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So spektakulär war „The Pharaohs‘ Golden Parade“

22 Mumien sind vom Ägyptischen Museum in Kairo zum National Museum of Egyptian Civilization überführt worden – ganz standesgemäß in einer großen Parade, die einiges an Augen- und Ohrenschmaus zu bieten hatte.

Über die Mumienparade

Unter den Mumien, die in eigens angefertigten „Sarkophag-Vehikeln“ und begleitet von diversen Show-Elementen in ihr neues Zuhause gefahren wurden, waren die Herrscher der 17., 18., 19. und 20. Dynastie. 18 Mumien von Königen und vier Mumien von Königinnen: Seqenenre, Königin Ahmose-Nefertari, Amenhotep I, Königin Meritamun, Thutmosis I, Thutmosis II, Königin Hatschepsut, Thutmosis III. Amenhotep II., Thutmosis IV., Amenhotep III., Teje, Sethos I., Ramses II., Merenptah, Sethos II., Siptah, Ramses III., Ramses IV., Ramses V., Ramses VI., Ramses IX.

Damit die Mumien bei dem Transport keinen Schaden nehmen, wurden die Kisten mit Stickstoff gefüllt und die Fahrzeuge mit speziellen Stoßdämpfern ausgestattet. Sogar die Straßen auf der Route sollen neu asphaltiert worden sein, damit auch ja keine Erschütterung den Mumien schaden kann.

Der neue Tahrir-Platz mit Obelisk und Sphingen. Screenshot Youtube Video von Egypt Independent

Die ägyptische Regierung hat vor dem Event für die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen gesorgt und ganze Straßenzüge für Autos und Publikum abgesperrt, damit die Parade „ruhigen Schrittes“ (dazu später mehr) an ihrem neuen Ziel gelangen kann.

Wir hatten ja bis zuletzt die leise Hoffnung, dass sich auch ein deutscher Sender, oder zumindest CNN erbarmt, die Parade live im Fernsehen zu zeigen, doch leider war dem nicht so (immerhin wurden kurze Ausschnitte in den Nachrichten gezeigt). Entsprechend groß war die Befürchtung , dass die beiden offiziell angekündigten Live-Streams von Experience Egypt und dem Antikenministerium aufgrund der vielen Zuschauer aus aller Welt zusammenbricht und besonders als die eigentliche Parade begann, ruckelte die Übertragung aufgrund der vielen Zugriffszahlen aus aller Welt merklich aber wenigstens waren keine großen Aussetzer dabei.

Warten auf die Mumienparade (und die englische Übersetzung)

Das Abenteuer Mumienparade ließ erst einmal etwas länger auf sich warten. Obwohl die offizielle Seite des Antikenministeriums 17 Uhr angekündigt hatte, ging die Übertragung erst um 18.30 Uhr los. Und es folgte die erste Irritation, wie man die arabische Übertragung auf allen Kanälen auf Englisch umschaltet. Laut Erklärung auf den offiziellen Youtube-Kanälen des Antikenministeriums und von Experience Egypt soll man auf Channel 3 für die englische Sprache umschalten. ‚Häh, wie soll das denn gehen?‘ Ratlosigkeit. Dutzende Kommentare von Youtubern mit denselben vielen Fragezeichen und einige Google-Suchen später, stellte sich dann heraus, dass die Anweisung wohl nur für das ägyptische Fernsehen galt. Das hätte man ja auch mal dazuschreiben können – oder wenigstens dass es später auf englisch weitergeht. Zumindest für die Zuschauer des Experience Egypt Kanals, die Besucher des Antikenministeriums durften alles weiterhin auf Arabisch schauen….

Zumindest konnten erst einmal alle den Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi dabei beobachten, wie er vom Antiken- und Tourismusminister Khaled El-Enany durch das neue National Museum of Civilization (NMEC) (nicht zu verwechseln mit dem noch nicht fertig gestellten Grand Egyptian Museum an den Pyramiden) geführt wird. Aber auch ohne Übersetzung war der Rundgang durchs top-moderne NMEC beeindruckend – kein Vergleich zu den staubigen Hallen des alten Museums, auch wenn es sicherlich seinen Charme hat. Nur ist er für die nicht-arabisch sprechenden mit über 30 Minuten vielleicht doch ein bisschen zu lang geraten. Schade, dass man hier noch keinen Übersetzer hatte.

