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„… er hat überhaupt nicht gebohrt!“ – ptolemäische Mumie hatte Zahnfüllung

Aus antiken Schriften weiß man, dass es im alten Ägypten Ärzte gab, die sich auf bestimmte Fachrichtungen spezialisiert hatten. Erstmals konnte nun der Fund einer Zahnfüllung bei einer Mumie beweisen, dass es unter diesen Ärzten auch Zahnspezialisten gegeben haben muss, die mehr konnten, als nur Tinkturen zu verordnen oder Zähne komplett zu ziehen.

Im vergangenen Jahr wurden die Mumien des Redpath Museums der kanadischen Elite-Uni McGill University bereits zum zweiten Mal einem CT-Scan unterzogen. Beim ersten Scan 1995 waren Schnittbilder alle 3mm gemacht worden, und bereits damals konnte man in einem Zahn eine feste Masse erkennen, die man aber nicht genauer bestimmen konnte. Mit hochauflösender CT-Technik war es nun möglich, alle 0,5mm ein Querschnittsbild zu machen und daraus 3D-Modelle zu erstellen. So konnte man die Zähne aus allen Richtungen betrachten und auch die 1995 entdeckte „feste Masse“ genauer untersuchen.

Bei der Mumie RM2718, die „Thebanischer Mann“ genannt wird, handelt es sich um den Leichnam eines jungen Mannes, der wahrscheinlich 20 bis 30 Jahre alt wurde. Untersuchungen der Leinenbinden zeigen, dass er etwa 360-350 v.Chr., also in der ptolemäischen Periode, gelebt hat.

Der Zustand seiner Zähne war so schlecht, dass eine daraus resultierende Entzündung eventuell sogar die Todesursache gewesen sein könnte. Viele Zähne waren durch Karies angegriffen. In zwei benachbarten Backenzähnen fand man einen großen Hohlraum, in dem die besagte Zahnfüllung entdeckt wurde. Die Forscher sprechen hier allerdings nicht von einer Füllung sondern von einer „Packung“ (dental packing), da eine Füllung stets zur konstruktiven Festigkeit des Zahns beitragen müsse. Die hier gefundene Masse weist aber eine nur geringe Dichte auf und besteht wahrscheinlich aus einem leinenartigen Material. Mit 7,7 × 7,1 mm ist diese Masse größer als das 5,5 × 6,8mm große Loch, das zu dem Karieshohlraum führt. Es ist daher nicht möglich, dass der Gewebeklumpen versehentlich in den Hohlraum gelangte.


Zahnpackung in der Aushöhlung des ersten und zweiten linken Backenzahns, Foto: Dr. Andrew D. Wade

Ebenso ist es unwahrscheinlich, dass das Füllmaterial erst beim Einbalsamierungsprozess in die Zähne gestopft wurde, meint Dr. Andrew D. Wade, ein Spezialist für die Auswertung medizinischer Bilder von Skeletten und Mumien. Zwar ist bekannt, dass ägyptische Einbalsamierer fehlende Körperteile, manchmal auch fehlende Zähne, aus geeigneten Materialien nachgebildet haben, damit die Verstorbenen ihr ewiges Leben „unversehrt“ weiterleben konnten, aber sie hätten wohl kaum ein einziges von mehreren Löchern in den Zähnen gefüllt.

Die Zahnpackung müsste also zu Lebzeiten als eine bewußte Behandlungsmethode eingesetzt worden sein. Sie könnte der Schmerzlinderung gedient haben, wenn sie mit einem entsprechenden Mittel wie Feigensaft, Zedernöl oder einem Opiumderivat getränkt war. Andere in der Zahnbehandlung jener Zeit verwendete Substanzen waren Bitumen, Ocker, Malachit oder Olivengummi. Vielleicht sollte die Packung aber auch nur verhindern, dass Essensreste in das Loch gelangen konnten oder sollte einfach den Zahnnerv vor schmerzhaftem Kontakt schützen.

Die Zähne der alten Ägypter waren starken Belastungen ausgesetzt, vor allem verursacht durch das grob gemahlene Mehl, in dem auch der Abrieb des Mahlsteins und Sand enthalten sein konnte. Dies führte zur starken Abnutzung des Zahnschmelzes, was es Bakterien erleichterte, die Zahnhälse anzugreifen. Schlechte Zähne waren also weit verbreitet in allen gesellschaftlichen Schichten Ägyptens. Selbst von dem großen Pharao Ramses II. weiß man aus Untersuchungen seiner Mumie, dass er erhebliche Zahnschmerzen gehabt haben muss.

Dr. Wade hofft, dass zukünftig noch viel mehr Mumien mit den neuesten Techniken gescannt werden können, da aufgrund der technischen Entwicklung heutige Scans weit mehr Untersuchungsergebnisse liefern könnten, als dies vor 15 oder 20 Jahren möglich war.

Mehr Bilder und sogar ein kurzes Video eines rotierenden 3D-Modells der Backenzähne mit der Füllung findet ihr auf DrBicuspid.com sowie im Blog „Are You My Mummy?“ von Dr. Andrew D. Wade, der uns freundlicherweise auch die Verwendung seiner Bilder erlaubte.