Die Mumie von Amenophis I. wurde 1881 im Mumienversteck (Royal Cache) in Deir el-Bahari gefunden. Das ursprüngliche Grab dieses Königs ist unbekannt. Seine Mumie ist eine der ganz wenigen Königsmumien, die im späten 19. Jh. nicht ausgewickelt wurden, sondern bis heute bandagiert in ihrem Sarg liegen. Aus diesem Grund war aber bisher auch nicht viel bekannt über diese Mumie. Im Jahr 2019 durchleuchtete nun die Radiologin Dr. Sahar N. Saleem, Professorin an der Universität Kairo, die Mumie und erstellte mittels CT-Scans zwei- und dreidimensionale Bilder der Totenmaske, der Bandagen und der virtuell ausgewickelten Mumie. Ihr Untersuchungsbericht erschien im Dezember 2021 in dem wissenschaftlichen Journal »Frontiers in Medicine« (siehe Textende).
Vorab zum Namen Amenophis: Unter dieser griechischen Namensform ist der Pharao, der den Thronnamen Djeser-Ka-Re trug, wohl am bekanntesten und auch viele Ägyptologen verwenden ihn ganz selbstverständlich. Andere Wissenschaftler nennen ihn Amenhotep, weil dies der Transkription näher ist, mit der sein Eigenname geschrieben wurde. Es gibt unter Fachleuten also beide Bezeichnungen. Da Dr. Saleem und Dr. Hawass, Co-Autor der Veröffentlichung, in ihrem Forschungsbericht über die aktuellen Scans der Mumie stets von Amenhotep I. sprechen, verwenden auch wir hier diese Namensform.
Die Geschichte der Mumie seit ihrer Entdeckung
Die Mumie Amenhoteps I. war 1881 im Grab TT320, der sogenannten »Royal Cache«, in Deir el-Bahari gefunden worden. Priester der 21. Dynastie (3. Zwischenzeit, 11. Jh. v.Chr.) hatten hier viele Königsmumien aus beraubten Gräbern zusammen an einem sicheren Ort gelagert. Die Mumie wurde in ihrem Sarg gefunden, dessen Hieroglypheninschriften belegten, dass es sich hier um Amenhotep (Amun ist zufrieden) I. handelt. Zusätzlich bewiesen das auch die hieratischen Beschriftungen der beiden Priester, welche die Mumie umgebettet, dabei die durch Plünderungen entstandenen Schäden „repariert“ und sie zweimal neu bandagiert hatten. Nach dem Fund 1881 war die Mumie zunächst in das Bulaq-Museum nach Kairo gebracht worden, von wo sie wenig später mit einem Großteil der Bulaq-Sammlung in den Gizeh-Palast Ismail Paschas transportiert wurde. Nach dem Bau des neuen Museums am Tahrirplatz fand die Mumie Amenhoteps I. dann dort ihre langjährige Ruhestätte und wird seitdem mit der Bezeichnung »CG 61058« im Catalogue Général des Kairoer Museums geführt. Im April 2021 wurde die Mumie zusammen mit allen anderen königlichen Mumien des altehrwürdigen Ägyptischen Museums Kairo in einer großen, medienwirksamen Parade (wir berichteten) in das Nationale Museum für Ägyptische Zivilisation (NMEC) gebracht, das in Kairos historischem Stadtteil Fustat liegt.
Erste Untersuchungen im 19. Jahrhundert
Gaston Maspero, der für die damalige ägyptische Altertumsbehörde gearbeitet und das Mumienversteck gefunden hatte, hatte später auch viele dieser Mumien ausgewickelt und wissenschaftlich untersucht. Diese spezielle Mumie von Amenhotep I. aber war so kunstvoll eingewickelt und mit Blumengirlanden geschmückt, dass er es nicht übers Herz brachte, sie anzurühren und sie daher nicht auswickelte sondern in ihrem Fundzustand beließ. Von insgesamt 50 Mumien des Kairoer Museums, die G.E. Smith 1912 in dem Band »The Royal Mummies« im Catalogue Général auflistete, beschrieb und fotografierte, ist diese jedenfalls die einzige (!) nicht ausgewickelte Mumie, von der aus dieser Zeit daher hauptsächlich das folgende Foto bekannt war.
