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Griechisch-Römisches Familiengrab mit vielen Mumien nahe Assuan gefunden

Eine ägyptisch-italienische Mission hat im vergangenen Jahr auf der westlichen Nilseite Assuans ein Familiengrab gefunden, in dem während der griechisch-römischen Zeit ca. 30 Personen begraben wurden. Der Fund erfolgte in der Umgebung des Aga Khan Mausoleums, wo die italienischen und ägyptischen Archäologen seit 2019 graben.

Blick auf das Aga Khan Mausoleum am Westufer Assuans bei einer abendlichen Felukenfahrt. Foto: selket.de

Im Jahr 2017 hatte Antikenminister Khaled El-Enany bei Dr. Patrizia Piacentini, Professorin für Ägyptologie und Archäologie an der Universität Mailand, angefragt, ob sie die Leitung dieses neuen Grabungsprojekts am Aga Khan Mausoleum übernehmen wollte. Nach einem Erkundungs- und Vorbereitungsjahr in 2018 sagte sie zu, stellte ein Team zusammen und begann 2019, zusammen mit Abdel-Moneim Said Mahmoud, dem Antikendirektor für Assuan und Nubien, der Leiter der ägyptischen Teamseite wurde, mit ihrer ersten Grabungssaison. Inzwischen sind es bereits vier, davon zwei im vergangenen Frühjahr und Herbst.

Mitglieder des Grabungsteams im Grab AGH032. Foto: courtesy EIMAWA Mission

In den letzten drei Jahren hat das Team der „Egyptian-Italian Mission at West Aswan“ (EIMAWA) im Umkreis des Aga Khan Mausoleums mehr als 300 Gräber aus der Spätzeit und der griechisch-römischen Zeit (600 v.Chr. bis 400 n.Chr.) entdeckt, kartiert und 32 davon auch bereits ausgegraben. Das neu entdeckte Grab trägt daher die Bezeichnung AGH032, wobei das AGH natürlich für Aga Khan steht. Das Grab wurde zwar bereits in der Antike beraubt, dennoch sind etwa 20 der ursprünglich ca. 30 Mumien noch in einem intakten, teilweise sogar sehr guten Zustand.

Rechteckige Struktur mit Eingang zu Grab AGH032. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Zunächst hatten die Archäologen eine rechtwinklige Struktur im Sand entdeckt, die Spuren eines Feuers zeigte. Ob es sich hier um Kult- oder Opferfeuer oder einen Brand des Gebäudes handelt, ist noch nicht geklärt. An der Ostwand dieser Struktur lagen viele Tierknochen (hauptsächlich von Widdern), sowie Fragmente von Töpferwaren, Opfertischen und beschrifteten Platten mit Hieroglyphen darauf. Die Forscher vermuten daher, dass dies einmal ein Platz für Votivgaben war – der bislang erste in ihrem Grabungsgebiet!

Kupfernes Halsband des Nikostratos. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Ob dieser Votivplatz der Verehrung der Götter, z.B. dem widderköpfigen Gott Chnum, oder der hier Bestatteten diente, konnte uns Dr. Piacentini noch nicht sagen. Hier müssten weitere Grabungsergebnisse abgewartet werden, denn diese bisher einmalige Struktur soll in der kommenden Saison natürlich weiter erforscht werden. Die mit Hieroglyphen beschrifteten Platten, die man gefunden habe, waren aber vielleicht zur Auskleidung der Götter- oder Opfernischen in diesem Gebäude, vermutet sie.

In der Nähe dieser Ostwand fanden die Archäologen die Mumie eines Mannes und neben ihm eine kupferne Halskette mit einer Plakette daran, die in griechischen Buchstaben seinen Namen trägt: Nikostratos. Seine Mumie war vermutlich von den Grabräubern aus der Grabkammer an die Oberfläche gebracht worden.

Hinter einem komplexen System von Steinplatten und -blöcken, die den Eingang verdecken und schützen sollten, fanden die Archäologen erste Treppenstufen. Beim weiteren Graben entdeckten sie, dass die Treppe seitlich von behauenen Steinblöcken flankiert wurde und überdacht war von einem runden Gewölbe aus Lehmziegeln.

