Sternen erhalten. Ein absoluter Negativ-Rekord, wobei man dazu sagen muss, dass natürlich sowohl Ägypter als auch Griechen eifrig schlechte Bewertungen abgegeben haben.

Wie hat Kleopatra ausgesehen?

Wir wissen nicht wie Kleopatra ausgesehen hat. Während die vorherigen Ptolemäer bevorzugt innerhalb der eigenen Familien hineinheirateten, ist Kleopatras Mutter genauso unbekannt wie ihre Großmutter väterlicherseits. Manche Archäologen vermuten, dass Kleopatras Mutter und/oder Großmutter aus dem ägyptischen Adel stammten. Doch ihre zeitgenössischen Darstellungen zeigen eine Frau in einem typisch griechischen Profil.

Büste der Kleopatra (hier leider ohne Nase)
40 – 30 v. Chr.
Vatikanisches Museum

Ihr griechisches Aussehen ist auch das Hauptargument, das Ägyptens Antiken- und Tourismusministerium in einer langen Pressemitteilung (wären doch archäologische Pressemitteilungen mal so lang…) gegen die Darstellung der Kleopatra in der Netflix-Doku veröffentlichte. Um sich von den vielen rassistischen Kommentaren im Netz zu distanzieren, ergänzt das Ministerium versöhnend: „Weit entfernt von jeglichem ethnischen Rassismus, betonen wir den vollen Respekt für die afrikanische Zivilisationen und für unsere Brüder auf dem afrikanischen Kontinent, der uns alle zusammenbringt.“

Kleopatra ist und bleibt ein hitziges Thema. Während sich eine Angelina Jolie, die mal vor ein paar Jahren Kleopatra in einem Film spielen sollte, den Vorwurf des „whitewashing“ anhören musste, steht in der Netflix-Doku der Vorwurf von „blackwashing“ im Raum. Selbst eine israelische Gal Gadot, die zuletzt die Kleopatra in einem neuen Film verkörpern sollte, sorgte für hitzige Diskussionen warum man nicht mal eine Ägypterin oder Griechin als Darstellerin der berühmten Königin nimmt. Das Film-Projekt ist seitdem erst einmal auf Eis gelegt.

Römische Quellen beschreiben Kleopatra als intelligent und charismatisch mit einer verführerischen Stimme. Von einer außergewöhnlichen Schönheit wie sie uns von Elizabeth Taylor bis Adele James überall in den Medien begegnet ist, war nie die Rede und auch das fliehende Kinn und die große Hakennase begleitet sie in all ihren Portraits (von wegen „schöne Nase“). Warum wird im Zeitalter von Instagram-Filtern und einem übertriebenen Schönheitsideal eigentlich nicht einmal darüber diskutiert?

Ihr könnt natürlich in den Kommentaren über die Dokumentation diskutieren aber bitte bleibt fair. Kommentare mit rassistischen Äußerungen werden nicht freigeschaltet


7 Gedanken zu „Heftige Diskussionen über neue Kleopatra-Doku auf Netflix“

  1. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Kleopatra ist lange tot, ist doch nicht wichtig, was sie für eine Hautfarbe hatte.

  2. Viele amerikanische Schwarze haben leider auf den Rassismus der Weißen mit einem eigenen Rassismus reagiert, der Produkt von Misstrauen und Unbildung ist. Ich hoffe, dass der Aufschrei gegen diesen Netflix-Unsinn dazu beiträgt, dass viele Leute lernen echte Geschichte von Mythologie zu unterscheiden und das aufgehört wird historische Begebenheiten im Licht unserer heutigen Vorurteile (z.B. „woke“) zu sehen. Ein anderes Beispiel für sowas, war ja Whoopie Goldberg, die der Meinung war, Juden im 3. Reich waren nicht Opfer von Rassismus, weil sie ja Juden auch weiß sind…

  3. Naja so auschtauschbar ist Hautfarbe auch wieder nicht. Siehe Identifikation und Authentizität.
    Gerade in einer Dokumentation ist das schon sehr seltsam…Aber es ist ja 2023….
    Siehe auch die Ausstellung des Ägyptischen Museums in Leiden, wo hip hop und Rihanna was weiss ich für einen Bezug zum alten Ägypten haben soll.

    Und dann finde ich auch eine DNA Analyse von 150 Mumien von 1400-400 vor Christus interessant, die festhielt, dass die Bevölkerung des alten Ägypten am engsten mit zeitgenössischen Populationen im Nahen Osten und an der östlichen Mittelmeerküste verwandt war. Also helle Hautfarbe.

  4. Zu der Diskussion sollte man auch immer wieder betonen, (vielleicht bleibt es ja doch mal hängen) das es keine menschlichen Rassen gibt. Es fehlt halt auch Entsprechend an Bildung in dem Punkt.

  5. Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe mich auch schon gefragt, weshalb sich in den neueren Walt Disney-Filmen die Hautfarbe der Fee nun plötzlich in Richtung „dunkel pigmentiert“ verschiebt.
    Und noch ehrlicher: Ich fand bisher auch keine Zeit, mir die Netflix-Doku anzuschauen.
    Die Reaktion Zahi Hawass (in gewissen schweizerdeutschen Dialekten bedeutet „Hawass“ so viel wie „Unsinn“) überraschte mich jedoch nicht. Dieser mediengeile Crocodile Dundee müsste sich vielleicht einfach mal überlegen, inwieweit sich seine Cowboy-Kopfbedeckung mit ägyptischer Authentizität vereinbaren liesse…
    Ob sich Cleopatra nun in dunkler oder heller Hautfarbe zeigt, ist vermutlich eher nebensächlich und die ganze Polemik um dieses „Blackwashing“ (ich liebe diese Anglizismen ja so sehr!) wohl eher der scheinheilige Ausdruck einer zunehmend dekadenten und gelangweilten Spassgesellschaft ohne primäre Versorgungsprobleme.
    Im Übrigen lässt sich in der ägyptischen Geschichte wohl kaum ein Einfluss nubischer Herkunft ableugnen…
    Andreas Merz

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