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Sensationeller Fund auf Luxors Westbank: die verlorene Stadt „Der Aufstieg Atons“

Schon vor ein paar Wochen hatte Zahi Hawass eine große Entdeckung in Luxor angekündigt. Zuerst dachten wir an Anchesenamuns Grab, aber aus dem Tal der Affen gibt es leider nichts Neues. Dafür ist dieser Fund, der heute vorgestellt wurde, mindestens genauso spektakulär.
Ein Team von Archäologen unter der Leitung von Zahi Hawass hat die lang verschollene Stadt „The Rise of Aten“ (der Aufstieg Atons oder der Aufgang Atons) auf der Westseite von Luxor entdeckt.

Auf der Suche nach Tutanchamuns Totentempel

Karte mit Totentempel in Theben-West (Westufer von Luxor)
Ausschnitt aus: Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Text, Reliefs and Paintings, Band II Theban Temples
Bertha Porter & Rosalind L. B. Moss

Hawass berichtet nicht ohne Stolz auf seiner Facebook-Seite, dass bisher viele Auslandsmissionen ohne Erfolg versucht hätten, diese Stadt zu finden (* siehe Nachtrag unten). Eigentlich war das Team auf der Suche nach Tutanchamuns Totentempel (in einem Totentempel wurde der Pharao zu Lebzeiten und natürlich auch noch nach seinem Tod verehrt). Die Archäologen vermuteten, dass dieser vielleicht in der Nähe von Haremhabs und Ejes Totentempel liegen müsste. Also begannen die Archäologen die Ausgrabung in der Nähe des Medinet Habu Tempels von Ramses III., dort wo auch die beiden besagten Totentempel liegen.

„Der Aufstieg Atons“

Die Überraschung war groß als sie statt des Totentempels auf die antike Stadt stießen, die den Sonnengott Aton in ihrem Namen trägt. Die ägyptische Expedition stieß sogar auf die bisher größte Stadt, die je in Ägypten gefunden wurde, wie Hawass auf seiner Facebook-Seite schreibt.

„Der Aufstieg Atons“ wurde von König Amenhotep III. angelegt, der in der 18. Dynastie zwischen 1391 – 1353 v. Chr. regiert hat. Die Stadt soll in der Zeit der Co-Regentschaft mit seinem Sohn Amenhotep IV., besser bekannt unter dem Namen Echnaton, gegründet worden sein, der nach Regierungsantritt die vielfältige Götterwelt Ägyptens abschaffte und nur den Sonnengott Aton anbetete (an dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass Hawass in seinem Text zwar von einer Mitregentschaft ausgeht, sich die Forscher da jedoch noch uneins sind; aber vielleicht bringt der Fund dieser Stadt ja neue Erkenntnisse). Die 3000 Jahre alte Stadt soll von Tutanchamun und seinem Nachfolger Eje weitergeführt worden sein.

„Der Aufstieg Atons“ war Ägyptens größte administrative und industrielle Siedlung am Westufer von Luxor. Die Häuser der Stadt waren teilweise von bis zu drei Metern hohen Mauern eingeschlossen. Auch die Ausmaße waren beeindruckend. Nach ersten Erkenntnissen soll sich die Stadt bis zum berühmten Arbeiterdorf Deir el-Medinah, das unter Amenhoteps III. Vorgänger Amenhotep I. um 1520 v. Chr, erbaut wurde, erstreckt haben. Deir el-Medinah liegt ungefähr 1km Luftlinie vom Medinet Habu Tempel entfernt.

Bild: Antiken- und Tourismusministerium Ägypten

Das Ausgrabungsgebiet befindet sich zwischen dem Tempel von Ramses III. in Medinet Habu und dem Totentempel von Amenhotep III. (dort, wo die Memnon-Kolosse sind) (* Die von Hawass zuerst gemachte Standortangabe ist nicht ganz richtig, siehe Bild unten). Pharao Eje, der Nachfolger Tutanchamuns, baute seinen Totentempel an der Südseite von Medinet Habu. Manche Forscher glauben, dass Ejes Totentempel ursprünglich für Tutanchamun angelegt wurde, weil dort zwei kolossale Statuen des jungen Königs gefunden wurden. Der nördliche Teil des Tempels liegt noch unter dem Sand versteckt.

Seit tausenden von Jahren unberührt

Die Ausgrabung begann im September 2020 und innerhalb weniger Wochen stießen die überraschten Archäologen in allen Himmelsrichtungen auf Lehmziegel-Formationen. Das erste Ziel bei einem solchen Fund ist es natürlich, die Siedlung richtig zu datieren, was mit Hieroglypheninschriften auf tönernen Verschlüssen von Weingefäßen gelang. Die Archäologen waren sich schnell einig darüber, dass die Stadt unter Amenhotep III. gegründet worden sein muss.