Vorführsaal, in dem Präsident Abdel Fattah el-Sisi zusammen mit geladenen Gästen den ersten Teil der Mumien-Parade verfolgte.
Screenshot: Youtube

Ägypten feiert sich selbst

Nun ging es endlich auf englisch weiter und es beginnt der offizielle Teil. Wir sehen den Präsidenten mit anderen Gästen in einem großen Saal sitzen (und alle tragen Maske, sehr löblich). Auf einer Leinwand werden mehrere Projekte des Antikenministeriums der letzten Jahre vorgestellt. Man darf sich an diesem Abend auch gerne ein bisschen selbst feiern.
Nach den großen Auftritt des Antikenministers, der u.a. el-Sisi für seine großzügige Unterstützung dankte und ein paar Hintergrundinfos zur Parade zum Besten gab, sollte es laut Moderatorin jetzt endlich losgehen! Doch vorher sehen wir noch den populären Sänger Mohamed Mounir auf einer Barke ein zum Ereignis passendes Lied singen – sogar mit Untertitel. Währenddessen sieht man Einspieler aus den Inneren der Fahrzeuge, in denen die Sarkophage und die darin liegenden Könige auf ihre große Fahrt warten. Ein große Barkenprozession vor dem NMEC ist schon mal der erste „Wow-Moment“ an diesem Abend. Ein klassisches Orchester untermalt Einspieler über die Errungenschaften der alten Ägypter. Jetzt lohnt sich das Umswitchen auf den Ministeriumskanal, wo die Einspieler ohne Übersetzung und mit der Musik des hervorragenden Orchesters untermalt wird. Wo am Anfang die Übersetzung gefehlt hat, ist sie hier aufgrund der eingeblendeten englischen Übersetzung total überflüssig. Das hübsche ägyptische Kleid der Moderatorin vor dem Hatschepsut-Tempel lässt Frauenherzen (zumindest meins) höher schlagen. Auch andere Moderatoren und Sänger dieses Abends haben sich mehr oder weniger kreativ mit altägyptischen Elementen in Schale geworfen. Sehr stimmig. Da macht es auch nichts, dass einige eingespielte Szenen diesen Abends vorher aufgezeichnet wurden, worauf man überraschenderweise mehrfach via Einblendung hinwies.

Es beschleicht einem so langsam das Gefühl, dass die eigentliche Parade nicht vor 21 Uhr beginnen wird aber dann geht es überraschenderweise doch endlich los.

Let the show begin

Lichtträger. Foto: Tourismus- und Antikenministerium Ägypten

Um 19.45 Uhr beginnt der eigentliche „Showact“. Kostümierte Darsteller gehen würdevoll durch das alte Museum Richtung Ausgang, Kindern laufen zu dem frisch herausgeputzten Tahrirplatz, auf dem man jetzt zum ersten Mal den Obelisken und die vier Sphingen aus Luxor sehen kann, die erst am Donnerstag enthüllt wurden. Es gab ja einige Kritik, warum man Monumente aus Luxor zum luftverschmutzten Tahrir-Platz bringen muss, aber in dem Moment musste man doch zugeben, dass der Platz mit seiner beeindruckenden Licht-Installation an diesem Abend doch sehr hübsch anzusehen war. Als ob alles nur für die Mumien-Parade von Luxor nach Kairo gebracht wurde.

Kostümierte Darsteller, die eine große Schale mit einer Lichtkugel vor sich hertragen, stolzieren aus dem alten Museum. Dutzende von Trommler in Militäruniformen führen die Prozession an, hinter den Lichtträgern folgt ein Streitwagen und noch mehr kostümierte Darsteller. Nach dem langen Trommelintro beginnt das Orchester im Hintergrund dramatische Musik zu spielen. Noch mehr Streitwagen und noch mehr Lichtträger. Jetzt beginnt die eigentliche Parade mit den 22 Pharaonen und Königinnen. Die Fahrzeuge mit den Sarkophagen setzen sich in Bewegung, sortiert nach Regierungszeiten und angeführt von Pharao Seqenenre aus der 17. Dynastie, während Lichtträgerinnen, Streitwagen, Uniformierte und Trommler neben überdimensionalen Federn der Maat Spalier stehen und den Pharaonen und Königinnen das letzte Geleit aus ihrem alten Zuhause geben.

