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Rezension: Die klugen Königinnen

Die Stellung der Frau war im alten Ägypten eine besondere. Zwar waren altägyptische Frauen nicht völlig gleichberechtigt, aber sie hatten weit mehr Freiheiten, als Frauen in anderen Teilen der Welt: Sie konnten eigenen Besitz haben, sie konnten Rechtsgeschäfte wahrnehmen, wie z.B. Verträge schließen oder einen Gerichtsprozess anstrengen, sie konnten in der Regel selbst entscheiden, wen sie heiraten wollten und sie konnten dabei sogar Eheverträge abschließen, in denen klar geregelt war, wieviel des gemeinsamen Besitzes ihnen nach einer Scheidung zustehen würde. Selbst in unserer heutigen, „modernen“ Zeit haben Frauen in manchen Teilen der Welt nicht solche Rechte. Kathlyn Cooney, Professorin für ägyptische Kunst und Architektur an der Universität Kaliforniens in Los Angeles, stellt in diesem Buch sechs Königinnen vor, die es sogar bis an die Spitze der Macht schafften. Sechs Frauen, die für eine gewisse Zeit das große Reich alleine regierten – wobei die Autorin in diese Reihe auch Nofretete stellt, bei der die Wissenschaft derzeit noch rätselt, ob diese nach dem Tod ihres Ehemannes Echnaton tatsächlich selbst den Thron bestieg. Bei den anderen fünf – Meritneith, Nefrusobek, Hatschepsut, Tausret und natürlich Kleopatra – ist die Herrschaft allerdings klar belegt.

Meritneith und Nefrusobek

Meritneith gelangte vor fast 5000 Jahren – noch bevor die Pyramiden gebaut wurden – an die Macht, als König Djet, der dritte König der 1. Dynastie, starb. Ihr gemeinsamer Sohn Den war noch ein Kind und Meritneith führte das Reich, bis er alt genug war, sie abzulösen. Es dauerte danach dann ganze 1000 Jahre, bis im Mittleren Reich, am Ende der 12. Dynastie, erneut eine Frau – Königin Nefrusobek – den Thron erklomm, nachdem ihr Brudergemahl Pharao Amenemhet IV. gestorben war, ohne einen geeigneten Nachfolger zu hinterlassen. So ergriff Nefrusobek die Initiative und beendete die Erbfolgekrise, indem sie sich selbst an die Spitze des Staates setzte. Selbstbewusst führte sie sogar die Königstitulatur zusammen mit ihrem Namen.

Hatschepsut

Es vergingen dann weitere 500 Jahre, bis wieder eine Frau die Macht ergriff: Hatschepsut. Im Gegensatz zu Nefrusobek, die zu ihrer Weiblichkeit gestanden und sogar den Königstitel in feminisierter Form geführt hatte („die von der Binse, die von der Biene“), ließ sich Hatschepsut in Statuen gerne maskulin darstellen und trug sogar die männlichen Königsattribute Pharaonenbart und Stierschwanz. Sie übernahm so voll und ganz das traditionell männliche Amt eines Pharaos von Ägypten. Trotzdem – und obwohl sie überaus lange und erfolgreich regiert hatte – wurde ihr Name von ihren männlichen Nachfolgern aus den offiziellen Königslisten gestrichen.

Nofretete und Tausret

Danach dauerte es nicht mehr so lange: In den gut 350 Jahren der 18. und 19. Dynastie standen mit Hatschepsut, Nofretete und Tausret gleich drei Königinnen an der Spitze der Macht. Wobei dies für Nofretete eben noch nicht einhundertprozentig geklärt ist. Ihr Name verschwindet plötzlich in den Aufzeichnungen, dafür taucht der Name Anchcheperure auf – mal in der weiblichen, dann wieder in der männlichen Schreibform. Und ein Anchcheperure Semenchkare, der anscheinend keine Vorgeschichte oder Abstammung hat, wird der nächste König auf dem Thron. Viele Ägyptologen sehen daher Nofretete in diesem offiziell männlichen Nachfolger Echnatons – aber nicht alle. Bei Königin Tausret, der zweiten Königsgemahlin von Sethos II., ist die Sache dagegen wieder klar. Nach dem Tod des alten Königs wird sie Regentin für dessen etwa 10-jährigen, kranken Sohn Siptah. Als auch dieser nach kurzer Regierungszeit stirbt, steigt sie zur Königin auf, mit allen dazugehörigen Königstiteln.

