Vor fast drei Wochen veröffentlichte Nicholas Reeves seine spannende Theorie von einem gemeinsamen Grab von Tutanchamun und Nofretete (wir berichteten). Während sich die Medien gierig auf die spektakuläre Geschichte stürzen, ist das Echo unter den Ägyptologen zweigeteilt. Einige, wie Dietrich Wildung, ehemaliger Direktor des ägyptischen Museums in Berlin, und seine Ehefrau Sylvia Schoske, Leiterin des Museums ägyptischer Kunst in München, finden Reeves Theorie durchaus plausibel, andere wiederum üben sich in Zurückhaltung.
Einer von ihnen ist der Ägyptologe Joachim Willeitner, der seine Gegenargumente in der Online-Ausgabe der Spektrum der Wissenschaft aufführt. Oder Zahi Hawass, der das alles als Spekulation abtut und Reeves Geltungssucht vorwirft. Wir haben die Gegenargumente für euch zusammengefasst:
Das Problem mit dem Schimmel
Laut Reeves wurde die Nordwand der Grabkammer schon zu Zeiten Nofretetes bemalt. U.a. stützt er seine These damit, dass die Figuren auf der Nordwand in dem für die Amarna-Zeit typischen 20er Raster bemalt wurden, auf den anderen Wänden in dem in der Post-Amarna-Zeit verwendeten 18er Kanon. Außerdem konnte durch eine Analyse des Paul-Getty-Instituts zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Mauer ursprünglich weiß verputzt war und erst später mit der gelben Farbe bemalt wurde, in der auch die anderen Wände der Grabkammer gestrichen wurden. Einige der Figuren der Nordwand sollen auch eindeutige Merkmale von Darstellungen der Nofretete zeigen.
Willeitner gibt hier das Problem der abgestorbenen antiken Schimmelsporen an, die die gesamten Grabmalereien bedecken. Sie entstanden, als das Grab verschlossen wurde, die Farben aber noch nicht getrocknet waren. Die Malereien müssen also mehr oder weniger gleichzeitig entstanden sein, wie Willeitner schreibt.
Das Problem der Grabstruktur
Laut Reeves soll das Grab in der Zeit angelegt worden sein, als Nofretete die Große königliche Gemahlin von Echnaton war. Dies soll die außergewöhnliche Struktur mit Rechtsknick des Grabes erklären, die Reeves mit der ähnlichen Struktur des Grabes WAD 2 der Königin Hatschepsut vergleicht. Doch die Theorie passt laut Willeitner nicht zu dem Grab der Tiaa, einer Nebengemahlin Amenophis‘ II. und Mutter Thutmosis‘ IV. Das nach Hatschepsut entstandene Grab KV32 weist diesen Achsknick nicht mehr auf. Wenn es also ein Königinnengrab von Nofretete wäre, wäre dies ein bautechnischer Rückschritt.
Ein weiteres Problem dieser Rechtsachse ist eine für die Amarna-Zeit typische Baumethode, die Gräber einfach geradeaus in den Felsen zu schlagen, damit Atons Strahlen bis tief in das Innere scheinen konnten. Eine Technik, die sogar nach Echnatons Tod noch von Eje und sogar Haremhab und den Ramessiden übernommen wurde. Warum sollte also ausgerechnet Nofretete sich in einem Grab mit Knickachse bestatten lassen? Für einen Beamtengrab jedoch war dies nicht untypisch, was die bisher geläufige Theorie, das Grab wäre ursprünglich für den Wesir Eje angelegt worden, bestätigen könnte.
Das Problem der Mitregentschaft
Nachdem Nofretete als „einfache“ Königsgemahlin mit dem Bau des Grabes anfing, soll sie das Grab nach Reeves als Mitregentin erweitert haben und als Pharaonin Semenchkare baute sie es schließlich als Pharaonengrab um. Als Beweis, dass Nofretete und Semenchkare ein und dieselbe Person sind, führen viele Ägyptologen einen gleichen Namen an. Semenchkare trug den Thronnamen „Anch-cheperu-Re“. Den gleichen Beinamen, nur mit einer weiblichen -t Endung trug auch schon Nofretete: „Anchet-cheperu-Re“.
