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Das Who-is-who der Mumien: Ramses V.

Die Mumie mit der Katalogbezeichnung CG 61085 war 1898 zusammen mit anderen Königsmumien im Grab KV35 gefunden worden, das in der 21. Dynastie als Mumienversteck für mehrere königliche Mumien, deren Gräber geplündert worden waren, genutzt wurde. Die Mumie Ramses‘ V. wurde am 25. Juni 1905 im Ägyptischen Museum Kairo von Grafton Elliot Smith ausgewickelt. Unter dem äußeren Leichentuch fand Smith einen Haufen zerrissener und lose auf den Leichnam geworfener Binden, von denen einige Spuren eines Ätzmittels aufwiesen. Darunter war die Mumie komplett entblößt.

Durch den 17 cm langen, elliptischen, weit offenen Einbalsamierungsschnitt auf der linken Bauchseite (auf dem folgenden Foto gut zu erkennen) konnte Smith die Eingeweide im Bauchraum sehen. Diese inneren Organe waren nicht bandagiert worden sondern lagen lose im ansonsten mit Sägemehl gefüllten Bauch. Dass die mumifizierten Eingeweide in den Körper zurückgelegt wurden, war in der 20. Dynastie, zu der Ramses V. gehörte, noch neu, wurde in der folgenden 21. Dynastie dann aber die übliche Praxis der Einbalsamierung.

Die ausgewickelte Mumie von Ramses V., aus : G.E.Smith: »The Royal Mummies«, Kairo 1912, gemeinfrei.

Das Gesicht war bei der Mumifizierung mit einer roten Farbe bestrichen worden, wie man es später, in der 21. Dynastie, bei vielen Priestern findet. Auf der Brust fand Smith eine 6 cm lange Haarlocke, zu der er leider keine weiteren Angaben macht, aus denen hervorgeht, ob es eigenes oder fremdes Haar war. Der Schädelraum war mit Leinenbinden von insgesamt 9 m Länge gefüllt, die bei der Einbalsamierung durch das rechte Nasenloch in den Schädel geschoben worden waren, ohne dass die Nase dadurch einen sichtbaren Schaden genommen hatte. Anschließend hatte man die Nasenlöcher und auch die Lippenspalte mit Wachs verschlossen. Unter den Augenlidern sollten kleine Leinenbündel die Augen nachbilden. Die Ohrläppchen waren durchstochen und diese Ohrlöcher stark vergrößert und viereckig. Im Gesicht und auf dem Schädel waren 3-4 mm lange, glatte, dunkelbraune Haare gewachsen.

Die Geschlechtsteile waren nicht, wie bei Ramses IV., separat bandagiert worden, sondern der Penis war bei der Bandagierung des Körpers nach rechts gegen den Oberschenkel und der Hodensack nach unten gelegt worden. Letzterer war so groß, dass Smith eine krankhafte Veränderung, wie einen Leistenbruch oder Hydrozele (Flüssigkeit im Hodensack) vermutete. In der rechten Leistenregion fand Smith eine ca. 2 cm große Geschwulst, die mit schwarzer Harzpaste bestrichen war, was eine genauere Untersuchung verhinderte. Smith vermutete, dass es eine Pestbeule sein könnte. Eine moderne Untersuchung dieser Geschwulst ist uns nicht bekannt.

Die trotz Plünderungen hervorragend erhaltene Mumie war 172 cm groß; Ramses V. war somit deutlich größer als sein Vorgänger (und vermutlicher Vater) Ramses IV., der nur 160 cm groß war. Mit 25-35 Jahren war Ramses V. bei seinem Tod auch erheblich jünger als sein Vorgänger, der über 50 Jahre alt wurde. Einzig sichtbarer Schaden, den die Plünderer der Mumie zugefügt hatten – abgesehen davon, dass sie sie komplett von ihrer Bandagierung befreit hatten –, waren abgeschnittene Fingerspitzen an der linken Hand sowie der Haut einiger Fingerknöchel. Dies geschah vermutlich, als die Räuber mit einem sehr scharfen Messer die Bandagen von der Mumie schnitten.

Ein Loch im Kopf

Schädel der Mumie von Ramses V. Aus : G.E.Smith: »The Royal Mummies«, Kairo 1912, gemeinfrei.

Im Schädel der Mumie fand Smith ein 3,4 × 1,9 cm großes Loch, an dessen hinterem Rand die Schädelhaut 2 cm weit abgelöst und wieder zurückgerollt worden war. Das konnte nur möglich gewesen sein, als die Haut noch weich war, notierte Smith. Um diese Verletzung herum ist die Haut dunkel verfärbt. Ob es sich hierbei um Blut handelt, das dann wahrscheinlich während des Zustandekommens der Verletzung ausgetreten wäre, konnte Smith nicht entscheiden, weil die damaligen Nachweismethoden bei so alten Gewebeproben nicht funktionierten. Leider ist uns auch keine moderne Untersuchung bekannt, die sich mit dieser Kopfverletzung näher befasst hat, was erstaunlich ist, da diese Verletzung ja nach Smiths Schlussfolgerungen als Todesursache infrage kommt.

