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„Zurück in die Ewigkeit“ – wohin gehören Mumien?

Während der „Goldgräberjahre“ des 19. Jahrhunderts, als nach Napoleons Ägyptenfeldzug ganz Europa von den Entdeckungen in Ägypten fasziniert war, wurden vermutlich tausende Mumien ausgegraben. Sie wurden verkauft, geschmuggelt, zerteilt, zu Pulver verarbeitet, als Partygag ausgewickelt, landeten zum Gruseln in Schaukästen – und waren natürlich auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Aber durften und dürfen wir das überhaupt? Oder gibt es ein Recht auf Totenruhe? Oder wenigstens auf Pietät?

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Der unversehrte Körper war wichtig

Bassam el-Shammaa, ägyptischer Archäologe, hat eine Online-Kampagne gestartet (die zur Zeit leider nicht funktionstüchtig ist), mit der er Aufmerksamkeit erreichen will für seine Forderung, alle Mumien wieder zurück in ihre Gräber zu bringen. „Back to eternity“ sagt er und meint damit, dass man den Verstorbenen das schulde, was sie mit der Mumifizierung erreichen wollten, nämlich ungestört im Jenseits weiterleben zu können. Und das ging eben nur, wenn der Körper unversehrt in seinem Grab lag.

Um diese Unversehrtheit zu gewährleisten und bspw. Grabräuber abzuschrecken, wurden Beschwörungsformeln und Drohungen an die Gräber geschrieben. „Der Tod wird auf schnellen Flügeln zu denen kommen, die meinen ewigen Schlummer stören“, lautete eine Zauberformel, und eine andere besagte: „Wer in mein Grab eindringt, wird vom Krokodil, vom Löwen und vom Nilpferd gefressen werden“. Genützt hat das alles nichts. Schon im alten Ägypten wurden Gräber geplündert. Aber sind wir heute besser?

Wichtige Erkenntnisse

Wenn heute ein neues Grab entdeckt wird, werden auch alle Fundstücke in Laboratorien gebracht und untersucht. Vielleicht wird nicht mehr jede Mumie ausgewickelt, denn für einen modernen Scanner ist das ja nicht mehr erforderlich, aber wir tun mit den Mumien, was immer der Forschung dient. Und es hat ja auch einige große Erkenntnisse gegeben, die auf diese Untersuchungen zurückzuführen sind. DNA-Tests haben bspw. bewiesen, dass Tutanchamun der Sohn Echnatons ist – oder zumindest der Mumie, die man für Echnaton hält. Man kann heute Aussagen treffen über Krankheiten, Ernährungsgewohnheiten und vieles mehr aus dem Leben der alten Ägypter. Unser Wissen wäre deutlich geringer, ohne die Untersuchungen an den Mumien.

Angucken verboten?

Aber ein Argument von el-Shammaa ist nur schwer zu entkräften: Mumien teilweise ausgepackt, quasi halbnackt, in Glasvitrinen in Museen auszustellen, nützt eigentlich niemandem. Es befriedigt nur einen voyeuristischen Trieb, der zwar vermutlich in uns allen steckt, aber der wohl kaum höher gewichtet werden kann als der Respekt vor den Toten und ihren religiösen Übezeugungen.

Ein Toter gehöre in sein Grab, sagt el-Shammaa, und nicht in eine Ausstellungsvitrine. Gegenwärtig seien 17 Mumien von Pharaonen und 12 von Königinnen im separaten Mumiensaal des Ägyptischen Museums ausgestellt. Und mit den Mumien aus der Spätzeit, die in den großen Hallen lagerten, seien es noch viel mehr. Er hat daher 2013 eine entsprechende Anfrage an die Behörde gestellt, die sich mit religiösen Fragen des Islam beschäftigt, das Supreme Council of Islamic Affairs. Eine Antwort hat er nicht bekommen.

Ein Gegenargument ist natürlich, dass die Mumien in ihren Gräbern kaum gesichert werden könnten. Aber el-Shammaa betont, dass in der Zeit nach der Revolution auch die Museen (z.B. das in Mallawi) geplündert wurden. Und in Oberägypten, woher die meisten königlichen Mumien stammen, sei es ja doch eher ruhig geblieben. Er bleibt daher bei seiner Ansicht, die Mumien sollten sorgfältig wieder mit Binden umwickelt werden, danach in ihre Sarkophage gelegt und dann wieder in die Gräber zurückgebracht werden.

Ist ein Mittelweg möglich?

