In Esna hat das Restaurationsteam die Arbeiten an der Decke und den Säulen im Innenbereich weitgehend fertiggestellt. Seit Anfang dieses Jahres bearbeiten die ägyptischen Fachleute nun die Innenwände. Dabei legten sie wieder einmal Szenen frei, deren bislang unbekannte Bemalungen und Farben neue Erkenntnisse über die dagestellten Opferungen, die Götter, sowie die Throne und Kleidung der Könige ermöglichen.
Seit 2018 arbeitet ein deutsch-ägyptisches Team unter der Leitung von Dr. Hisham El-Leithy (Tourismus- und Antikenministerium) und Prof. Christian Leitz (Universität Tübingen) daran, den Schmutz und Ruß — die Tempelvorhalle wurde über Jahrhunderte als überdachte Feuerstelle genutzt — von den ansonsten gut erhaltenen Reliefs zu entfernen. Bereits mehrfach berichteten wir darüber, was unter der schwarzgrauen Schmutzschicht alles zum Vorschein gekommen ist. Die Vorher-Nachher Bilder sind einfach überwältigend.
In diesem Jahr wandten sich die Restaurator:innen nun den Innenwänden zu. An der Innenseite der Nordwand hatte man wohl 2018 bereits begonnen, sich in den Folgejahren dann aber auf die Decke und die Säulen konzentriert. Nun hat man die Innenseite der Südwand und den südlichen Teil der Westwand restauriert. Die Farbpalette dieser Wandreliefs beruht dabei hauptsächlich auf Gelb- und Rot-Tönen. Damit setzen sich diese Szenen von ähnlichen ab, die man im Tempel von Dendera finden kann, wo Weiß und Hellblau dominieren.
Dabei freuten sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders über die vielen Details der Kleidung des Königs und der Gottheiten sowie deren Kronen und Throne, die vorher unter der schwarzen Rußschicht überhaupt nicht zu sehen waren, sagt Prof. Leitz in einer Presseerklärung der Uni Tübingen. Vorher waren quasi nur die Umrisse der Hieroglyphen und Reliefs bekannt; jetzt sieht man auch die gemalten Details und die verwendeten Farben — denn auch die Details dieser Bemalungen sind wichtig und liefern neue Informationen. So sah man erst jetzt, dass in einer Szene auf dem Rock des Königs Pflanzen dargestellt waren: zum einen Papyrus (oben), der für Unterägypten steht, zum anderen die Lilie (unten), ein Symbol für Oberägypten. Mit dieser Dekoration seines Kleidungsstücks zeigte der König unmissverständlich, dass er Herr über beide Landesteile, also über ganz Ägypten war.
„Die vielleicht spektakulärste Szene ist die mit der heiligen Barke der lokalen Gottheit Chnum, die den Schrein des Gottes trägt“, schwärmt Leitz. Die Barke wird in dieser Szene von insgesamt 18 Priestern getragen. Bei einer solchen Prozession, die nur zu wenigen Anlässen im Jahr stattfand, konnte auch die Bevölkerung einmal dieses Kultobjekt sehen, das sonst im Allerheiligsten des Tempels stand, zu dem nur ausgewählte Priester Zugang hatten. Den hinteren Teil dieser Szene sehen wir ganz oben im Titelbild: die Barke mit ihren Ruderern, getragen von Priestern, darauf der Schrein des Gottes Chnum, der Hauptgottheit in Esna. Den ebenfalls interessanten Vorderteil dieser, laut Prof. Leitz „spektakulärsten Szene“ zeigen wir nun hier:
Vor der Spitze der Barke, die vorne wie hinten von neun Priestern getragen wird, stehen der König und der Hohepriester im Leopardenfell. Der König opfert Chnum vier Räuchergefäße, der Priester eine Töpferscheibe. Der Gott Chnum wurde als Schöpfergott angesehen und man stellte sich vor, dass er die Menschen auf seiner Töpferscheibe aus Ton erschuf und ihnen dann Leben einhauchte.
Erstaunlich auch die Farbigkeit einer Reihe von Namenskartuschen des Königs Ptolemaios VI., die um zwei Darstellungen des widderköpfigen, hockenden Gottes Chnum herum angeordnet sind. In der Zeile darunter findet sich im Hieroglyphentext eine waagerechte Kartusche mit rotem Hintergrund, die den Namen Kleopatra enthält. Gemeint ist hier allerdings nicht die berühmte Kleopatra, die heute die Nummer VII trägt, sondern vermutlich Kleopatra II., welche die Ehefrau (und Schwester) des Ptolemaios VI. war.
Interessant auf diesem Bild sind auch die Streifen mit Metallstiften, die über dem Fries aufgebracht wurden, um zu verhindern, dass dort Vögel sitzen können. Diese „Taubenpieker“ wurden inzwischen auch auf den Säulenkapitellen angebracht. Vogelkot war, neben Ruß, eine der weiteren ganz großen Schmutzquellen, welche die Reliefs und Inschriften über Jahrhunderte abgedeckt hatten.
Im kommenden Winter will das Team nun die Restaurierung der sechs vorderen Säulen des Tempels in Angriff nehmen — eine Arbeit, die wegen der Temperaturen nicht im Sommer stattfinden kann. Wir wünschen dem deutsch-ägyptischen Team weiterhin so tolle Erfolge bei der Freilegung der ursprünglichen Farben und sind mehr als gespannt auf das erste Foto, das die Tempelfassade, die bisher eher einfarbig ockergrau rüberkommt, dann mit hoffentlich farbenprächtigen Säulen und Reliefs zeigt.
Leider wurde dieser Tempel von den Touristen und Ägyptenliebhabern vernachlässigt. Wie man jetzt erkennen kann absolut zu Unrecht. Bin mal wieder Hier und habe den Tempel Anfang Oktober besucht. Das erste Mal das ich total begeistert war. Gratulation an alle Restauratoren und akademischen Mitarbeiter, denn es sind nicht nur die Farben, sondern auch die neu entdeckten Tierkreiszeichen.
Absolut sehenswert.