Foto: Tourismus- und Antikenministerium Ägypten

Die Kamera zeigt immer wieder Einblicke innerhalb der Vehikel und man sieht die Sarkophage der Herrscher und das Innere der Kisten, in denen die Namen der Pharaonen in goldenen Kartuschen auf arabisch stehen. Gänsehaut pur, gemischt mit Ehrfurcht und auch ein bisschen Wehmut, dass die Könige jetzt jenen Ort verlassen müssen, in dem sie über 100 Jahre untergebracht waren. Spätestens jetzt wünscht man sich, man wäre live bei dem Spektakel dabei gewesen – auch wenn man dann wahrscheinlich nur die Hälfte mitbekommen hätte.

Im Eiltempo ins neue Zuhause

Die Parade verlässt das Gelände durch ein extra für die Mumienparade aufgestelltes, riesiges illuminiertes Tor. Am Tahrir-Platz begrüßen Ägypterinnen in altägyptischer Gewandung und mit Isis-Wings die Parade, die sich kreisförmig um den neuen Obeliskenplatz gereiht haben. Hinter dem letzten Sarkophag schließen sich die Reihen der Lichtträger und sie erheben zum letzten Abschied ihre Lichtkegel erneut in die Höhe.

Die Kamera zeigt wieder das Orchester. Sängerinnen intonieren tragende Lieder, die vielleicht den Abschied aus ihrer alten Heimat oder die Musik eines Trauerzugs symbolisieren sollen.

Der illuminierte Obelisk am Tahrirplatz.
Screenshot Youtube

Spätestens jetzt wird jedem klar, dass man keine klassische Parade, in denen die Fahrzeuge im Schrittempo an jubelnde Zuschauer vorüberziehen, zu sehen bekommt (was zur Zeit ja leider eh nicht möglich gewesen wäre). Die Könige bzw. ihre Fahrer fahren in einem recht ordentlichen Tempo auf ihr neues Ziel zu und man sieht nur noch wenige Einspieler von den Vehikeln, was uns zu dem Witz hinreißen lässt, dass man sich aufgrund des Tempos und der fehlenden Bremslichter nicht getraut hat, die Parade weiterhin live zu zeigen 😉 Die Strecke ist mit einem normalen Auto in ungefähr 15 Minuten zurückgelegt, viel länger hat die Kolonne auch nicht gebraucht… Statt Bilder von der Parade dürfen wir uns an hübschen Tanzszenen vor historischer Kulisse wie dem Hatschepsut-Tempel oder den Pyramiden und noch mehr dramatischer Musik, erfreuen.

Die Parade erreicht des NMEC.
Screenshot Youtube

Das Finale

Am NMEC angekommen, fährt die Kolonne erneut durch ein großes illuminiertes Tor und über eine kleine Rampe, die nach dem Motto ‚Die Vehikel sind ja stoßsicher – inschallah‘, erneut in einem ordentlichen Tempo überwunden wird. Die Live-Musik des Orchesters wird wieder fröhlicher und schneller. Es stehen wieder Lichtträger, Streitwagenfahrer und Reiter Spalier. Die Parade wird mit 22 Salutschüssen, für jeden Pharao und jede Königin einen, begrüßt. Und auch Präsident Al-Sisi ist aus dem Vorfühlsaal nach draußen gegangen, um die König*innen in ihrem neuen zu Hause zu begrüßen. Zuvor hatte er bereits getwittert: „Mit großem Stolz freue ich mich darauf, die Könige und Königinnen Ägyptens nach ihrer Reise willkommen zu heißen“.

Al-Sisi begrüßt die Parade am NMEC.
Screenshot Youtube


Das Orchester spielt zum bombastischen Finale auf – und dann ist es auch schon zu Ende. Etwas abrupt, man hätte gerne noch viel mehr gesehen, denn es war ein beeindruckender Abend, bei dem man gespürt hat, dass man bei etwas Geschichtsträchtigem dabei gewesen ist. Es gab so einige Gänsehautmomente, vor allem als sich die Parade, angeführt von den kostümierten Begleitern, in Bewegung gesetzt hat. Wie ein Begräbniszug aus dem alten Ägypten im 21. Jahrhundert. Den Pharaonen des alten Ägypten hätte das sicherlich gefallen.