Das letzte archäologische Lebenszeichen von Nofretete wurde auf einer vor wenigen Jahren gefundene Steinscherbe in den Steinbrüchen von El-Berscheh gefunden, auf der Nofretete im Jahr 16 von Echnatons Regierung als „Große königliche Gemahlin, seine Geliebte, Herrin der Beiden Länder, Neferneferuaton Nofretete“ erwähnt wird. Sie lebte also mindest bis in das letzte/vorletzte Regierungsjahr Echnatons.
Die Theorie der Mitregentschaft und ‚Semenchkare=Nofretete‘ ist bei vielen Ägyptologen umstritten. Auf einem Wandrelief im Grab des Schatzhausvorstehers Merire II. in Amarna (Grab 2) wird Echnatons Tochter Merit-Aton als Gemahlin Semenchkares bezeichnet. Dass Nofretete eine ihrer eigenen Töchter ehelichte, ist nicht ganz leicht nachzuvollziehen.
Das Problem KV55
Willeitner und einige andere Ägyptologen bezweifeln zudem, dass die Mumie im Grab KV55 wirklich die von Echnaton ist. Die Ergebnisse der Untersuchungen von 2010 sollen zwar belegen, dass es sich bei der schwer beschädigten Mumie um den „Ketzerkönig“ handelt, doch ein wissenschaftlicher Bericht darüber ist nie veröffentlicht worden. Frühere Untersuchungen kamen zu dem Schluss, dass es sich bei der Mumie um einen jüngeren Mann handeln muss. Und da käme eigentlich nur Semenchkare infrage. Und: Warum wurde Nofretete in einem prunkvollen Grab beigesetzt, während ihr Ehemann, wenn es denn seine Mumie ist, in dem winzigen, undekorierten Grab KV55 (um-)gebettet wurde?
Wie wir auch schon im letzten Bericht geschrieben hatten, ist es zudem schwer nachvollziehbar, warum Nofretete ausgerechnet ein Grab in der Hauptstadt des verfemten Gottes Amuns angelegt hat und das zu einer Zeit als der Aton-Kult noch im vollen Gange war. Die Annäherung an die Amun-Priester müsste also sehr früh passiert sein. Oder, wie Reeves in einem Interview der Ahram Online angibt, Nofretete begann ihr Grab in den ersten Jahren nach Echnatons Thronbesteigung, als die Königsfamilie noch in Theben weilte und Echnaton noch den Namen Amenophis IV. trug. Dass es eine Annäherung an die Amun-Priester noch zu Echnatons Herrschaft gab, belegt das „Pere Graffiti“ (im Grab TT139) aus Theben. Anchcheperure (Nofretete als Semenchkare) hatte einen Totentempel bei Theben vorbereitet, also warum nicht auch ihr Grab weitergebaut?
Das Problem der Linien
Reeves sieht in den hochauflösenden Fotos von Factum Arte eindeutige Linien, die Hinweise auf verborgene Durchgänge sein könnten.
Der amerikanische Ägyptologe Aidan Dodson warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Die Linien könnten auch einfach die Spuren der altägyptischen Steinmetze sein, die mit einfachsten Werkzeugen den Fels freischlagen mussten. Vielleicht wurde mit der Erweiterung des Grabes begonnen aber nach Tutanchamuns plötzlichen Tod wurden die Arbeiten abgebrochen und die Durchgänge wieder zugeputzt. Oder es handelt sich einfach um Durchgänge zu weiteren Lagerräumen (zumindest die Linien auf der Westwand der Grabkammer sollen laut Reeves zu einem Lagerraum führen)
Das „Problem“ Zahi Hawass
Wie nicht anders zu erwarten war, hält Hawass nicht viel von Reeves Theorie. Das wären alles reine Spekulationen ohne archäologische Beweise. In der für ihn typischen Art unterstellt er Reeves, er wolle mit seiner Theorie nur Ruhm und Publicity ernten – ein Feld, in dem er sich nun wirklich auskennt 😉
In einem oben erwähnten Interview mit der Ahram Online stellte denn auch Reeves gleich mal klar, dass seine Studie nichts mit seinem persönlichen Ego oder Spekulationen zu tun hat. Und mit einem weiteren Seitenhieb in Richtung Hawass weist er darauf hin, dass seine Theorie nicht zuerst in der öffentlichen Presse, sondern in einem wissenschaftlichen Portal veröffentlicht wurde. Hawass und Reeves werden vermutlich keine Freunde mehr…
Hawass gibt als Begründung gegen Reeves‘ Theorie an, dass Nofretete gar nicht in Tutanchamuns Grab liegen kann, denn es sei bisher kein einziges Grab-in-Grab in der 18. Dynastie belegt, erst in der 19. Dynastie.
