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Eindrucksvoller Tempel-Pylon in Athribis freigelegt

In der 7 km südwestlich von Sohag gelegenen archäologischen Stätte Athribis hat das dort grabende deutsch-ägyptische Team Überreste der Tempeleingangsmauer (Pylon) eines Tempels aus ptolemäischer Zeit ausgegraben. Dieser zweite Tempel liegt westlich des bereits freigelegten Repit-Tempels von Ptolemaios XII., den das Team in mehreren Jahren bis 2019 ausgegraben und wissenschaftlich untersucht hat. Dieser zweite Tempel war zwar bekannt, aber bislang noch völlig von Sand verdeckt.

Mit 51 m Breite hat der nun freigelegte Pylon — so nennt man die hohen, meist mit riesigen Reliefs verzierten Eingangsmauern eines Tempels — eine stattliche Größe. Die beiden Mauertürme, die sich rechts und links des zentralen Eingangs befinden, sind jeweils 24 m lang. Aus der Neigung ihrer Mauern errechnen die Forschenden eine vermutliche Höhe des Pylons von 18 Metern. Der Pylon hätte damit etwa die Ausmaße der Fassade des bekannten Luxor-Tempels.

Pylon des Tempels von Luxor

Leider sind von den einst 18 m heute an der höchsten Stelle nur noch 5 m übrig, schrieb uns Prof. Christian Leitz, Leiter des Athribis Projekts an der Uni Tübingen. Steindiebe hatten die Tempelmauern abgetragen. Aus dem Fund einer Münze schließen die Archäolog:innen, das dies um das Jahr 752 herum geschehen sein könnte. Auf den Überresten der Fassade finden sich Texte und Reliefs mit der Darstellung eines Königs, der der löwenköpfigen Göttin Repit und ihrem Sohn Kolanthes Opfergaben bringt. Repit, ihr Gatte Min-Re und Kolanthes waren die Hauptgottheiten in Athribis. Weitere Inschriften und Namenskartuschen weisen auf die Zeit des Königs Ptolemaios VIII. (180-116 v.Chr.), der vielleicht auch der Erbauer dieses Tempels war. Eine Kartusche enthält vermutlich auch den Namen seiner zweiten Gattin Kleopatra III.

Eingang zur entdeckten Kammer im Nordturm. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt
Ein Dekan mit Falkenkopf. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt

Das Antikenministerium meldete vor wenigen Tagen, dass man im Nordturm völlig überraschend eine 3×6 m lange Kammer entdeckt habe, in der einst Tempelutensilien verwahrt wurden. Später wurden hier anscheinend Amphoren und Tonwaren gelagert. Der Presseerklärung der Universität Tübingen, deren Team die deutsche Seite der Grabungsmission stellt, kann man zusätzlich entnehmen, dass in dem Korridor, der zu dieser Kammer führt, die Wände mit spektakulären Szenen geschmückt sind: Neben Repit und Min findet man hier auch die äußerst seltene Darstellung sogenannter Dekane — das waren Sterne, welche die Messung der Nachstunden ermöglichten. Zwei solcher Dekane sind dort dargestellt: einer mit einem Ibis- und der andere mit einem Falkenkopf. Wie uns Prof. Leitz mitteilte, findet sich die Darstellung der Dekane in einem kleinen Raum direkt rechts hinter der Tür, die auf dem obigen Bild zu sehen ist, und die zu der gefundenen Kammer führt.

Eine weitere spektakuläre Erkenntnis ist der Fund eines Treppenaufgangs, der sich ebenfalls im Nordturm des Pylons finden lässt. Durch dieses Treppenhaus, das man durch eine weitere Tür in der Tempelfassade betrat, konnte man über vier Treppenläufe einst auf eine höhere Ebene gelangen. Solche Treppenhäuser und „Obergeschosse“ waren in den späten Tempelbauten der alten Ägypter nichts Ungewöhnliches, teilte uns Dr. Marcus Müller, Leiter der archäologischen Arbeiten vor Ort, in einer eMail mit. Im Tempel von Edfu, der ja auch aus der späten, ptolemäischen Zeit stammt, finden sich in beiden Pylontürmen sogar acht übereinanderliegende Ebenen, die durch Treppen verbunden sind. Hinzu kommt dort sogar noch ein „Kellergeschoss“, also eine unterirdische Kammer. Der Pylon des Edfu Tempels ist mit 35 m allerdings auch doppelt so hoch, wie der nun in Athribis ausgegrabene Pylon. Aber auch hier wären eben mehrere übereinander liegende Kammern denkbar. Der gefundene Treppenaufgang zeigt, dass es hier zumindest eine höhere Ebene gegeben haben muss. Wegen des Raubbaus, bei dem der Großteil der Steinblöcke des Pylons gestohlen und anderswo wiederverwendet wurde, ist hier aber leider nicht einmal das erste Obergeschoss erhalten geblieben.

Blick auf die Reste des Nordturms. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt

Auf obigem Bild sieht man, dass es sogar zwei Kammern im Nordturm gab. Die nördliche Kammer (links) ist noch komplett erhalten, die südlichere Kammer rechts davor hat keine Decke mehr. Beide Kammern waren durch die weiter oben zu sehende Tür miteinander verbunden. Ebenfalls in diesem Nordturm wurde nun auch der Treppenaufgang gefunden. In dieses Treppenhaus gelangte man durch eine zweite Tür in der Fassade. Diese zweite Tür in der Tempelfassade ist nach Meinung der Forschenden einzigartig in der altägyptischen Tempelarchitektur, denn es gibt sie sonst nirgendwo, teilte uns Dr. Müller mit.

In den kommenden Grabungsperioden soll auch der Rest dieses zweiten Tempels im Athribisareal ausgegraben werden. Besonders interessant ist hierbei eine Vermutung der Archäolog:innen, die sie schon seit zwei Jahren verfolgen: Hinter dem Pylon könnte noch ein Heiligtum im Felsen liegen. „Fein geglättete Kalksteinblöcke an einer senkrecht abgeschlagenen Felsfassade könnten zu einem Felsheiligtum gehören“, schreibt Christian Leitz in der Presseerklärung der Uni Tübingen. Außerdem habe man Teile eines Kobrafrieses gefunden, der häufig als oberer Abschluss einer Tempelfassade verwendet wurde.

Der Südturm des Pylons und der dahinter liegende Berg, in dem ein Heiligtum vermutet wird. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt

Dieses Felsheiligtum wird in dem hinter dem Pylon liegenden Berg vermutet. Vermutlich liegt es in gerader Linie hinter der Mittelachse des Pylons, meint Grabungsleiter Marcus Müller. Wenn man genau hinguckt, sieht man in diesem Berg dunkle Löcher — Eingänge zu Felsengräbern. Die Fassade des Felsheiligtums würde aber deutlich unterhalb dieser Gräber liegen, also wohl auf der gleichen Höhe, wie der Pylon im Vordergund. Dafür müssen aber noch Tonnen von Sand und Schutt bewegt werden, um diesen Bereich freizulegen.

Das deutsche Team der Universität Tübingen arbeitet mit den ägyptischen Kollegen des Obersten Rates für Altertümer bereits seit drei Dekaden in Athribis und hat nicht nur den großen Repit-Tempel des Ptolemaios‘ XII. freigelegt, sondern im Laufe der Jahre auch über 30.000 Ostraka dort gefunden (wir berichteten).

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