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Ärger um Bericht über den „Friedhof der eine Million Mumien“

Die Nachricht, die in den letzten Tagen über die englischen Medien verbreitet wurde, glich einer kleinen Sensation. Archäologen der Brigham Young Universität berichteten über eine Nekropole im Faijum mit (schätzungsweise) mehr als einer Million Bestattungen, hauptsächlich aus der römischen Epoche Ägyptens. Diese Meldung sei schlichtweg falsch, so Dr. Youssef Khalifa Leiter des Ancient Egypt Department in der LuxorTimes und entzog den Archäologen prompt ihre Ausgrabungslizenz.

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Was ist eine „Mumie“?

Laut Dr. Khalifa wurde in der Nekropole von Fag El Gamous (was „der Weg des Wasserbüffels“ heißt) bisher nur eine einzige intakte Mumie gefunden und die liegt seit dem Jahr 1980 im Ägyptischen Museum von Kairo. Für ihn wäre eine Mumie ein kompletter mumifizierter Körper, doch hat das Team der Brigham Young Universität seit Beginn ihrer Ausgrabungen nur Skelette und tausende von Knochen gefunden. Außerdem hätten sich die Ausgräber nicht an die Regeln für Pressemitteilungen des Antikenministeriums gehalten und so hätte man sich dazu entschlossen, ihre Arbeit nach 28 Jahren Feldarbeit in Fag El Gamous zu stoppen.

Inkorrekte Informationen in den Medien

Im Gespräch mit der LuxorTimes beteuerte der Leiter der Ausgrabungen, Dr. Kerry Muhlestein, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Auf unserer gestrigen Anfrage erhielten wir das Standardschreiben (das auch in der LuxorTimes erwähnt wird und das ich nachfolgend in eigenen Worten zusammenfasse), in der Dr. Muhlestein darauf hinweist, dass einige Aussagen in den Medien inkorrekte Informationen enthalten würden.

Die Bestattungen seien nicht in Gräbern sondern in einem großen Sandfeld erfolgt. Die Bestatteten repräsentieren den gewöhnlichen Mann, von dem in der Regel wenig Zeugnisse existieren. Die Menschen hier waren arm, aber sie legten gewaltige Anstrengungen zu Tage mit den wenigen Mitteln, die sie zur Verfügung hatten, schöne Bestattungen zu ermöglichen.

Eine Million Mumien sind eine reine Schätzung

Der Friedhof ist dicht besiedelt. In einem Quadrat von 5x5m, das gewöhnlicherweise nur 2m tief ist, fanden die Archäologen mehr als 40 Bestattungen. Der Friedhof ist sehr groß und die Archäologen vermuten überall die gleiche Dichte an Bestattungen. Also nach Adam Riese könnten über eine Millionen Mumien in dieser Nekropole liegen. Aber sie könnten ohne weitere Forschungen und wissenschaftliche Prüfungen nicht sicher sein, wie Dr. Muhlestein ergänzt.

Bestattungen nach Haarfarbe

Es gibt noch ein paar interessante Details über die Nekropole, die neben den Überresten einer kleinen Pyramide liegt. Wie u.a. die DailyMail berichtet, wurden einige Menschen nach ihrer Haarfarbe bestattet. In einem Gebiet lagen Menschen mit blonden und in einem anderen mit roten Haaren. Ein Mann hatte eine auch heute noch unglaubliche Größe von 2,13m. Für die Ägypter, die im Schnitt 1,60m – 1,70m groß waren, muss der Mann ein Riese gewesen sein.

Woher kamen die vielen Menschen?

Woher die vielen Mumien kommen – bisher konnten 1700 Tote identifiziert werden – ist für die Forscher ein Rätsel. Die Überreste eines naheligenden Dorfes sind zu klein, um einen so großen Friedhof zu begründen. Und die nächstgrößere Stadt, Philadelphia, benannt nach Pharao Ptolemaios II. Philadelphos, hat ihre eigene Nekropole.

Durch heißen Wüstensand mumifiziert

Die Toten sind in der Regel durch den heißen Wüstensand mumifiziert worden. Nur bei wenigen, wie bei einem der letzten Funde, der Mumie eines ungefähr 18 Monate alten Mädchens, gab es zumindest Bemühungen, den Körper zu mumifizieren und so für die Ewigkeit zu erhalten.

Ein Missverständnis?

In der Mitteilung ist noch zu lesen, dass es sich hierbei um vorläufige Ergebnisse handelt und sie weitere Studien über die vergangenen Ausgrabungen anfertigen und auch weiter in Ägypten ausgraben werden. Dies scheint nun erst einmal nicht mehr möglich zu sein. Der Hinweis der LuxorTimes, dass es sich vielleicht nur um ein Missverständnis handeln könnte, ließ Dr. Khalifa nicht gelten.

Für das Team der Universität wäre dies nach 28 Jahren Ausgrabungsarbeit an der Stätte mehr als bitter. In einigen englischen Presseberichten fehlt tatsächlich der Hinweis, dass es sich bei der Summe von einer Million Mumien um eine reine Schätzung handelt. Im Artikel der DailyMail, auf dem sich die LuxorTimes bezieht, wird aber klar darauf hingewiesen, dass es sich bei der Anzahl um eine Vermutung handelt – vielleicht wurde dieser Hinweis aber auch erst nachträglich hinzugefügt.

Warum sich aber Dr. Khalifa über den Begriff „Mumie“ moniert und beanstandet, dass sich die Archäologen nicht an die Regeln für Pressemitteilungen des Antikenministeriums gehalten hat, wird mir nicht ganz klar. Der Begriff „Mumie“ ist mittlerweile ziemlich breit gefächert und selbst in den ägyptischen Medien wird oft über „Mumien“ gesprochen, auch wenn es sich bei näherer Betrachtung eher um menschliche Überreste oder Skelette denn richtige Mumien handelt. Die Ergebnisse der bisherigen Ausgrabungen scheinen auch nicht in einer offiziellen Pressemitteilung weitergegeben worden zu sein, sondern Professor Muhlestein präsentierte sie auf einem Colloqium der „Society for the Study of Egyptian Antiquities“. In der Livescience ist von einem „Schriftstück“ die Rede, das Dr. Muhlestein vor dem Colloquium präsentierte.

Also unterm Strich ein ganz normaler Bericht, wie man ihn so oder so ähnlich schon etliche Male gelesen hat. Für mich sieht das alles wie ein Missverständnis aus. Vielleicht falsch wiedergegeben von der Presse, vielleicht unglücklich ausgedrückt von Dr Muhlestein. Als Außenstehender kann man nur hoffen, dass sich das Team der Brigham Young Universität und das Antikenministerium noch mal zusammensetzt und dieses Missverständnis aus der Welt schaffen wird.

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