Nun finden sich Kopfverletzungen bei vielen Mumien. Die meisten davon wurden von Grabräubern verursacht und sind daher für moderne Forschungen nicht von großem Interesse. Grafton Elliot Smith, der im späten 19. und frühen 20. Jh. diese und viele andere Mumien ausgewickelt hatte, war aber ein Fachmann auf diesem Gebiet und dazu ein Professor für Anatomie. Er setzt diese Verletzung klar von denen anderer Mumien ab, wie bspw. Ramses IV. und Ramses VI., bei denen die Kopfverletzungen definitiv post mortem erfolgten, als die Haut (in Smiths Worten) „trocken und papierartig“ war. Bei dieser Mumie ist er sich dagegen sicher, dass diese Verletzung vor oder kurz nach dem Tod Ramses‘ V. geschehen sein muss – und dies ist nach unserer Kenntnis durch moderne Untersuchungen auch nicht widerlegt. Mangels anderer Erklärungen, wie dieses Loch vor oder direkt nach dem Tod in Ramses‘ Schädel gekommen sein soll, darf daher auch diese Verletzung als mögliche Todesursache nicht außer Acht gelassen werden.

Bläschen, Pusteln, Pocken

Im Gesicht, auf der Brust und den Armen, sowie am unteren Bauch und in der Genitalregion der Mumie sind kleine Bläschen sichtbar, die von ihrer Erscheinung und Verteilung her an Pocken erinnern. Dies gilt daher heute als die wahrscheinliche Todesursache.

Pusteln im Gesicht der Mumie von Ramses V,. Ausschnitt eines Fotos aus: G.E.Smith: »The Royal Mummies«, Kairo 1912, gemeinfrei.

Leider konnten aber auch moderne Untersuchungen bzgl. dieser möglichen Todesursache keine Klarheit bringen, weil bisher eine Gewebeentnahme nicht gestattet wurde und die in den Binden gefundenen Kleinstgewebeteile keine eindeutigen Ergebnisse zuließen. Auch eine Begutachtung der Fußsohlen und der Handinnenseiten, wo Pockennarben charakteristisch wären, konnte bislang nicht erfolgen. Eine andere Erklärung für die Pusteln könnten aber auch Natronkristalle sein, die sich gebildet haben könnten, nachdem der Leichnam in flüssigem Natron gelegen hatte. Falls Ramses V. aber tatsächlich an Pocken gestorben sein sollte, wie es von den meisten Forschern vermutet wird, so kann es sich nicht um eine größere Epidemie gehandelt haben, denn es sind nur drei andere Mumien mit ähnlichen Pusteln bekannt, die aus früheren Zeiten (18. und 19. Dyn.) stammen.

Erst 2 Jahre später bestattet?

Zwei Rätsel umgeben diese Mumie: Zum einen wurde Ramses V. laut der Beschreibung auf einem Ostrakon, einer Tonscherbe, erst im Jahr 2 der Regierung seines Nachfolgers Ramses VI. bestattet. Genaugenommen nennt das Ostrakon den 1. Tag des 2. Monats der Jahreszeit Achet, also der Zeit der Überschwemmung, in Regierungsjahr 2 des Ramses VI. Das ist äußerst ungewöhnlich, denn normalerweise dauerte die Zeit der Einbalsamierung exakt 70 Tage, an deren Ende dann auch die Bestattung vorgenommen wurde. Dann hätte die Bestattung aber im dritten Monat des ersten Jahres der Regierungszeit von Ramses VI. stattfinden müssen, denn die Regierungszeit des Nachfolgers begann ja üblicherweise erst mit dem Tod des Vorgängers.
Als Grund für eine verzögerte Bestattung könnten libysche Stämme infrage kommen, die zu dieser Zeit in Ägypten eingefallen und auch bis nach Theben vorgerückt waren. So geht aus dem Papyrus Turin 2044 hervor, dass die Arbeiten am Grab Ramses V. (heute KV9) wegen dieser libyschen Eindringlinge mehrmals gestoppt werden mussten. Sein Grab war also vielleicht noch nicht fertig, oder die Situation war 70 Tage nach seinem Tod noch nicht so sicher, als dass man Ramses V. zum üblichen Zeitpunkt in dem für ihn vorgesehenen Grab hätte bestatten können. Das ist die am häufigsten geäußerte Vermutung für die verzögerte Bestattung.