Der Sarg
Auf dem Deckel des hölzernen Sarges finden sich mehrere Streifen mit Hieroglyphen; ein senkrechter sowie drei weitere in waagerechter Richtung (siehe Foto oben). Die Hieroglyphen sind mit schwarzer Tinte auf weißem Grund geschrieben. In der senkrechten Inschrift findet Maspero den Namen Amenhoteps I. in einer neuen, ihm unbekannten Schreibweise, die er mit „Amenhotep, der sich Ägypten anschließt“ oder „…der bei Ägypten ist“, übersetzt.
Wir kennen keine andere Stelle, an der Amenhoteps Name mit diesem Anhang (n km) geschrieben ist und wissen daher auch nicht, ob es eine andere, „modernere“ Übersetzung dafür gibt. Unser befreundeter Sprachwissenschaftler Thomas vermutet allerdings ebenso wie Maspero, dass das „km“ tatsächlich für „km(.t)“ steht und also „Ägypten“ bedeutet, auch wenn das „t“ hier offensichtlich fehlt; solche Kurzformen können aber durchaus vorkommen. Er schlägt vor, es einfach mit „Amenhotep von Ägypten“ zu übersetzen. Vielleicht machte es nach den politischen Verwerfungen der 2. Zwischenzeit für einen König Sinn, besonders zu betonen, dass er für das ganze Ägypten stand.
In Brusthöhe ist ein Geier mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Sargdeckel dargestellt, über dem vier Zeilen in Hieratisch geschrieben sind. Diese sind auf dem Foto nicht gut zu erkennen, da sie auch sehr verblasst sind.
In diesen Inschriften haben die Hohepriester Pinudjem I. und sein Sohn und Nachfolger im höchsten Priesteramt, Masaharta, in jeweils zwei Zeilen hieratischer Schrift die genauen Daten notiert, an denen sie die Restaurationen durchführten. Wir wissen daher, dass die zweite Restauration durch Masaharta exakt 10 Jahre nach der ersten seines Vaters durchgeführt wurde. Interessant ist auch, dass Masaharta sich selbst als „Sohn des Königs Pinudjem“ bezeichnet; sein Vater hatte sich wohl im zerfallenden ägyptischen Großreich (Beginn der 3. Zwischenzeit) als König von Theben oder ganz Oberägypten gesehen.
Es ist umstritten, ob dies der originale Sarg ist, in dem Amenhotep I. nach seinem Tod bestattet wurde, da ihm sämtlicher Schmuck fehlt, den man an einem Königssarg vermuten würde. Entweder haben die Grabräuber ursprünglich vorhandene Vergoldungen so gekonnt entfernt, dass heute keine Spuren davon mehr zu erkennen sind, oder der ursprüngliche Sarg ging verloren, und die beiden Priester beschafften einen „Ersatzsarg“, den sie dann allerdings wieder kunstvoll bemalten und für Amenhotep I. beschrifteten. Wer wissen will, wie der Sarg heute aussieht, findet bei Sketchfab eine virtuelle 3D-Ansicht des Sarges.
Die Mumie
Zur Mumie hatte Maspero nur die folgenden Informationen notiert: Sie war 165 cm groß und von einem orangefarbenen Leichentuch bedeckt. Sie trug eine Gesichtsmaske aus Holz und bemaltem Karton, die mit der Sargmaske identisch war. Die Mumie war von Kopf bis Fuß mit Girlanden aus roten, gelben und blauen Blüten von Rittersporn, Sesbania, Gummi-Akazie und Färberdistel bedeckt. Weiter schrieb er, es wäre zwar wünschenswert gewesen, die Mumie auszuwickeln, um die beiden Restaurierungen näher untersuchen zu können, aber die Mumie unter ihren Girlanden sähe so schön aus, dass er deswegen Skrupel empfand. Nur eine Besonderheit vermerkte er noch in seinen Aufzeichnungen, nämlich dass er im Sarg eine durch Trocknung konservierte Wespe gefunden hatte, die sich wohl bei der letzten Neubandagierung – vielleicht angezogen vom Duft der Blumengirlanden – in den Sarg verirrt hatte und dann für die Ewigkeit dort eingeschlossen war.