Siegel mit Kartusche
Bild: Antiken- und Tourismusministerium Ägypten

„Der Aufstieg Atons“ ist in einem erstaunlich gutem Erhaltungszustand mit vollständig erhaltenen Mauern und Räumen voller Werkzeugen aus dem alltäglichen Leben. Die Ausgrabungsschichten sind seit tausenden von Jahren unberührt geblieben und wurden von den Bewohnern zurückgelassen als ob es erst gestern gewesen wäre, so Hawass. Aus historischen Quellen wusste man bisher relativ wenig. Die Siedlung soll aus drei königlichen Palästen von Pharao Amenhotep III. bestanden haben sowie das Verwaltungs- und Industriezentrum des Reiches gewesen sein. Die Stadt entstand weitab von den Amun-Priestern in ihren Tempelbezirken an der gegenüberliegenden Seite des Nils.

Drei Bezirke mit jeder Menge Funde

In der Stadt fand die archäologische Mission eine große Anzahl von Ringen, Skarabäen, farbigen Keramikgefäßen und Lehmziegel mit Siegeln der Kartusche von Amenhotep III., die die Datierung der Stadt bestätigten.
Nach nur sieben Monaten Ausgrabungen wurden bereits mehrere Bezirke freigelegt. Im südlichen Bezirk fanden die Archäologen eine Bäckerei und eine Großküche mit Öfen und Töpferwaren. Aufgrund der Größe der Küche muss sie sehr viele Arbeiter und Angestellte versorgt haben.

Das zweite Gebiet, dass bisher nur teilweise freigelegt wurde, ist mit seinen größeren Bauten das Verwaltungs- und Wohnviertel der Stadt gewesen. Der Bereich ist mit einer Zick-Zack-Mauer eingegrenzt und konnte nur über einen einzigen Zugang betreten werden. Dieser doch sehr eingeschränkte Zugang diente wahrscheinlich der Sicherheit, weil so viel besser überwacht werden konnte, wer hier ein- und ausging. Zick-Zack-Mauern sind sehr seltenes architektonisches Element in der altägyptischen Architektur, das hauptsächlich gegen Ende der 18. Dynastie verwendet wurde.

Im dritten Bezirk der Stadt befinden sich die Werkstätten, wo unter anderem die Lehmziegel für die Tempel und Nebengebäude produziert wurden. Hier fand man auf den Ziegeln auchdie Siegel mit der Kartusche des Thronnamens von Amenhotep III. – Neb-Maat-Re ( „Herr der Maat ist Re“).

Bild: Antiken- und Tourismusministerium Ägypten

Zu den weiteren Funden im Werkstatt-Bezirk gehören eine Vielzahl von Gussformen für die Herstellungen von Amuletten und Dekorelementen. „Der Aufstieg Atons“ muss ein wichtiger Produktionsstandort für die dekorative Ausstattung von Tempeln und Gräbern gewesen sein, so der Rückschluss der Archäologen. Werkzeuge, die für industrielle Aktivitäten wie Spinnen und Weben benutzt wurden, fand das Ausgrabungsteam im gesamten Stadtgebiet verteilt. Erste archäologische Spuren von Metall- und Glasherstellung wurden ebenfalls schon gefunden, aber der Hauptbezirk dieses Industriezweigs ist bisher noch nicht entdeckt worden.

Rätselhafte Bestattungen

In einem der Räume (ob in einer Werkstatt oder in einem Haus, schreibt Hawass nicht), wurden zwei ungewöhnliche Bestattungen einer Kuh oder eines Stieres gefunden. Zu welchem Zweck die Tiere hier vergraben wurden, muss noch herausgefunden werden. Noch rätselhafter ist die Bestattung einer Person, die mit nach unten ausgestreckten Armen und mit den Resten eines Seils um die Knie gefunden wurde (siehe Bild unten). Die Forscher wollen den außergewöhnlichen Bestattungen weiter auf den Grund gehen.

Bild: Antiken- und Tourismusministerium Ägypten

Interessante Inschriften

Erst kürzlich stießen die Archäologen auf ein Gefäß mit 2 Gallonen (ca. 10 Liter) getrocknetem oder gekochtem Fleisch, das eine wertvolle Inschrift enthielt: „Jahr 37, zubereitetes Fleisch für das dritte Hebsed-Fest, aus dem Schlachthof des Lagerplatzes von Kha, hergestellt vom Metzger Iuwy“. Also anlässlich des Jubiläumsfestes von Amenhotep III. in seinem 37. Regierungsjahr lieferte eine Metzgerei frisch zubereitetes Fleisch. Nicht nur zwei Namen von Einwohnern dieser Stadt gibt der kleine Text preis, sondern auch die Tatsache, dass die Stadt zur Zeit von Amenhotep III. und seinem Mitregenten Echnaton bewohnt war und dort auch gearbeitet wurde.