Möglich wäre aber auch, dass Ramses V. bereits vor seinem Tod von seinem Nachfolger abgesetzt wurde. Ramses VI. war immerhin der Onkel Ramses‘ V. und vielleicht ging dieser Machtwechsel ausnahmsweise unblutig vonstatten. Natürlich könnten beide auch eine zeitlang gemeinsam regiert haben, weil z.B. Ramses V. schwer erkrankt war und Ramses VI. in den letzten beiden Jahren der Krankheit die Regentschaft übernahm. Und später hatte er diese Jahre der Regentschaft dann einfach zu seiner Regierungszeit hinzu gezählt, die dann also noch zu Lebzeiten Ramses‘ V. begonnen hätte. Auch dies sind allerdings nur Vermutungen, für die es keine historischen Belege gibt.

Pocken oder nicht? Epidemiologische Bedeutung

Eine zweite bislang ungeklärte Frage ist die nach der Todesursache. Aufgrund der Pusteln an verschiedenen Körperstellen gilt es als sehr wahrscheinlich, dass Ramses V. an Pocken starb, aber einen schlüssigen Beweis dafür hat man mangels geeigneter Gewebeproben bisher nicht liefern können. Genaugenommen gibt es noch nicht einmal einen Beweis dafür, dass es die Pocken in der Antike überhaupt schon gab. Für das spezielle Pockenvirus, das seit dem Mittelalter in verschiedenen Regionen der Welt immer wieder ausbrach und das erst seit wenigen Jahrzehnten durch eine weltweite Impfkampagne als „offziell ausgerottet“ bezeichnet werden kann, konnten Epidemiologen in einer Studie von 2016 nachweisen, dass dieser Erreger sich erst um 1580 entwickelt haben kann.

Bild aus: G.E.Smith: »The Royal Mummies«, Kairo 1912, gemeinfrei.

Was also waren die Krankheiten, von denen wir aus unzähligen historischen Quellen wissen, dass sie auch in der Antike die Menschen in Epidemien dahinrafften? Schon im alten Testament wird von einer Seuche mit Pusteln berichtet und auch aus dem alten Ägypten gibt es Berichte über eine tödliche Krankheit – Uhedu oder Uhet genannt –, die mit Hautgeschwüren einherging. Aber aus solchen historischen Berichten lässt sich eben nicht eindeutig festlegen, ob es sich dabei wirklich um eine Form der Pocken gehandelt hat. Mumien sind hier quasi die einzigen Gewebequellen, anhand derer man versuchen könnte, solche Krankheitserreger oder ihre Auswirkungen zu untersuchen. Insofern wäre es aus epidemiologischer Sicht wirklich wichtig, an dieser Mumie entsprechende Untersuchungen vorzunehmen, schreibt der Ägyptologe Michael. E. Habicht in dem Buch »Unter dem Siegel der Nekropole, Vol.4«, in dem mehrere Forscher über 20 Mumien – und die bekannten Untersuchungsergebnissem zu diesen – vorstellen. Vielleicht könnte durch solch eine Gewebeuntersuchung der Beweis erbracht werden, dass es eine Variante der Pocken tatsächlich auch schon in der Antike gab. Aus nachvollziehbaren Gründen haben die ägyptischen Behörden allerdings bislang jede Anfrage auf Gewebeentnahme verweigert, um die Integrität dieser ansonsten hervorragend erhaltenen Mumie nicht zu verletzen. Und so bleibt die Vermutung, dass Ramses V. an Pocken starb, genau das: nämlich eine auf Indizien basierende Vermutung.

Ramses V. war der vierte Pharao der 20. Dynastie. Er war vermutlich ein Sohn von Ramses IV. und somit ein Enkel von Ramses III. Er regierte etwa 4 Jahre lang und starb bereits im Alter von 25-35 Jahren. Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt. Ihm folgte sein Onkel Ramses VI. auf dem Thron.

Die Bilder stammen aus dem „Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée du Caire“ mit dem Titel »The Royal Mummies«, von Grafton Elliot Smith, Kairo 1912, dessen Copyright abgelaufen ist.

3 Gedanken zu „Das Who-is-who der Mumien: Ramses V.“

  1. Hallo,
    Kann man mir jemand einen Buch über pharaonen Mumien empfehlen? Ein Buch dass in dem alle Mumien mit Fotos gezeigt worden sind. Es wäre sehr nett. Ich hatte bis jetzt zwei gekauft einmal von Zahi Hawass und die andere Die Mumien, beide leider nicht vollständig

  2. Ich glaube nicht, dass es ein Buch mit ALLEN ägyptischen Königsmumien gibt. Kostenlos kann man jedenfalls in den im Artikel erwähnten Catalogue Général von G.E.Smith hineingucken, der allerdings in Englisch und tlw. Französisch ist. Vorn der Text, auf S.117/118 die Inhaltsübersicht und dahinter die Fotos.

  3. Ich empfehle von Renate Germer „Mumien-Zeugnisse des Pharaonenreiches“
    Da geht´s eher um die Techniken de verschiedenen Epochen

    Viele Fotos gibt´s bei „Faces of Pharaohs-Royal Mummies and coffins from Ancient Thebes“
    von Robert B. Partridge.
    Hier geht es um die Mumien und Särge aus der Cachette. Mit Artikeln zu jeder einzelnen Mumie.

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