Untersuchungen im 20. Jahrhundert
1932 nahm Douglas Derry, Professor an der Kairoer »Kasr Al Ainy School of Medicine«, die Mumie aus ihrem Sarg und unterzog sie einer Röntgenuntersuchung. Bei der Auswertung der Bilder schätzte er, dass Amenhotep I. zum Zeitpunkt seines Todes wohl zwischen 40 und 50 Jahre alt war. Weiter erkannte er Restgewebe im Schädel und ein kleines Amulett in der Mitte des rechten Arms.
35 Jahre später (1967) röntgte eine Delegation der Michigan Universität erneut die Mumie und schätzte das Todesalter aufgrund der gut erhaltenen Zähne auf eher 25 Jahre. Andere altersbestimmende Merkmale waren auf den Bildern nicht gut zu erkennen. Dafür erkannte man einen Perlengürtel und die Tatsache, dass der rechte Unterarm rechtwinklig angewinkelt über dem Bauch lag, während der linke Arm gebrochen war und gestreckt an der Körperseite lag.
Neue Scans mit CT-Technologie
Die neuen Scans fanden im Mai 2019 im Garten des Ägyptischen Museums Kairo statt, und zwar mit einem Multi-Detektor CT-Scanner, der auf einem LKW montiert war. Die Mumie wurde mit ihrer aus Holz und Karton bestehenden Gesichtsmaske gescannt (das Gesicht ist aus Holz, alle anderen Teile der Maske aus Kartonage). Das Äußere der Holzmaske wird im Untersuchungsbericht wie folgt beschrieben. Das Gesicht ist blaßgelb, die Konturen der Augen und Augenbrauen sind mit Schwarz gemalt. Um das Gesicht lebensechter erscheinen zu lassen, sind die Augen aus glänzenden, eingelegten Steinen gearbeitet; die schwarzen Pupillen sind dabei aus Obsidian, das umliegende Weiße der Augen vermutlich aus Quartz. Die geschnitzte Uräus-Schlange auf der Stirn ist mit Edelsteinen belegt.
Die Scans zeigen, dass die Kartonage vor und hinter dem Körper bis etwa zur Mitte der Brust reicht. Sie ist vorne 44 cm und am Rücken etwa 40 cm lang, sie ist 32 cm breit und 22,5 cm tief. Die Kartonage ist ca. 6 mm dick und besteht in der Mitte aus einer Schicht Papyrus oder Leinen, über die innen und außen eine dünne Schicht Gipsputz gezogen wurde. Trotz ihrer „bewegten“ Geschichte (Plünderung, zweimalige Restaurierung, mehrfache Umbettung) ist die Kartonage in einem sehr guten Zustand ohne Brüche oder geknickte Stellen. Die Holzmaske des Gesichts hat jedoch einen langen Haarriss, zeigten die Scans. Ein Fakt, den die Autoren mit Blick auf zukünftige Restaurationsarbeiten hervorheben.
Das Skelett
Amenhoteps Mumie zeigt ein ovales Gesicht mit eingesunkenen Augen und Wangen. Nase und Kinn sind schmal und flach, was bei der Nase auch an der Bandagierung liegen könnte. Die Ohren sind relativ klein, das linke Ohrläppchen hat ein kleines Piercing. Die oberen Zähne stehen leicht hervor. Hinten und seitlich des Kopfes sind einige Haarlocken zu sehen.
Obwohl (oder vielleicht auch weil) die Mumie insgesamt in einem recht guten Erhaltungszustand ist, sind diverse Schäden zu erkennen, die alle post mortem, also erst nach der Mumifizierung, entstanden sind. Ein kompletter Bruch geht durch den 4. und 5. Halswirbel sowie durch den letzten Hals- und den ersten Brustwirbel; der Kopf wurde also vom Körper abgetrennt. Zur Reparatur hatten die Einbalsamierer der 21. Dynastie eine harzgetränkte Binde verwendet, um den Kopf quasi an die Brustwirbelsäule zu „kleben“.
