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Besuch der Ägypten-Ausstellung in Mannheim

Wer sich durch die rechtwinkligen Straßen der Quadratestadt Mannheim bis „D5“ vorgearbeitet und die Einfahrt in die Tiefgarage gefunden hat, der steht gleich beim Kauf der Eintrittskarte für die Ausstellung »Ägypten – Land der Unsterblichkeit« vor der ersten Entscheidung: Audioguide, Ja oder Nein? Da die Ausstellungsstücke ausreichend mit Begleittexten versehen sind, können sich Anhänger des old-school-Museumsbesuchs die vier Euro für den Audioguide tatsächlich sparen. Die smartphone- und hörbuchaffine Generation wird vermutlich dennoch dankbar dafür sein.

Nofretete mit Hörnern

Vor der Eingangstür der Ausstellung im 1. OG treffen wir aber zunächst auf eine große zeitgenössische Skulptur, die auf den ersten Blick so gar nicht zum Thema Ägypten passen will: ein Frauenkopf mit ca. 1m langen Hörnern, den man eher in die Richtung einer keltischen Sekte verorten würde. Nachdem man den Untertitel des Kunstwerks gelesen hat („Hommage des Künstlers an den Bildhauer Thutmosis“), erkennt man dann mit etwas Phantasie die Züge der berühmten Nofretetebüste in dem Frauengesicht. Aber warum trägt sie statt ihrer schicken hohen Haube hier diese Riesenhörner, die angeblich Lebenskraft symbolisieren sollen? Ein merkwürdiger Einstieg in das Thema der Ausstellung – aber über Kunst lässt sich bekanntlich nicht streiten.

Blick in die Ausstellung „Ägypten – Land der Unsterblichkeit“.  © rem, Foto: Carolin Breckle
Blick in die Ausstellung „Ägypten – Land der Unsterblichkeit“.
© rem, Foto: Carolin Breckle

Raum 1: Ägypten querbeet

Die Ausstellung selbst ist in vier Räume gegliedert, von denen sich der erste – quasi als Einstieg – mit verschiedenen Aspekten des Lebens im alten Ägypten befasst, z.B. Schrift, Pharao, Kunst, Schmuck, Priester, Alltagsleben, usw., die auf verschiedenen Thementischen dargeboten werden. Der Raum ist abgedunkelt und die einzelnen Stücke werden sehr schön ausgeleuchtet. Positiv fällt auch die Klimatisierung der Räume auf, durch die man auch an einem heißen Sommertag eine sehr angenehme Temperatur hat, auch wenn dies wohl eher der Konservierung der Ausstellungsstücke als dem Komfort der Besucher dienen soll.

Gut sind nicht nur die kurzen, aber informativen Erklärungen der Begleittexte, sondern auch, dass darin manche Inschrift eines Artefakts übersetzt wird, so dass man einen Eindruck davon bekommt, was die Ägypter damit bezweckten oder welche Nachricht bspw. Amenhotep III. auf dem ausgestellten Propaganda-Skarabäus im Land verbreiten wollte.
Daneben beeindrucken in diesem Raum sowohl winzige Kosmetiktigel und Schminktutensilien als auch große Alltagsgefäße, wie ein 50-Liter-Fass mit innenliegender getöpferter (nicht gemalter) Füllskala.

Kaum genutzt wird dagegen die Audiostation, bei der man sich verschiedene literarische Texte, z.B. Weisheitslehren oder Liebesgedichte, in Übersetzung anhören kann. Gerade für die Liebeslyrik wünscht man sich hier auch einen Sprecher mit einer etwas ausdrucksvolleren Stimme.

Raum 2: Die Herzstücke der Ausstellung

Der zweite Raum ist noch etwas dunkler und dem Thema Totenkult und Unsterblichkeit gewidmet. Neben mehreren wunderschön bemalten Sarkophagen und verschiedenen Grabbeigaben enthält er eines der Herzstücke dieser Ausstellung: den 9m langen und etwa 3500 Jahre alten Papyrus mit dem Totenbuch des Amenemhat. Dieser war Kammerherr eines Pharaos der 18. Dynastie, vielleicht von Tutmosis III. oder Amenophis II.
Der Papyrus ist, abgesehen von den ersten 2 Metern, bemerkenswert gut erhalten und enthält neben schwarzer und roter Schrift auch einige farbige Bilder, sog. Vignetten, deren Farben so frisch aussehen, als seien sie gestern erst gemalt worden. Auch hier erklären Begleittexte Sinn und Inhalt des Totenbuchs und viele Stellen werden wörtlich zitiert.
In einem kurzen Video wird zudem gezeigt, wie Wissenschaftler an der Fachhochschule Köln vor einigen Jahren diesen Papyrus unter Einsatz von viel Wasserdampf langsam und extrem vorsichtig entrollt haben.

