Ein Team aus Archäologen, Restauratoren und Ingenieuren hat am gestrigen Samstag im Auftrag des Obersten Rates für Altertümer (Supreme Council of Antiquities) den Obelisken der Pharaonin Hatschepsut im Tempel von Karnak wieder aufgestellt, dessen Spitze seit über 100 Jahren in der Nähe des Heiligen Sees waagerecht ausgestellt war. Das Aufstellen des restaurierten Obelisken erfolgte in Zusammenarbeit mit der Ingenieurbehörde der ägyptischen Streitkräfte, die auch die notwendige Ausrüstung dafür zur Verfügung stellte.
Den Obelisken aus rosa Granit hatte Hatschepsut vor fast 3500 Jahren neben der Udjathalle aufrichten lassen, die von ihrem Vater, Thutmose I., im Karnaktempel gebaut worden war. Vermutlich durch ein Erdbeben stürzte der Obelisk allerdings schon in der Antike um und blieb auf den Trümmern der Udjathalle liegen.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts sicherte der französische Ägyptologe Georges Legrain, der zu dieser Zeit Aufseher der Wiederherstellungsarbeiten im Karnaktempel war, den oberen Teil des Obelisken und platzierte ihn liegend in der Nähe des Heiligen Sees. Jeder Besucher des Karnaktempels wird sich vermutlich daran erinnern, vor der Spitze dieses liegenden Obelisken gestanden zu haben.
Der Generalsekretär des Obersten Rates für Altertümer, Mostafa Waziri, sagte in einem ersten Pressestatement, dass Untersuchungen ergeben hatten, dass der Obelisk an seiner bisherigen Stelle gefährdet war und er deshalb restauriert und verlegt werden musste. Worin die „Gefährdung“ bestand, ist leider nicht vermeldet. Ebenfalls kann man der Meldung nicht entnehmen, ob der Obelisk nun an seinem ursprünglichen Standort oder woanders wieder aufgestellt wurde. Anhand der anderen beiden im Hintergrund stehenden Obelisken (vgl. Titelbild und Foto 1) könnte man aber vermuten, dass er jetzt wohl nicht allzu weit entfernt von der Stelle steht, wo er bisher lag.
Der aus dem rosafarbenen, aus Assuan stammenden Granit geschlagene Obelisk ist nach der Restaurierung nun 11m hoch und 90 Tonnen schwer. Er zeigt Hatschepsut in verschiedenen Szenen mit dem Gott Amun. Außerdem sind auch mehrere Namen und Titel des Gottes Amun auf diesem Obelisken erwähnt, heißt es in der Pressemeldung des Antikenministeriums.
Auf der Spitze des Obelisken sieht man den auf seinem Thron sitzenden obersten Gott Amun-Re und „seine Tochter Maat-Ka-Re“, die sich hier, vor dem Gott kniend, als Mann darstellen ließ. Maat-Ka-Re war der Thronname der Pharaonin Hatschepsut; er ist oben links in der Kartusche zu sehen. Die hockende Frau mit der Feder auf dem Kopf symbolisiert die Göttin Maat, die erhobenen Arme darunter bedeuten Ka und die Sonne ganz oben steht für den Sonnengott Re. Dass Amun sie als Tochter bezeichnet, liest man in der Ente und dem kleinen Brotlaib in der mittleren Spalte ganz unten. Die Ente steht für Sohn, der Brotlaib ist die weibliche Endung eines Begriffs, also hier: Tochter.
Hatschepsut holte ihre Legitimation dafür, dass sie als Frau tatsächlich als Pharao herrschen durfte, aus der (selbst erfundenen) Legende, dass es der Gott höchstpersönlich gewesen sei, der sich in Gestalt ihres Vaters Thutmosis I. mit ihrer Mutter Ahmose vereinigt hatte. Sie war damit eine leibliche Tochter des Gottes Amun und ließ das in vielen Inschriften – so auch hier – festhalten. Dass sie nicht bloß eine Königin neben einem Pharao, sondern tatsächlich der Pharao selbst war, zeigte sie auch dadurch, dass sie sich in vielen Abbildungen als Mann, bei Statuen sogar oft mit dem traditionellen Pharaonenbart, darstellen ließ.
Nachtrag 27. April 2022:
Unsere Leserin Franziska Schindler war zufällig kurz nach Erscheinen des Artikels vor Ort (siehe unten in den Kommentaren) und hat uns ein Foto des Obelisken geschickt. Wie sie bereits kommentierte, wird der Sockel gerade noch gebaut und war hier noch nicht fertig. Liebe Franziska: Vielen Dank für die prompte Antwort auf unsere Anfrage! 🙂
Und hier ihr Bild:
Warum muss das von ihr „selbst erfunden“ worden sein?
Vielleicht hat sie im Bezug auf die Seltenheit mit der es weibliche Regenten gegeben hat wirklich an göttliche Vorsehung geglaubt?
„Hatschepsut holte ihre Legitimation dafür, dass sie als Frau tatsächlich als Pharao herrschen durfte, aus der (selbst erfundenen) Legende, dass es der Gott höchstpersönlich gewesen sei, der sich in Gestalt ihres Vaters Thutmosis I. mit ihrer Mutter Ahmose vereinigt hatte.“
Das ist nicht korrekt! Die göttliche Legitimation wurde bereits im Mittleren Reich erwähnt und im Neuen Reich mehrfach wieder aufgenommen.
Also die Idee, dass ein König ein „Sohn des Sonnengottes Re“ war, ist sogar schon im Alten Reich nachweisbar. Dennoch ist Hatschepsut meines Wissens nach die Erste, die ihren Zeugungsvorgang durch einen Gott (wie wir ihn ja beschrieben haben) ausführlich verkünden und auf Tempelwände schreiben ließ. Dieser sogenannte „Geburtsmythos“ wird m.E. erstmals bei Hatschepsut gefunden.
Ich vermute, dass es für eine Frau eben einfach nicht reichte, sich lakonisch als „Gottessohn“ (oder -tochter) zu bezeichnen, wie es andere Pharaonen vor ihr getan hatten. Sie hatte wohl das Gefühl, als Frau müsse sie „weiter ausholen“ und den Priestern und dem Volk auch ganz plastisch beschreiben, wie sich ihre „göttliche Herkunft“ legitimierte. Ob sie diesen Mythos aus den genannten Gründen letztlich einfach „erfunden“ hat oder tatsächlich daran glaubte, wie mckracken meint, kann heute wohl keiner mehr sagen. Aber die Erste mit diesem ausführlichen Geburtsmythos war sie doch wohl, oder welcher frühere Pharao hatte das schon vor ihr getan?
Hallo, ich war heute dort. Er sieht da er nun endlich aufgerichtet ist, einfach schön aus. Drum herum wird der Sockel noch verschönert
Du hast nicht zufällig ein Foto davon gemacht, das wir hier unter dem Beitrag veröffentlichen können? 😉
Und sie hat uns wirklich ein Foto geschickt (siehe oben unter dem Artikel)! DANKE, Franziska! 🙂