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Wadi el-Hudi, eine antike Minensiedlung in der Wüste

Das archäologische Team, das seit 2014 im südöstlich von Assuan in der Wüste gelegenen Wadi el-Hudi arbeitet, hat vor wenigen Tagen seine fünfte Grabungssaison beendet. Mehr als 100 Felsinschriften, 14 Stelen und 45 Ostraka (beschriftete Tonscherben) hatten sie bereits in den vorangegangenen Jahren dort gefunden. In der nun beendeten 5. Saison lag der Fokus eigentlich auf dem weiteren Kartographieren der mittlerweile 39 archäologischen Stätten – von denen sie 25 selbst entdeckt haben – sowie dem Erstellen von 3D-Modellen dieser Stätten. Dennoch habe man auch diesmal wieder 22 weitere, überwiegend arabische Inschriften entdeckt, teilte uns Dr. Kate Liszka mit, Professorin an der California State University in San Bernadino und Leiterin der Wadi el-Hudi Expedition. Fotos davon durfte Sie uns allerdings noch nicht zur Verfügung stellen, da diese immer zuerst zum Antikenministerium gehen müssten.

Inschriften und Ostraka

Obwohl Wadi el-Hudi seit seiner Entdeckung durch den Geologen Labib Nassim im Jahr 1917 von mehreren Forschern in den 40er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts untersucht worden war, waren hier bisher nur wenige Ausgrabungen vorgenommen worden und viele Inschriften waren einfach übersehen oder gar nicht dokumentiert worden. Das ist nun seit 2014 die Aufgabe der Wadi el-Hudi Expedition, über deren erste Stelenfunde auch wir schon 2015 berichtet hatten. Die Stätte sei so voll von Inschriften und Bildern, dass man fast hinter jedem Felsbrocken auf eines treffen könne, wird Dr. Liszka in der LiveScience zitiert. Neben offiziellen Inschriften sind es vor allem auch in den Felsen geritzte Zeichnungen, sogenannte Petroglyphen, die hier von den Soldaten und Arbeitern hinterlassen wurden.

Felszeichnungen (Petroglyphen) auf der Nilinsel Sehel

Die Inschriften reichen bis etwa 1900 v.Chr. zurück, die ältesten stammen also aus dem Mittleren Reich. In jener Zeit wurden in diesem Wüstengebiet Edelsteinvorkommen entdeckt und insbesondere der seltene, lilafarbene Amethyst, aber auch Gold und Kupfer, hier abgebaut. Um die Minen herum bildeten sich damals Siedlungen für die 1000-1500 Menschen: Arbeiter, Verwaltung, Versorgung, Soldaten – sie alle mussten irgendwo wohnen. Diese Siedlungsreste sind in Wadi el-Hudi noch erstaunlich gut erhalten. Ihre Mauern ragen teilweise noch die originalen 2m hoch aus dem Wüstenboden.

Die meisten der Ostraka sind dagegen jünger, viele „nur“ 2000 Jahre alt. In dieser Zeit wurden die Minenarbeiten hier anscheinend wieder aufgenommen, während sie in den 1500 Jahren dazwischen wohl geruht hatten. Dies ist jedenfalls der einzige Schluss, den die Forscher ziehen können, da es unzählige Keramikfunde aus dem Mittleren Reich (2000-1700 v.Chr.) und der griechisch-römischen Zeit (1.-4. Jh.n.Chr.) gibt, aber nicht eine einzige Scherbe aus den Epochen dazwischen gefunden wurde. Und Tonscherben seien die häufigsten Fundstücke in Siedlungsgebieten, wie uns Dr. Liszka noch einmal bestätigte.

Die Stele des Usersatet

Stele des Usersatet. Foto: mit frdl. Genehmigung der Wadi el-Hudi Expedition

Ein ganz besonderer Fund des Teams war eine Stele aus dem Neuen Reich mit dem Namen eines Vizekönigs von Kusch darauf: Usersatet. Während des Neuen Reichs gab es in Wadi el-Hudi aber ja keine Minenaktivitäten mehr und die Gegend war für über 1000 Jahre verlassen worden. Wie und warum also kam die Stele an einen zu dieser Zeit öden und unbewohnten Wüstenort? Genau wissen es die Wissenschaftler (noch) nicht, aber vielleicht besuchte Usersatet oder ein für ihn arbeitender Beamter die Minen, ohne sie allerdings anschließend wieder zu öffnen, schrieb uns Dr. Liszka.