Die rechte Hand ist vom Unterarm abgelöst und wurde etwas unnatürlich zur Seite abstehend platziert. Der linke Arm liegt in 3 Einzelteilen (Oberarm, Unterarm, Hand) seitlich neben Körper. Sechs durch die Bandagen gesteckte, ca 2,5 cm lange Stifte halten den Unterarm am Körper; vier dieser Stifte sind vermutlich aus Holz, zwei aus einem dichteren Material, vielleicht Elfenbein oder Knochen. An der linken Hand sind nur noch 3 gebeugte Finger vorhanden und die Handwurzelknochen fehlen komplett. Die zwei „fehlenden“ Finger liegen im Bauchraum, der auf der Vorderseite ein 12×18 cm großes Loch aufweist, das ebenfalls mit einer harzgetränkten Binde zumindest teilweise abgedeckt wurde. Direkt neben dieser Binde ist ein Amulett zu sehen.
Ein scharfkantiger Knochensplitter am linken Schambein weist keine Heilungsspuren auf, was die These bestätigt, dass auch diese Verletzung von Grabräubern stammt. Der Penis zeigt Anzeichen einer Beschneidung. Am rechten Fuß sind die Knochen aus den Gelenken ausgerenkt; die Einbalsamierer der 21. Dynastie haben bei ihren Restaurationsbemühungen daher eine 18×5,5 cm große Holzplatte unter den Fuß gelegt und diese mit sechs Metallnägeln (ca. 1 cm lang) an den Binden befestigt, um ihre Position zu sichern.
Alter, Größe, Krankheiten
Das Alter zum Todeszeitpunkt schätzen Dr. Saleem und Dr. Hawass aufgrund der geschlossenen Wachstumsfugen aller langen Knochen sowie der Oberfläche der Schambeinfuge auf etwa 35 Jahre. Amenhotep I. hatte noch alle Zähne, inkl. der Weisheitszähne, mit nur geringen Abnutzungsspuren. Auch von Karies oder Zahnfleischproblemen gibt es keine Spuren.
Das Skelett der Mumie ist 161,5 cm lang. Da aber der Kopf einmal abgetrennt war und „etwas tiefer“ wieder angeklebt wurde, berechneten die Forscher die Körpergröße anhand der Länge des Schienbeins auf ca. 168 cm (±3 cm). Die CT-Aufnahmen zeigen auch keine Anzeichen für Knochenkrankheiten oder Gelenkschäden, so dass eine Todesursache nicht zu erkennen ist.
Die Mumifizierung
Das Gehirn wurde bei der Einbalsamierung nicht entfernt; es liegt zusammengeschrumpft an der Rückseite des Schädelraums und weist keine Anzeichen von Mumifizierungsmaterialien auf. Dies war zur Zeit Amenhoteps I., im Übergang von der 17. zur 18. Dynastie, die übliche Vorgehensweise. Erst in der späten 18. Dynastie begann man, das Gehirn durch die Nasenlöcher zu entfernen.
Die Eingeweide wurden allerdings entfernt, und zwar durch einen etwa 9 cm langen, senkrechten Schnitt an der linken Körperseite. Auch dieser senkrechte Schnitt war typisch für diese Zeit; ab der Mitte der 18. Dynastie wurde dieser Schnitt zur Entfernung der inneren Organe dann schräg ausgeführt. Das Herz von Amenhotep I. wurde vor der Bandagierung in den Brustraum zurückgelegt, vorher war noch die Körperhöhle mit Leinen ausgestopft worden. Die CT-Scans zeigen, dass dabei Leinen unterschiedlicher Dichte verwendet wurde, also neben Leinentüchern wohl auch Stoffklumpen, die mit Harz getränkt waren.
Auf den eingetrockneten Augäpfeln sind Spuren von Harz sichtbar; kleine Stopfen aus Leinen verschließen die Nasenlöcher. Der Mund wurde nicht ausgestopft, die getrocknete Zunge liegt im Rachen. Auch Ausstopfungen unter der Haut, um den Körper „auszupolstern“ und ihn lebensecht erscheinen zu lassen – eine übliche Methode der Mumifizierung im Neuen Reich –, sind bei dieser Einbalsamierung nicht vorgenommen worden.