Dem widerspricht Reeves. Amenophis III. hat zwei Seitenkammern, die von seiner Grabkammer abgehen, für seine Mutter Königin Tiye und seine Frau/Tochter Sitamun vorbereitet.
Außerdem zweigt im königlichen Grab von Amarna ein zweites königliches Grab im Eingangskorridor ab. Ursprünglich sollte es parallel zu der Hauptachse, vermutlich für die Mitregentin Nofretete führen, obgleich es nie beendet und nie benutzt wurde.
Immerhin plädiert Hawass dafür, dass das Antikenministerium Reeves‘ „Spekulationen“ nachgehen sollte.
Das „Problem“ Antikenministerium
Reeves gibt in dem Interview an, er hätte bereits vor der Veröffentlichung ein Vorabexemplar an Mamdouh el-Damaty geschickt. Und damit es auch wirklich ankommt, hat er es bei dem ägyptischen Konsulat in New York, mit dem er seine Ideen auch diskutiert hatte, persönlich abgegeben. Als nächsten Schritt möchte Reeves mit Radarmessungen das Grab überprüfen, was ohne großen Aufwand und ohne das Grab zu beschädigen durchgeführt werden kann. Reeves ist sich sicher, dass es im Falle einer Entdeckung eine super Werbung für das Land und den Tourismus wäre.
Das Antikenministerium übt sich jedoch noch sehr in Zurückhaltung. Der Antikenminister Mamdouh el-Damaty hat bisher nur seine Bereitschaft signalisiert, mit Reeves in Kontakt zu treten. Zudem will das Ministerium ein Gremium aus Wissenschaftlern und Archäologen gründen, das die Richtigkeit von Reeves‘ Theorien vorab klären soll. Na, hoffentlich ist Hawass nicht Mitglied dieses Gremiums :-/
Bis Reeves also mal mit einem Radarmessgerät in Tutanchamuns Grab aufschlägt, wird also noch viieel Wasser durch den Nil fließen. Hoffen wir, dass es überhaupt passiert.
„… Ein weiteres Problem dieser Rechtsachse ist eine für die Amarna-Zeit typische Baumethode, die Gräber einfach geradeaus in den Felsen zu schlagen, damit Atons Strahlen bis tief in das Innere scheinen konnten. Eine Technik, die sogar nach Echnatons Tod noch von Eje und sogar Haremhab und den Ramessiden übernommen wurde. …“
Das Grab in Amarna ist mit Sicherheit nicht fertig gebaut worden. Niemand weiss also welche Rechts- oder Links-Achsen eventuell noch geplant waren.
Ausserdem sind die zwei erwähnten „Grab-im-Grab-Anlagen“ in der königlichen Anlage in Amarna, von denen man annimmt sie seien für Mitglieder der königlichen Familie geplant worden alles andere als gerade in der Achse. Da musste Aton auch um die ein oder andere Ecke um rein zu scheinen … Und die sogenannte „Suite der Königin“ hat den gewundenen Gang nebst Achsen-Knick.
Ähnliches gilt für Aja im Westvalley. Auch dieses Grab ist unfertig. Wie sein Grundriss geplant und am Ende ausgesehen hätte ist nicht zu sagen.
Herr Willeitner möge übrigens mal einen Blick auf den Grundriss des Grabes Ramsess II. werfen. Da hat er dann seinen „rückschrittlichen“ Knick der Grabachse …
Klar kann man über Theorien diskutieren.
Darum sind es ja Theorien und keine Beweise.
Man kann aber auch einfach nachschauen und sei es mit einer kleinen Bohrung in einer Ecke und mit Glasfaser durchschauen.
Zerstört wird dadurch nichts und Kosten dürften durch Spenden schnell gedeckt sein.
Also einfach den „Ruhm“ anderen auch gönnen.
Aber diese Schwerfälligkeit des H. Hawass kennt man ja schon aus der Cheops Pyramide als es um die Schächte ging.
Es könnte ja so einfach sein.
Ein Grund warum es von offizieller Seite schneller gehen könnte wäre die Hoffnung den Tourismus so wieder ins Rollen zu bringen, denn die Aussicht eine Sensation im Tal mit zu erleben würde sicher viele Leute in Bewegung setzen…