Usersatet hatte dem Pharao Amenhotep II. (griech.: Amenophis II.) von Kindesbeinen an sehr nahe gestanden und von ihm den Titel „Königssohn und Aufseher über die südlichen Fremdländer“ erhalten. Von Usersatet gibt es etliche archäologische Nachweise im Süden des Landes. Neben mehreren Stelen und textlichen Erwähnungen gibt es auch eine Kapelle, die er zu Ehren seines Königs am Fuße der Bergfestung von Qasr Ibrim in den Fels schlagen ließ. Sie wurde vor dem Aufstauen des Nassersees dort abgebaut und ist heute im Nubischen Museum Assuan zu bewundern. In der leider stark beschädigten Figurengruppe an der Rückwand der Kapelle sitzt Amenhotep II. in der Mitte zwischen den Gottheiten Satet und Horus von Aniba. Seinen eigenen Namen hatte Usersatet in den Eingang gravieren lassen.

Kapelle des Vizekönigs Usersatet für Amenhotep II., urspr. Qasr Ibrim, heute Nubisches Museum Assuan

Die ungeklärte Versorgungs-Frage

Neben der Frage, wie die Stele des Usersatet in die damals vollkommen verlassene Minensiedlung kam, ist auch noch nicht geklärt, wie im Mittleren Reich die ca. 1000-1500 dort lebenden Menschen mit Nahrung und vor allem Wasser versorgt werden konnten. Reste von Tierknochen und Getreide wurde gefunden, aber wurden die wirklich für so viele Menschen hierher transportiert? Und was ist mit dem in einer Wüste nun mal kostbarsten Gut: dem Wasser? Die nächste mögliche Wasserstelle ist etwa 3 km weit weg und es gibt keine Hinweise darauf, dass es sie vor fast 4 Jahrtausenden hier bereits gab. Andererseits ist es beinahe unvorstellbar, dass man Wasser für 1000 Leute aus dem 30 km entfernten Nil holen musste.

Die Pyramidenfrage: Sklaven oder freiwillige Arbeiter?

Auch noch nicht ganz klar ist, ob die Minenarbeiter freiwillig oder als Gefangene hier arbeiteten. Die Forscher wissen also nicht, ob sie hier die Siedlungen freier Menschen oder ein Straflager ausgraben, sagte Dr. Liszka der LiveScience. Manche Inschriften erzählen davon, wie stolz die Arbeiter auf ihre Arbeit gewesen seien, in anderen ist zu lesen, dass Soldaten die Arbeiter bewachten – ob zu ihrem Schutz, oder damit sie nicht stiften gingen, steht leider nicht dabei. Vielleicht war es auch eine Mischung von Beidem: Auf ihrer Internetseite berichtet die Wadi el-Hudi Expedition von zwei Inschriften aus der Zeit Senuserets I. (griech.: Sesostris I.). In der ersten Inschrift aus dem 17. Regierungsjahr des Pharaos wird von „1000 starken Männern aus Theben“ berichtet, die zu den Minen gebracht wurden. Also wurden auch Ägypter als Minenarbeiter eingesetzt. Ob diese dafür bezahlt wurden, oder ob dies vielleicht eine Art Frondienst war, mit dem man bspw. seine Steuern durch Arbeit ableistete, können die Forscher (noch) nicht sagen.
In einer zweiten, undatierten Inschrift ist aber auch die Rede davon, dass Nubier dort „aus Ehrfurcht vor dem Gott (Pharao) als Sklaven arbeiteten“. Also wurden auch Menschen aus Fremdländern hier zum Arbeiten gezwungen. Dass aber bisher keine Leichname und keine Friedhöfe in Wadi el-Hudi gefunden wurden, legt den Schluss nahe, dass Verstorbene „zu Hause“ bestattet wurden, was nicht für ein Straflager spricht.

Gefahr durch moderne Minen

Es gibt daher noch viel zu tun für die Wissenschaft. Noch immer sind nicht alle bekannten 39 Stätten ausreichend erforscht. In den Lagerräumen der Antikenbehörde lagern inzwischen Tausende von Fundteilen, die noch auf ihre Untersuchungen warten. Und die Zeit wird knapp, denn moderne Goldschürfer – legale wie illegale – bedrohen die antiken Stätten. Und wo eine neue Mine aufmacht, wird zerstört, was 3-4 Jahrtausende alt ist: Siedlungsreste, Inschriften, Artefakte. Das Wadi el-Hudi Team um Dr. Liszka muss daher auch in der nächsten Saison unter hohem Zeitdruck wieder so viel wie möglich finden, dokumentieren und retten.

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