Einige Körperteile sind separat bandagiert: der rechte Arm, das linke Bein, der Penis sowie das rechte Bein. Der rechte Fuß mit der Holzplatte darunter ist allerdings nicht separat, sondern mit dem linken Fuß zusammen bandagiert. Ebenfalls sind die Einzelteile des linken Arms nicht separat, sondern bei der Reparatur der Mumie in der 21. Dyn. zusammen mit dem Oberkörper bandagiert worden.
Die originale Armhaltung der Mumie ist nicht sicher. Amenhoteps Vorgänger, sein Vater Ahmose I., war mit gestreckten Armen bestattet worden, spätere Könige der 18. Dynastie mit über der Brust gekreuzten Armen. Hier liegt nun der rechte Unterarm waagerecht über dem Bauch und der linke Arm, der ja komplett zerrissen war, wurde gestreckt neben dem Körper wieder einbandagiert. Dr. Saleem und Dr. Hawass sehen in der erhalten gebliebenen Originalbandagierung des rechten Arms Anzeichen dafür, dass dieser Arm ursprünglich vor der Brust gekreuzt gewesen sein könnte. Dann wäre Amenhotep I. der erste König des Neuen Reiches, der mit gekreuzten Armen bestattet worden wäre, was nach seinem Tod dann die Standardhaltung königlicher Mumien wurde.
Schmuck und Amulette
Im Bereich des unteren Rückens ist ein Perlengürtel zu sehen, der dort unter den Bandagen platziert wurde; er umfasst 34 Perlen, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus Gold bestehen. Direkt daneben, auf der linken Hüfte, findet sich ein Fayence-Amulett in Form eines Schneckenhauses.
Insgesamt fanden die Forscher 30 Amulette; 7 am rechten Arm, 3 in der Körperhöhle, 10 am Oberkörper und 10 weitere am linken Bein. Die Amulette sind zwischen 0,5 und 4,5 cm groß und aus verschiedenen Materialien gefertigt: 11 aus Metall (vermutlich Gold), 13 aus Quartz oder Fayence, fünf aus gebranntem Ton und eines aus Stein. Die Scans zeigen die verschiedenen Formen der Amulette, darunter das Horus-Auge, Skarabäen, die Doppelfeder, Perlen, Schneckenhäuser, Papyrusrollen, Schlangenköpfe und natürlich ein „ib“, ein Herz-Skarabäus, der das Herz schützen sollte.
Dass die Mumie in der 21. Dyn. zweimal neu bandagiert wurde, hatte Fachleute bereits darauf hingewiesen, dass sie wohl in antiker Zeit beraubt worden war. Die CT-Untersuchung hat nun die Schäden gezeigt, die diese Plünderung verursacht hat. Bei einer königlichen Einbalsamierung wurden Amulette sowohl in den Bauchraum gelegt, als Schmuck um den Hals und an den Fingern getragen oder auch zwischen die Binden gelegt, mit denen der Körper und die Extremitäten bandagiert wurden. Die Schäden an der Mumie sind nun auch genau dort: Der Bauch wurde bei der Plünderung aufgeschnitten, der Kopf und der linke Arm abgerissen, ebenfalls der rechte Fuß, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand. All dies vermutlich auf der Suche nach wertvollem Schmuck und Amuletten. Bevor die Plünderer allerdings auch die restlichen Körperteile auswickeln und die verbliebenen Amulette stehlen konnten, wurde die Mumie Amenhoteps I. anscheinend aus ihrem originalen (beraubten) Grab genommen und zusammen mit vielen anderen königlichen Mumien in das Mumienversteck in Deir el-Bahri gebracht.
Die erneute Einbalsamierung in der 21. Dynastie.