Eine weitere Inschrift auf einem Siegel könnte „gm pa Aton“ gelesen werden. Gem-pa-Aton war ein Bezirk im Karnak-Tempel, der von Echnaton errichtet und dem Gott Aton geweiht wurde. Ein Jahr nach Herstellung dieses Topfes mit dem Siegel wurde die Stadt verlassen und die Hauptstadt nach Achet-Aton (heutiges Amarna) in Mittel-Ägypten verlegt. Die Anwort auf die Frage, warum der Hofstaat die erst kürzlich aus dem Boden gestampfte Stadt in Theben-West verlassen hat, hofft Hawass hier zu finden. Desweiteren erhofft er sich auch Hinweise zu finden, ob die Stadt während der Regierungszeit von Tutanchamun, als man zurück von Achetaton nach Theben siedelte, wieder bevölkert wurde.

Ausgrabungen gehen weiter

Die Ausgrabungen gehen natürlich weiter, wie Hawass schreibt. Im Norden der Siedlung wartet eine große Nekropole, deren Ausmaße noch nicht festgelegt werden konnten, auf weitere Entdeckungen. Bisher wurde eine Gruppe von Felsengräbern unterschiedlicher Größe freigelegt, die über eine in den Fels gehauene Treppe betreten werden können. Ein Merkmal, das man auch im Tal der Könige und im Tal der Adligen finden kann, wie Hawass bedeutungsschwanger schreibt.

„Die größte Entdeckung seit Tutanchamuns Grab“

Betsy Brian, Professorin an der John Hopkins University in Baltimore, USA, bezeichnete den Fund als die größte Entdeckung seit Tutanchamuns Grab. Und vielleicht hat sie damit auch nicht ganz unrecht, denn die Stadt wird uns vielfältige Einblicke in das Alltagsleben der alten Ägypter geben – und das zu einer Blütezeit der altägyptischen Geschichte. Und vielleicht wird auch das ein oder andere Rätsel rund um Echnaton und Nofretete gelöst werden, z.B. warum die beiden beschlossen haben, nach Amarna zu ziehen, wie auch Brian hofft.

Die Ausgrabungen und Forschungen in dem Gebiet sind noch im vollen Gange, und die Mission erwartet den Fund unberührter Gräber „voller Schätze“, wie Hawass seinen Bericht abschließt.

Wir sind sehr gespannt, was das Team um Zahi Hawass dort noch entdecken wird. Wenn die Ausdehnung der Stadt bis zu Amenhotep III. Palast in Malkata reicht, der immerhin ca. einen Kilometer Luftlinie von Medinet Habu entfernt liegt, werden die Archäologen noch einiges zu tun haben und wir dürfen uns auch in den nächsten Jahren auf viele weitere spannende Funde freuen. Und vielleicht wird ja auch endlich das ein oder andere Rätsel um Echnaton, Nofretete und Tutanchamun gelöst werden. Vor allem die Gräber könnten einige spannende Erkenntnisse liefern.

Am Samstag soll es noch eine Pressekonferenz zu dem bedeutenden Fund geben. Sollten noch weitere Details bekannt werden, werden wir natürlich darüber berichten

Bild: Zahi Hawass

*Nachtrag vom 10.04.2021 und 11.04.2021: Auf den Social Media Kanälen macht die Meldung die Runde, dass bereits C. Robichon und A. Varille in den 1930er Jahren auf die Überreste der antiken Stadt gestoßen sind. Hawass hat daraufhin ein Bild gepostet, wo die damalige und wo die heutige Ausgrabungsstätte liegt.

4 Gedanken zu „Sensationeller Fund auf Luxors Westbank: die verlorene Stadt „Der Aufstieg Atons““

  1. Einfach unglaublich, was noch so alles zum Vorschein kommt! Daran zeigt sich, wie wichtig dieser Ort in den letzten Jahren von Amunhotep III wurde, und was fuer grossartige Ereignisse seine Sed-Feste gewesen sein muessen. Ich kann mich der Hoffnung nur anschliessen, dass es ausser den bereits gemachten noch weitere aufschlussreiche Funde gibt. Vielleicht erklaert dieser tolle Fund auch, weshalb man dem doch recht vielversprechenden Hohlraum in der Naehe von Tuts Grab bislang keine Beachtung schenken konnte. Oder hat man doch bereits nachgeforscht und es wartet wieder eine Ueberrschung auf uns?

  2. Danke für den spannenden Bericht! Stellt sich mir die Frage, wie der Erhalt sichergestellt wird. Wahrscheinlich müsste man eine Einhausung mit Vollklimaanlage um die ganze Anlage bauen. Sag ich zumindest als Bauphysiker – was sagen die Archäologen unter euch dazu? 🙂

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