Kleopatra

Und dann ist da ja noch die berühmteste aller ägyptischen Königinnen: Kleopatra! Die war allerdings gar keine richtige Ägypterin, sondern gehörte zur makedonisch-griechischen Ptolemäerfamilie, die in der Spätzeit des altägyptischen Reiches etwa 300 Jahre lang den ägyptischen Thron okkupierte. Unter der insgesamt siebten Kleopatra dieser Familie erlebte das Land noch einmal eine kurze Blüte der Eigenständigkeit, bevor diese dann zusammen mit Kleopatra VII. unterging und Ägypten römische Provinz wurde.

Bewertung

Mit viel Fachwissen und einigen leisen, feministischen Untertönen beschreibt Kathlyn Cooney diese sechs Herrscherinnen: woher sie kamen, wie sie die Macht übernahmen und wie ihre Herrschaft endete. Zu jeder Einzelnen wird ein grafischer Stammbaum geliefert, der sie in ihre Familie einordnet, samt aller gesicherten und möglichen Ehepartner und Kinder. Einiges, das Cooney über diese Königinnen schreibt, sind nur Vermutungen, die archäologisch nicht zu beweisen sind, aber sie zeichnet dadurch ein lebendiges Bild dieser Frauen, das durchaus nachvollziehbar ist. Die reinen Texte zu den sechs Königinnen würden, wenn man sie abtippte, pro Person vielleicht gerade einmal zwei bis drei DIN-A4 Seiten füllen; der überwiegende Teil des Buches sind nämlich Bilder, weshalb das Buch beim größten Onlinehändler auch als „Bildband“ geführt wird.

Und dies ist auch die hervorstechendste Eigenschaft des Buches: Es beinhaltet wirklich viele, ganz hervorragende Fotos und Abbildungen. Kein Wunder – es ist von National Geographic! Auf hochqualitativem Papier gedruckt und im Hardcover-Einband ist das Buch sowohl haptisch wie optisch eine Augenweide. Das beginnt schon mit dem unglaublich schönen Portrait der Nofretete als Titelbild. Nein, nicht die berühmte Büste aus dem Berliner Museum, sondern das hervorragend fotografierte Gesicht des Quarzitkopfes aus dem Ägyptischen Museum Kairo. So schön kann Stein sein! Auf den insgesamt 96 Seiten des Buches finden sich alleine 31 ganz- oder sogar doppelseitige Bilder – jede dritte Seite ist also ein großformatiges Bild, ein Foto, ein Gemälde, eine Zeichnung oder eine Landkarte. Und auf den anderen, mal mit mehr, mal mit weniger Text beschrieben Seiten gibt es noch jede Menge weiterer, kleinerer Bilder. Etwas schade ist, dass die Bildnachweise auf der letzten Seite – als Kleingedrucktes und im Fließtext dargestellt – echtes „Augenpulver“ sind, was es schwer macht, dort die Herkunft eines der wunderschön fotografierten Artefakte herauszulesen. Aber immerhin ist es möglich…

Das Buch ist die bildgewordene Essenz der Recherchen Cooneys zum Thema der Herrscherinnen in Ägypten, zu dem sie 2018 bereits ein eigenes, 400 Seiten starkes Buch mit dem Titel »When Women ruled the World: Six Queens of Egypt« herausgebracht hatte. Darauf war dann National Geographic aufmerksam geworden, die im Jahr 2020 in ihrer deutschen Printausgabe das Special »Herrscherinnen im alten Ägypten« veröffentlichten – natürlich mit vielen Fotos. Das vorliegende Buch ist ein unveränderter Nachdruck dieses Specials, den man sich auf diese Art nun als Augenschmeichler ins Bücherregal stellen kann. Dabei sollte aber nicht unter den Tisch fallen, dass das Buch durchaus auch einige interessante Fakten über das Leben dieser Königinnen vermittelt; es kann daher nicht nur optisch sondern auch inhaltlich punkten.

Wer möglichst viel über eine dieser sechs Regentinnen wissen möchte, der findet vermutlich in dem jeweiligen Wikipedia-Eintrag deutlich mehr Informationen als in diesem „Bilder-Buch“. Aber wer lieber Hörbücher hört als Texte liest, und wer in Zeitungen hauptsächlich die Titelzeilen und die Fotos anschaut, für den stellt das Buch eine hervorragende Möglichkeit dar, etwas über diese sechs Königinnen zu erfahren. Und selbst Ägyptenerfahrene machen mit diesem Buch nichts falsch; gerade über die beiden frühen Herrscherinnen Meritneith und Nefrusobek erfahren wohl auch sie noch etwas Neues. Und die Bilder sind eben einfach der Hammer!

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