Die beiden Priester der 21. Dynastie, Pinudjem I. und sein Sohn Masaharta, die ihren Titel mit „erster Prophet des Gottes Amun-Ra, König der Götter“ angeben, versuchten im Abstand von 10 Jahren, die Schäden an der Mumie zu reparieren und sie erneut in einen optisch tadellosen Zustand zu bringen. Ein schriftlicher Beweis ihrer Bemühungen findet sich auf dem Sargdeckel über dem Geier mit den ausgebreiteten Flügeln (s.o.). Wie die CT-Untersuchungen zeigen, haben die Einbalsamierer der 21. Dynastie die Plünderungsspuren wie folgt „repariert“: Der Kopf wurde wieder an seinen Platz gesetzt und dort mit harzgetränkten Binden fixiert. Der aufgeschnittene Bauchraum wurde mit Binden abgedeckt und zwei zusätzlich eingebrachte Amulette sollten hier diese Wunde magisch schützen. Die Einzelteile des linken Arms wurden seitlich neben dem Körper mit Stiften fixiert, zwei abgerissene Finger mit in den Bauchraum gelegt. Um den abgetrennten rechten Fuß am Platz zu halten, wurde sogar ein mit Nägeln gespicktes Holzbrett eingebracht.
Am Ende seiner Restaurierung bedeckte Masaharta die fertige Mumie samt ihrer Totenmaske noch mit verschiedenfarbigen Blumengirlanden, die selbst 3000 Jahre später noch so schön waren, dass Gaston Maspero das beeindruckende Gesamtbild dieser Mumie im späten 19. Jh. nicht zerstören wollte.
Nach Meinung einiger Ägyptologen fanden in der 21. Dyn. die Umbettungen und Neubandagierungen königlicher Mumien auch deshalb statt, weil die Priester in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der 3. Zwischenzeit Gold benötigten und dafür „Anleihen“ bei früheren Königen nahmen. Sie lösten daher deren ohnehin teilweise geplünderten Gräber auf, nahmen Wertgegenstände an sich und brachten die Mumien anschließend in das Versteck in Deir el-Bahari. Die kunstvolle und umsichtige Behandlung, die Pinudjem I. und Masaharta dieser Mumie Amenhoteps I. angedeihen ließen, spricht allerdings auch „wenigstens eine“ andere Sprache. Nicht nur, dass viele wertvolle Amulette an den unversehrten Körperteilen an Ort und Stelle blieben, sie steckten auch noch weitere hinzu, z.B. um das große Loch im Bauch zu „schützen“. Die ganze Art, wie diese Restauration erfolgte, kann wohl eher mit den Worten respektvoll und liebevoll beschrieben werden und lässt die Bemühungen der beiden Priester, die sich später selbst auch in dem von ihnen angelegten Mumienversteck bestatten ließen, in einem neuen Licht erscheinen.
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Die Informationen und Bilder zum CT-Scan von 2019 (sowie zu den beiden vorangegangenen Röntgenuntersuchungen) stammen aus:
Sahar N. Saleem, Zahi Hawass: »Digital Unwrapping of the Mummy of King Amenhotep I (1525–1504 BC) Using CT«. Aus: Frontiers in Medicine, 28. Dez. 2021. doi: 10.3389/fmed.2021.778498
Sehr ausführlicher guter Beitrag. Wie immer!
Danke!
Gern geschehen!
Es ist immer schwierig, die richtige Balance zu finden zwischen den zwei inneren Stimmen, von denen die eine sagt: „Schön ausführlich – in unser Whoiswho gehören ALLE Informationen hinein“ und der anderen Stimme, die meint: „Lieber kurz und knackig – lange Texte liest eh‘ keiner!“ 😉
Ein toller Beitrag! Sehr informativ und spannend zugleich.
Danke dafür ?
Vielen Dank! Sehr interessant.
Nach Untersuchungen des DAI in den 90er und frühen 2000er Jahren spricht vieles
dafür, das sich das Grab Amenhotep I. in Dra-Abu-el Naga befand.
Diese Nekropole war der Bestattungsort der thebanischen Herrscher der 16. und 17. Dynastie .
Wahrscheinlich ließen sich auch noch alle Könige(bis Thutmosis II.)in Felsgräbern in Dra-Abu-el Naga beisetzen.