Briefmarkenset anlässlich der Mumienparade.
Bild: Tourismus- und Antikenministerum Ägypten

Auch Ägypten ist zurecht stolz auf diese große Parade, wie man in den zahlreichen Kommentaren lesen konnte. Anlässlich dieses Jahrhundertereignisses wurden sogar Briefmarken herausgebracht.
Letztendlich war die ganze Parade natürlich auch eine große (und wahrscheinlich auch teure) Marketing-Veranstaltung für das Reiseland Ägypten, das nicht besser hätte inszeniert werden können. Und natürlich auch gute Werbung für das NMEC, das bisher immer im Schatten vom alten Museum und natürlich insbesondere vom neuen Grand Egyptian Museum an den Pyramiden stand, auf dessen Eröffnung wir schon so lange sehnsüchtig warten. Nicht mehr warten brauchen wir auf die Eröffnung des NMEC, das am heutigen Sonntag offiziell eröffnet wird. Die Mumien sollen dort erst aber ab dem 18. April zu sehen sein. Für sie geht es erst einmal für Restaurationsarbeiten ins Labor. Der Eintritt in das Museum kostet 200 LE (ungefähr 10,80€).

Das Video könnt ihr euch bei Experience Egypt anschauen. Es lohnt sich auch das Video noch mal anzuschauen, denn man entdeckt immer wieder etwas Neues. Ab der ca. 37. Minute, wenn es zum offiziellen Teil übergeht, springt der Ton in die englische Übersetzung um. Die eigentliche Parade beginnt ungefähr bei 1h28 Minuten.

5 Gedanken zu „So spektakulär war „The Pharaohs‘ Golden Parade““

  1. Während eine deutsche Idealistin Entwicklungshilfe betreibt und Geld für die Ärmsten in Luxor sammelt, um sie „zu Ramadan nicht hungern zu lassen“, scheint Geld ein paar hundert Kilometer nördlicher keine Rolle zu spielen.
    Der an Gigantismus grenzenden Glanz & Gloria-Darbietung wird zwar „Ehrerbietung an die grossen Herrscherinnen und Pharaonen“ nachgesagt, erinnerte aber eher an eine kitschige und chauvinistische Hollywoodinszenierung. Modeschau der Präsentatorinnen inbegriffen.
    Das einzige, was mich bei dieser Selbstinszenierung eigentlich noch an Pharaonen denken liess, war die versteinerte, starre Hockstellung des guten Al-Sisis!
    Ob, wie die Berichterstatterin kommentiert, den Pharaonen des alten Ägyptens diese Pompschau gefallen haben dürfte, vermag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls hat sie scheinbar vielen ägyptischen Selbstdarsteller*innen imponiert.
    Mich als Bewunderer der altägyptischen Kultur mit unzähligen Ägyptenaufenthalten hat sie eher abgestossen. Der beschriebene Gänsehaut-Effekt war allerdings auch bei mir feststellbar, ausgelöst durch Fremdschämgefühle…

    Andreas Merz

  2. Treffender und niveauvoller als Herr Merz kann man es nicht formulieren! Da haben Dschehuti und Ma‘at ihre Schreibbinse wahrlich gesegnet!

  3. Sehr geehrter Herr Merz,
    der von ihnen erstellen Betrachtung möchte ich mich voll umfänglich anschließen. In den von mir herausgegebenen „Ägyptischen Nachrichten“ habe ich mich nur auf das Wendliche beschränkt. In den Fachkreisen ist das Zeigen von menschlichen Körpern in jedweder Form eh umstritten. Ich hoffe das die Pharaonen nun Ruhe finden und nicht noch im hohen Alter wegen Sondereintrittsgeld arbeiten müßen.

    Dieter Hein, Leiter der HAGIB

  4. Sehr viel Kitsch war zu sehen, mich hat das eher abgestoßen. Das Geld hätte man anderweitig viel besser verwenden können.

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