Blick in die Ausstellung „Ägypten – Land der Unsterblichkeit“.  In der nachgebauten Grabkammer des Sennefer.  © rem, Foto: Carolin Breckle
Blick in die Ausstellung „Ägypten – Land der Unsterblichkeit“.
In der nachgebauten Grabkammer des Sennefer.
© rem, Foto: Carolin Breckle

Das zweite Highlight in diesem Raum ist die Nachbildung der Grabkammer des Sennefer, der während der 18. Dynastie Bürgermeister von Theben war (ca. 1440-1415 v.Chr.). Wer das Original auf Luxors Westbank kennt, freut sich, dass in der Nachbildung deutlich mehr Platz und Luft ist, als in der stickigen originalen Grabkammer. Trotzdem reicht eine Nachbildung natürlich nie an das Original heran, wie jeder Luxortourist weiß, der sowohl das Original als auch das einhundertprozentig exakte Faksimile von Tutanchamuns Grab gesehen hat. Dennoch möchten wir eine Lanze für diese Nachbildung des Sennefergrabes in Mannheim brechen: Dichter kann man in Deutschland nicht an die Schönheit der Kunst der Grabmalerei im alten Ägypten herankommen als in dieser nachgebauten Grabkammer mit ihren Weinreben und den fast perfekt erhaltenen Figuren des Grabherren mit seiner Familie!

Räume 3 und 4: Götter und Kleopatra

Im Verbindungsgang zum dritten Raum wird eine Reihe kleiner Götterbilder aus Metallblech so angestrahlt, dass ihre Schatten sich groß auf der dahinter liegenden Wand abbilden. Dazu werden Informationen zu den einzelnen Gottheiten gegeben. Dies ist eine optisch wirklich gut gelungene Idee, bei der wir unter den 33 Götterbildern allerdings die Göttin Selket, Schutzgöttin von selket.de, vermissten.

Blick in die Ausstellung „Ägypten – Land der Unsterblichkeit“.  Ein Touchscreen im Gang mit den Götterfiguren. © rem, Foto: Carolin Breckle
Blick in die Ausstellung „Ägypten – Land der Unsterblichkeit“.
Ein Touchscreen im Gang mit den Götterfiguren.
© rem, Foto: Carolin Breckle

Im dritten Raum geht es um die ägyptischen Gottheiten – hier sind auch viele Stücke von Privatsammlern ausgestellt – und im vierten Raum dann um die neuen Herrscher, von den Ptolemäern und Alexander dem Großen bis hin zu den römischen Herrschern. Hier findet sich u.a. auch eine römische Bronzemünze mit dem Abbild der berühmten Kleopatra, die darauf gar nicht so schön ist, wie wir es aus dem Film mit Elizabeth Taylor kennen.

Unser Fazit

Die Ausstellung ist nicht so überwältigend, dass man extra dafür aus großer Entfernung anreisen muss. Wer allerdings sowieso im Großraum Heidelberg/Mannheim/Ludwigshafen unterwegs ist, der sollte unbedingt den Abstecher ins Reiss-Engelhorn-Museum machen. Die ursprünglich bis Mai 2015 geplante Ausstellung wurde bereits bis zum 10. Januar 2016 verlängert. Nach unseren Informationen soll sie danach mit fast allen Ausstellungsstücken zu einer Dauerausstellung werden. Die meisten Stücke stammen vom Museum in Hildesheim, wo viele bisher aber nicht ausgestellt waren sondern in den Magazinen lagerten. Daher könnten diese dann als Dauerleihgaben nach Mannheim gegeben werden. Sollte sich diese Information bewahrheiten, könnte man den Besuch der Ausstellung auch in späteren Jahren noch vornehmen.

Noch eine Anmerkung am Rande zum Sinn oder Unsinn des Audioguides:
Wer die Schulklasse sah, die mit dem Audioguide auf den Ohren – gleichzeitig trotzdem noch laut schwatzend, die Lehrerin hinterherlaufend : „Psst, Psst, hier sind noch andere Leute!“ – von einem mit einer Audionummer gekennzeichneten Artefakt zum nächsten jagte („Wo ist 23? Hast Du schon die 23?“), kaum lang genug verweilend, um den Audiotext zu hören und währenddessen mit den Augen bereits suchend, wo denn die nächste Nummer zu finden wäre, dabei alle unnummerierten Artefakte ignorierend, im augenscheinlichen Bemühen, diese langweilige Pflichtaufgabe so schnell wie möglich abzuarbeiten, vermutlich, um sich danach endlich wieder mit dem Smartphone in einen Sessel fläzen zu können – wer das gesehen hat, der könnte auf die Idee kommen, den Sinn des Audioguides für Teenager grundsätzlich zu bezweifeln.
Unser Tipp: Wenn eine Schulklasse gleichzeitig mit Dir in die Ausstellung will – trink‘ in Ruhe noch einen Cappucino im Museumscafé und gehe eine halbe Stunde später! 😉

Zahlen, Daten, Fakten

  • Titel der Ausstellung: »Ägypten – Land der Unsterblichkeit«
  • Läuft noch bis: 10. Januar 2016 (danach dauerhaft? s.o.)
  • Ort: Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkulturen, D5, 68159 Mannheim
  • Infotelefon: 0621 / 293 37 71
  • www.rem-mannheim.de/ausstellungen
  • Öffnungszeiten: Di – So, 11-18 Uhr, auch an Feiertagen
  • Eintritt: Erwachsene € 12,50, Kinder 6-18 J. € 3,00, Familien € 24,50
  • Parken: Tiefgarage direkt unter dem Museum, kostenpflichtig
  • einzuplanende Zeit: 2-4 Stunden

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