Eingang zum Grab AGH032. Foto: courtesy EIMAWA Mission
Vase am Grabeingang. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Die Treppe führt hinunter in das Grab, das aus einer Halle besteht, von der vier Grabkammern abgehen, die tief in den Fels geschlagen sind. Direkt vor dem Eingang zum Grab lagen Scherben einer großen Opfervase, die einmal Zweige mit Blüten oder Früchten der Sykomore enthielt.

Kartonage einer Kindermumie. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Am Eingang der Halle des Grabes stand ein Sarkophag aus Terrakotta (siehe Titelbild), in der die Mumie eines Kindes mit einer wunderschönen Kartonage (Foto rechts) lag. In den vier Grabkammern entdeckten die Forscher etwa 20 komplette Mumien, von denen einige noch in einem exzellenten Erhaltungszustand sind. Zusätzlich fanden sie die Überreste weiterer Mumien und auch einzelne Knochen, aufgrund derer sie die Anzahl der hier Bestatteten auf etwa 30 Personen schätzen, teilte uns Dr. Piacentini mit.

Bei einigen Mumien sind die Kartonage und die Binden von den Grabräubern mit vermutlich Messern aufgeschnitten worden, von denen eines auch im Grab gefunden wurde. Es wurden aber nicht alle Mumien beraubt, so zeigten Scans einer anderen Kindermumie, dass sie unter ihren Binden eine Plakette quer über der Brust trägt.

Messer der Grabräuber, AGH032. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Die ägyptisch-italienische Mission hat erst kürzlich an diesen 30 Individuen sowie weiteren 45, die aus einem bereits 2019 entdeckten Grab (AGH026) stammen, anthropologische und radiologische Untersuchungen durchgeführt, um Alter, Geschlecht und mögliche Krankheiten zu identifizieren. In einer Pressemeldung der Mailänder Universität heißt es zu den Ergebnissen, dass in Grab AGH026 Männer, Frauen und Kinder allen Alters bestattet wurden – sogar ein Neugeborenes. Etwa 30% der Bestatteten waren Kinder unter 10 Jahren. Viele der anderen Personen waren Frauen. Ob evtl. alle Personen zu einer Großfamilie gehörten, oder ob in diesem Grab einach nur mehrere Familien aus der gleichen Gegend bestattet wurden, sollen DNA-Analysen klären, die demnächst durchgeführt würden, erklärte uns Dr. Piacentini auf Nachfrage. Aber man habe bereits in einem Fall eine Inschrift gefunden, in der Vater und Mutter einer Person genannt werden, die auch in diesem Grab lagen. Und in mehreren Fällen lagen Mann, Frau und Kinder so dicht beieinander oder sogar übereinander, dass man stark davon ausgehen müsse, dass es sich hier um Familien handelt.

Missionsleitung vor Mumien aus Grab AGH032. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Bei der Analyse der Scans zeigte sich an den Knochen, dass einige von ihnen an Infektionen oder Stoffwechselstörungen litten. Der Oberschenkelknochen einer Mumie weist klare Zeichen einer Amputation auf, die diese Person überlebt haben muss, da deutlich eine Knochenheilung zu erkennen ist. An anderen Körpern wurden Anzeichen von Arthrose entdeckt, was auf ein hohes Sterbealter hindeutet.

Die bisherigen Untersuchungen des gesamten Grabungsgebietes haben zur Entdeckung mehrerer gut erhaltener Sarkophage aus Stein oder Ton geführt. Sie alle stammen entweder aus der Spätzeit oder der griechisch-römischen Epoche; einige davon haben noch sehr hübsche farbige Bemalungen. Zwei besonders schöne Kindersärge sowie drei von Erwachsenen wurden in ein gesichertes Lager in Assuan gebracht.

Bemalter Kopf des Deckels eines Steinsarkophags. Foto: courtesy EIMAWA Mission

Bei bisher bekannten 300 Gräbern, von denen erst 32 ausgegraben seien, verbleibe noch viel Arbeit, verriet uns Frau Piacentini mit einem Augenzwinkern. Wir können uns also auf weitere spannende Entdeckungen freuen!

Herzlichen Dank an Prof. Dr. Piacentini für die geduldige Beantwortung unserer vielen Fragen! 🙂

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