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Hatschepsut in Swansea

Während einer sogenannten „handling session“, in der Studenten der Ägyptologie echte Artefakte anfassen, hochheben und studieren können, wurde in der Universität der südwalisischen Stadt Swansea ein Relieffragment entdeckt, das vermutlich die Königin Hatschepsut darstellt. Das eigentlich aus zwei Kalksteinfragmenten, die jedoch an der Bruchstelle zusammengeklebt sind, bestehende Arterfakt war einmal Teil eines Reliefbildes an einem Tempel oder einem Grab. Das beweisen die Schnittspuren auf der Rückseite der nur 5cm dicken Steinplatten.

Für seinen Uni-Kurs über altägyptische Kunst und Architektur hatte Dr. Kenneth Griffin alte Schwarzweißfotos von den Lagerbeständen des Egypt Centre der Universität durchgesehen, um Stücke für die geplante Handlingsession zu finden. Dabei war ihm dieses Fragment gleich interessant erschienen. Es zeigt den Kopf eines Herrschers, erkennbar an der Uräusschlange, dem leider das Gesicht fehlt. Ein Kopfband hält die Perücke, hinter dem Kopf ist ein Palmwedel und über dem Kopf sind Hieroglyphen zu sehen.

Ähnlichkeiten mit Hatschepsut

Während der Session selbst entdeckten Dr. Griffin und seine Studenten dann einige markante Details, wie die Art der Frisur, der Übergang zwischen Kopfband und Uräusschlange und die Dekoration des Fächers. Alles weist Ähnlichkeiten mit der Ikonografie am Hatschepsuttempel in Deir el-Bahari auf. Und das feminine Pronomen, das in den Hieroglyphen zu erkennen ist, macht es sehr wahrscheinlich, dass dies die Abbildung einer Frau ist.

Entdeckung am Weltfrauentag

„Uns fiel die Kinnlade auf den Boden, als wir erkannten, was es wirklich war“, sagt Dr. Griffin. Erst später sei ihm aufgefallen, dass sie diese Entdeckung ausgerechnet am internationalen Frauentag gemacht hatten. Griffin schmunzelnd: „Hatschepsut weiß wirklich, wie man einen spektakulären Auftritt hinlegt“.

Akte X: Ein Gesicht auf der Rückseite

Vorder- und Rückseite sowie Fotomontage von beiden. Copyright: The Egypt Centre, Swansea Universität

Es wird aber noch etwas mysteriöser: Das obere der beiden zusammengeklebten Fragmente weist auf der Rückseite ein Gesicht auf. Auf der Rückseite!?! Reliefs haben keine Rückseite – sie sind in den Stein gemeißelt! Was also macht hier ein Gesicht? Dr. Griffin erklärt sich das so: Ein übereifriger Antikenhändler oder Auktionator, oder vielleicht auch einer der Vorbesitzer, wollte das fehlende Gesicht des unteren Fragments ergänzen. Dafür nahm man den oberen Teil und gravierte darauf ein Gesicht, das perfekt zu dem Kopf mit Perücke passte. Dann schnitt man es so zu, dass man es auch von der Form her mit dem unteren Stück zusammenfügen konnte. Ein Relief mit einem vollständigen Königskopf wäre vermutlich erheblich mehr wert gewesen. Und wenn man die beiden Stücke heute fototechnisch zusammenmontiert, sieht man, wie es wohl einmal gedacht war.

Griffin hat seine Erkenntnisse nun an die polnische archäologische Delegation weitergeleitet, die seit Jahrzehnten am Totentempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari gräbt, wiederaufbaut und forscht. Vielleicht wird es irgendwann gelingen, die genaue Stelle auszumachen, an der das Relief ursprünglich einmal angebracht war.
Die Studenten, die an der Handlingsession teilgenommen haben, sind jedenfalls stolz wie Bolle, dass sie eventuell an einer historischen Entdeckung teilgenommen haben und werden diese Unterrichtsstunde sicher nie vergessen.

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