Den Vorwurf, Howard Carter habe aus Tutanchamuns Grab heimlich einige Grabbeigaben beiseite geschafft, gab es schon immer. Ein Beweis dafür konnte aber nie erbracht werden. Jetzt, 100 Jahre später, soll ein solcher Beweis angeblich aufgetaucht sein in Form eines bisher unbekannten Briefes, dessen Veröffentlichung in Kürze erfolgen soll.
Rechtzeitig zum Jubiläum: ein neues Buch
In diesem Jubiläumsjahr – die Entdeckung des Grabes von Tutanchamun ist exakt 100 Jahre her – ist die Aufmerksamkeit der Medien für alles, das mit diesem König zu tun hat, besonders groß. Es macht daher durchaus Sinn, einen Beitrag zu diesem Thema möglichst in diesem Jahr herauszubringen, gleichgültig, ob es sich um eine Ausstellung, einen neuen Bildband oder ein Buch handelt. Bob Brier, ein amerikanischer Ägyptologe von der Long Island University, der hauptsächlich als Mumienexperte bekannt ist, macht nun genau dies: Er kündigt ein neues Buch über die Entdeckung des Grabes an. Es wird »Tutankhamun and the Tomb that Changed the World« heißen und von der Oxford University Press im Oktober dieses Jahres herausgebracht werden (Vorbestellungen möglich bei Amazon oder direkt beim Verlag).
Wie jeder Autor eines neuen Buches macht auch Brier im Vorfeld der Veröffentlichung nun Werbung für sein Buch. Und was würde den Verkaufszahlen besser auf die Sprünge helfen, als ein Skandal? Hier ist er: Howard Carter soll tatsächlich bereits vor der offiziellen Öffnung des Grabes heimlich darin gewesen sein und Dinge entwendet haben, berichtet Brier in einem von Dalya Alberge verfassten Artikel der britischen Sonntagszeitung »The Observer«, die Teil des Medienkonzerns »The Guardian« ist.
War Carter heimlich in Tuts Grab?
Schon früher hatten manche Ägyptologen vermutet, dass das Grab nicht, wie von Carter behauptet, bereits in der Antike beraubt (und wieder neu versiegelt) worden war, sondern dass dies vielleicht nur vorgetäuscht war, um einen Einbruch in „modernen Zeiten“ zu verdecken. Bereits 1947 soll ein gewisser Alfred Lucas, ein Angestellter Carters, in einem „obskuren wissenschaftlichen Journal in Kairo“ (Zitat aus dem o.g. Artikel) berichtet haben, dass Carter tatsächlich heimlich die Tür zur Grabkammer geöffnet hatte. Danach hatte er anscheinend die Versiegelung wieder angebracht und die Öffnung wieder abgedeckt, hatte Lucas gesagt. Laut Brier lassen die gefundenen Briefe nun keinen Zweifel mehr, dass Carter tatsächlich Artefakte aus Tutanchamuns Grab gestohlen hat.
Die Beweisstücke: ein Brief und ein Amulett
Der Brief, um den es hauptsächlich geht, befindet sich in einer privaten Sammlung. Sir Alan Gardiner hatte ihn 1934, also 12 Jahre nach der Entdeckung des Grabes, an Howard Carter geschrieben. Gardiner war einer der weltweit führenden Hieroglyphen-Experten (noch heute ist die sogenannte „Gardiner-Liste“ das Standardwerk) und Carter hatte ihn mit der Entzifferung von Hieroglyphen aus dem Grab beauftragt. Später schenkte er Gardiner ein sogenanntes „whm“-Amulett (whm bedeutet Wiederholung), das im Alten Ägypten für die Opfergaben an die Verstorbenen verwendet wurde. Dabei hatte Carter angeblich versichert, dass dieses Amulett natürlich nicht aus dem Grabschatz des Tutanchamun stamme.
Irgendwann hatte Gardiner dann dieses Amulett dem damaligen Direktor des Ägyptischen Museums in Kairo, Rex Engelbach, gezeigt, der feststellte, dass es exakt anderen Exemplaren aus dem Grab glich und definitiv aus derselben Herstellung stammte. Erzürnt gab Gardiner an Carter weiter, was Engelbach ihm geschrieben hatte, nämlich: „Das whm-Amulett, das Sie mir gezeigt haben, wurde zweifelsfrei aus dem Grab des Tutanchamun gestohlen“. Danach schreibt Gardiner: „Ich bin zutiefst bestürzt, in welch peinliche Lage ich geraten bin!“ und weiter: „Natürlich habe ich Engelbach nicht gesagt, dass ich das Amulett von Ihnen bekommen habe“.
Wie glaubwürdig ist der Vorwurf?
Bei aller oben durchscheinenden Süffisanz über die Mittel und Wege, die Autoren zur Bewerbung eines neuen Buchs ergreifen, muss man Bob Brier doch zugute halten, dass er ein ernst zu nehmender und angesehener Wissenschaftler ist, der seit Jahrzehnten in verschiedenen Zweigen der Ägyptologie forscht. Besonders bekannt ist er als Fachmann für Mumifizierungspraktiken, der viele berühmte Mumien, darunter auch die des Tutanchamun, untersucht hat. Sein demnächst erscheinendes Buch ist daher sicher lesenswert und die Belege, die er für Carters Diebstähle gefunden haben will, sollten ernsthaft geprüft werden, zumal auch der Verfasser des Briefes, Sir Alan Gardiner, ein führender und anerkannter Wissenschaftler war.