Alles, was mit dem Thema Tod zu tun hat, kann sehr kontrovers diskutiert werden. Die Bundestagsdebatte zum Thema Sterbehilfe hat das in der letzten Woche wieder gezeigt. Ich persönlich möchte auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht verzichten, die aus Untersuchungen an Mumien gewonnen werden können. Das Ausstellen von Mumien in Museen finde ich dagegen eher unwichtig. Es bringt der Menschheit keinen wirklichen Gewinn und könnte vielleicht nur mit solchen Mumien gemacht werden, deren Grab es nicht mehr gibt. Warum sollte man aber nicht wirklich diejenigen Mumien, deren Gräber bekannt sind, nach den Untersuchungen in ihr Grab zurückbringen? Natürlich nur dort, wo anschließend auch die Sicherheit der Gräber und Mumien gewährleistet werden kann, wie bspw. im Tal der Könige. Für mich als Besucher wäre es sicher ein Gewinn, wenn ich bei der Besichtigung des Grabes auch die Mumie des Grabherrn dort antreffen würde. Und ich hätte noch das gute Gefühl, seinem Leben im Jenseits nicht im Wege zu stehen. Denn auch, wenn ich an dieses Leben nach dem Tode nicht glaube: Er tat es!

Quelle: The Cairo Post

5 Gedanken zu „„Zurück in die Ewigkeit“ – wohin gehören Mumien?“

  1. Ohne jede Frage gehören die Toten zurück in die Gräber und Zurschaustellung ist pietätslos und nicht zu rechtfertigen.

  2. Sie gehören auf keinen Fall in die Gräber zurück, sie könnten nicht geschützt werden, auch nicht im Tal der Könige, dort kann auch nicht genauestens auf richtige Temperatur, Luftfeuchtigkeit u. bakt. Befall geachtet werden. Für mich ist es ausserdem jedesmal ein großes Erlebnis in die Gesichter der einzelnen Personen zu blicken, von denen man doch sehr viel aus ihrem Leben weiß bzw.auch, wie sie teilweise die Geschichte beeinflussten. Es ist eine große Ehre für mich sie Schauen zu dürfen und ich denke, sie hätten unter heutigen Umständen nichts dagegen einzuwenden – immerhin wollten die Alten Ägypter in ihren Gräbern besucht werden, damit sie nicht der Vergessenheit anheimfallen.

  3. Ich bin der gleichen Meinung wie Eveline. Man sollte jedoch die Mumien diskreter präsentieren, zugedeckt und nicht so preisgegeben. Immerhin handelt es sich größtenteils um die größten und mächtigsten Herrscher ihrer Zeit und denen sollte man auch heute noch mit dem gebotenen Respekt begegnen. In ihren Gräbern sind sie leider nicht sicher, im Museum auch nicht 100%ig, aber doch besser geschützt.

  4. Ich denke,dass so eine „Mittellösung“ auch am sinnvollsten wäre. Zwar die Untersuchungen machen,die der Archäologie und Medizin dienlich sind.Denn Mumien können Leben retten. Eine mir bekannte Begebenheit ist die Rettung eines kleinen britischen Jungen ,der an einer seltenen Krankheit litt.Durch die Untersuchung der Mumie einer Priesterin und entsprechender Behandlung konnte er gerettet werden. Aber nach der Untersuchung der Mumien sollten sie dann nicht in ihren Sarkophagen (-Ersatz) mit einigen Stoffen mehr am Körper liegen? Wer will als nackter Toter im Glaskasten liegen?Egal ob als Pharao oder Landsmann.. Etwas „Privatsphäre“ sei auch den Toten gegönnt.;-)

  5. Ich war leider noch nie im Museum in Kairo, kann mir aber vorstellen, dass die Leute dort großen Teils gaffend an den Mumien vorbei rennen. In das neue werde ich definitiv gehen, und ich bin gespannt. Das „zur Schau stellen“ beginnt ja in der Aufmachung des Museums. Wenn man je Mumie eine eigene Art „Grabkammer“ mit begrenztem Zugang einrichten würde, wäre schon viel getan. Umgebettet wurde ja auch schon im Altertum (ja, ohne Besucher). Ich denke es kommt eben auf jeden einzeln an, wie er damit umgeht. Wenn man dem Toten mit Respekt begegnet, hat er doch irgendwo das erreicht, was er wollte: unsterblich sein. Ich glaube nich, dass die Ägypter mit einkalkuliert haben, dass ihr Reich jemals untergehen würde. Würde ihre Kultur bis heute andauern, würde ich sagen: ja, sie gehören zurück in ihre Gräber, oder hätten besser gesagt immer dort bleiben müssen. Wenn ich Pharao wäre und wüsste, von meinem Vermächtnis ist nicht viel übrig, als ein paar Steine, und mein Jenseits gibt es nicht oder nicht mehr, weil die Vorstellung daran nicht mehr geläufig ist, fände ich es einen schönen Gedanken, meiner Nachwelt leibhaftig begegnen zu können, indem mein Körper in einem Museum liegt und mir jemand ins Gesicht blicken könnte und sehen würde, was für ein Mensch ich war.

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