In dem Buch schreibt Brier auch, dass die ägyptischen Behörden bereits in der Ausgrabungszeit Bedenken ob der Ehrlichkeit Carters hatten. So hatte ihn die ägyptische Regierung sogar einmal offziell aus dem Grab ausgesperrt, schreibt Brier. Ein anderes Mal wurde überraschend das Grab Nr. 4 überprüft, das Carter damals als Lagerraum benutzte. Dabei fand man einen lebensgroßen, hölzernen Kopf des jungen Tutanchamun (heute als »Kopf des Nefertem« bekannt), den Carter in eine Kaufhauskiste gepackt hatte und der in keiner Fundliste notiert war. Carter hatte das damit gerechtfertigt, dass der Kopf nicht direkt aus dem Grab stamme sondern in dem Geröll gefunden worden war, das den abfallenden Gang vor dem Grab gefüllt hatte.
Aber auch andere Objekte aus dem Grab waren später auf ägyptischen Antikenmärkten aufgetaucht, schreibt Brier. Einige landeten sogar in den großen Museen dieser Welt. So gab bspw. das Metropolitan Museum of Art im Jahr 2010 ganze 19 Artefakte an Ägypten zurück, die es in den 1920er und 1930er Jahren erworben hatte und die „mit Sicherheit dem Grab Tutanchamuns zugeordnet“ werden konnten. Das Thema wird, vor allem in diesem Jahr, sicher noch für weitere Diskussionen sorgen!
Mache Menschen tun für Umsatz und Erfolg alles. Man hat die Spuren der antiken Grabräuber schon in den Steinen gefunden, mit denen der Gang zum Grab ausgefüllt war. Auch die Unordnung im Nebenraum der Vorkammer spricht dafür!
Darüber gibt es schon lange Gerüchte und nicht alle news sind fake news no. Abwarten, bin gespannt. Danke für den Artikel.
Gern geschehen!
Ich denke, man sollte auf mehr Informationen warten, bevor man es be- oder verurteilt. Es wird in dem Artikel von „Briefen“ (Plural) gesprochen, aber bisher sind erst 3 Sätze aus einem einzigen Brief bekannt. Warten wir mal ab, was noch herauskommt…
Howard Carter hat nie wirklich die Anerkennung für seine hervorragende Arbeit erhalten, die er verdient hat. Wieviele haben als Kind, als Jugendlicher die Geschichte seiner Entdeckung gelesen, die grandiosen Artefakte bewundert und wieviele hat durch ihn eine Leidenschaft für die Ägyptologie erfasst, die für immer bleiben wird.
Kann man es ihm und Lord Carnarvon verdenken, in jener Nacht hinter die letzte Mauer im Grab des jungen Pharaos zu blicken ?
Es ist bewiesen und nicht richtig gewesen, Gegenstände zu entwenden und waren sie noch so klein. Seltsamerweise wollte Howard Carter, dass seine Nichte die Gegenstände nach seinem Tod bestimmten Museen übergeben sollte. Das MET-Museum hat diese an Kairo zurückgegeben. Interessanterweise hat Howard Carter indirekt dazu beigetragen, denn es gab ja Schriftliches dazu von ihm. Wenn es Artefakte aus Tutanchamuns Grab gibt, die durch Briefe wieder ihren Weg zur Öffentlichkeit zurückfinden – grandios !
Was ist in den anfänglichen Jahren der Ägyptologie nicht alles zerstört, gestohlen und illegal gehandelt worden ist und von wem…es ist ein weites Feld !
Selbst Zahi Hawass schreibt in seinem spannenden Buch „Auf den Spuren Tutanchamuns“: „Howard Carter ging sehr sorgfältig mit den von ihm gefundenen Schätzen um. Und schon als Chefinspektor von Theben-West liebte er aufrichtig Ägypten und die Ägypter. Wir sollten uns dessen erinnern und sein Vermächtnis, das nicht nur Ägypten gehört, sondern der ganzen Welt, weiterhin auf bestmögliche Art und Weise bewahren.“
Ich bin ein Howard Carter Fan. Er hat uns mehr gegeben, als er genommen hat.
Ich, an stelle von Carter hätte vielleicht auch was heimlich mitgehen lassen 🙂
Was hat denn Carter für einen Finderlohn bekommen?
Ohne sein langes Bemühen und seine jahrelange hartnäckigkeit hätten wir heute wahrscheinlich kein Grab des Tut Anch Amun zu bestaunen!
Vor einigen Jahren hat ein Fernsehteam den Nachfahren von Lord Carnavon besucht. Er zeigte den Besuchern im Schloss ein verstecktes Schrankfach in einer Doppeltür. Dort befanden sich sich kleine Artefakte wie Skarabäen, Fragmente und Plättchen mit dem Namen von Tut , die aus dem Tut-Grab stammten, wie er betonte. Der Film wurde auch in Dtl. gesendet.