Im Jahr 2009 begann ein Team des Getty Conservation Instituts im Auftrag des ägyptischen Antikenministeriums damit, das Grab des Tutanchamun zu restaurieren. Durch die Revolution und die anschließenden unsicheren Jahre dauerte es fast 10 Jahre, bis die Arbeiten nun endlich abgeschlossen werden konnten. Auf einem Symposium in Luxor am 31. Januar wurden nun einige Details der Restaurierung genannt.
Ausgangspunkt der Arbeiten war eine gründliche Untersuchung des Grabes, um zu verstehen, wie es gebaut und dekoriert worden war. So fand man z.B. heraus, dass es technische Unterschiede und Ungereimtheiten in der Farbzusammensetzung, dem Farbauftrag und der Maltechnik auf den verschiedenen Wänden gibt und dass auf einer Wand gar keine Grundierung unter der Bemalung gemacht wurde. All dies passt zu dem Bild, das wir heute vom Entstehen dieses Grabes haben, nämlich dass es plötzlich und in aller Eile fertiggestellt werden musste, als Tutanchamun überraschend im Alter von 19 Jahren starb. Auch die nur geringe Größe des Grabes und die Tatsache, dass nur ein einziger der vier Räume mit Wandbemalungen versehen wurde, passt in dieses Bild.
Zu den Problemen, die zu Beginn des Restaurierungsprozesses ausgemacht wurden, zählten neben den vielen braunen Flecken, welche die Gemälde übersäten, auch die starken Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und der durch die Besucher hereingetragene Staub, der sich überall, auch auf den Wandbemalungen, ablagerte. Die beiden letztgenannten Probleme wurden mit einer neuen Belüftungsanlage gelöst, die auch Staubpartikel herausfiltert. Dadurch konnte auch die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit im Inneren des Grabes stabilisiert werden.
Braune Flecken keine Gefahr mehr
Die Untersuchung der braunen Stellen ergab eine hohe Konzentration von Apfelsäure, die ein metabolisches Nebenprodukt einiger Pilze und Bakterien ist. Zwar fanden die Wissenschaftler in den braunen Flecken auch moderne Bakterien wie Bacillus und Kocuria, aber die ursprünglichen Organismen, die die Flecken verursacht hatten, sind lange abgestorben. Ein Ausbreiten der Flecken muss daher nicht mehr befürchtet werden und hat seit der Öffnung des Grabes durch Howard Carter im Jahr 1920 auch nicht stattgefunden, wie eine sorgfältige Untersuchung der damals gemachten Fotos zeigte.
Die Flecken zu entfernen, wäre schwierig, da sie in die Farben hineingewachsen sind. In früheren Zeiten hatte man durchaus überlegt, sie zu entfernen und sie u.a. auch mit Pestiziden behandelt, weil man ein Ausbreiten befürchtete. Nun wurde aber entschieden, sie so zu belassen, wie sie sind, da sie eben Teil der Geschichte des Grabes sind und keine Gefahr mehr von ihnen ausgeht.
Frühjahrsputz mit Überraschungen
Die Überarbeitung des Grabes führte aber auch zu neuen Entdeckungen. Als man die alte Besucherplattform abbaute, fand man darunter zwischen viel Staub und Abfall auch einige Papyrusfetzen mit Segenswünschen für Tut oder auch mit pharaonischen Flüchen für missliebige Menschen.
Jetzt gibt es eine neue Plattform, die die Besucher etwas „auf Abstand“ hält, denn in früheren Zeiten konnten manche Touristen dem Drang nicht widerstehen, die Malereien auf den Wänden anzufassen. Aber auch das Abstauben der Wände und einige Filmcrews haben ihre Spuren hinterlassen. Farbverluste gab es allerdings auch durch die Ungereimtheiten in den verwendeten Farben und Maltechniken. Hiervon sind vor allem rote und schwarze Farbpigmente an der Ost- und der Westwand betroffen.
Insgesamt kommt das Getty Institut aber zu einem beruhigenden Schluss: Die Farben der Wandbemalungen seien in einem guten Zustand für ihr Alter.
Neben der neuen Plattform und dem Belüftungssystem wurde auch eine neue Beleuchtung eingerichtet und eine erklärende Beschilderung angebracht, um die Besucher besser durch das Grab zu leiten. Eine Empfehlung, wieviele Besucher gleichzeitig in das Grab dürfen, Richtlinien für Filmcrews und eine Wartungsanleitung für alle Grabinstallationen hat das Getty Institut dem Antikenministerium auch übergeben. Tuts Grab sollte in dieser Hinsicht für die nächsten 100 Jahre gut gerüstet sein.
Probleme der Zukunft
Aber es gibt auch einige Fragen und Probleme, die das Getty Institut (noch) nicht beantworten kann und die man vielleicht als „Hausaufgabe“ für die Zukunft ansehen kann. Da ist zunächst die Frage, wie sich der Staub langfristig auf die Malereien auswirkt, denn auch das neue Belüftungssystem kann den Staub natürlich nicht komplett herausfiltern sondern nur reduzieren. Wie die Staubbestandteile Kalzium, Magnesium, Aluminium und Phosphor auf lange Sicht chemisch mit den Mineralbestandteilen in den Farben reagieren, ist unklar.
Eine zweite Gefahr sind mögliche Überflutungen, die infolge von Klimaveränderungen irgendwann passieren könnten, so wie ja auch in der Antike bereits Gräber davon betroffen waren. Zwar ist Tuts Grab aufgrund seiner Lage selbst nicht direkt überflutungsgefährdet, aber durch den porösen, lehmhaltigen Fels könnte Wasser von anderen Gräbern auch in dieses Grab eindringen und die Dekorationen schwer beschädigen oder sogar vernichten, sagte Lori Wong, die führende Konservatorin für Malereien am Getty Institut.
Die Besucher sind das größte Problem
Die größte Gefährdung geht trotz aller nun ergriffenen Maßnahmen aber weiterhin vom Tourismus aus. Obwohl es inzwischen eine detailgetreue Reproduktion des Grabes gibt – direkt vor dem Tal der Könige in der Nähe des Carter Hauses –, wollen noch immer viele Besucher lieber das Original sehen, auch wenn Sie hierfür ein Extraticket kaufen müssen, das derzeit 250 £E, also ca. 12 Euro, kostet. Damit ist das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ gerade für dieses Grab besonders schlecht, denn für das „normale“ Tal-der-Könige-Ticket, das nur 200 £E (10 €) kostet, kann man ja insgesamt 3 andere Gräber ansehen. Aber der Mythos des Tutanchamun überwiegt all das.
In Frankreich hat man die Erfahrung gemacht, dass nach der Schließung der prähistorischen Höhlen in Lascaux und Chauvet und Umleitung der Besucher in deren Repliken, das Interesse der Touristen nicht abgeflaut ist und die Repliken sehr gut besucht werden. Aber noch ist Ägypten nicht bereit, Tuts Grab wirklich zu schließen. Im Gegenteil: Um trotz eingebrochener Tourismuszahlen Geld in die Kassen zu spülen, welches das Antikenministerium zum Er- und Unterhalt der vielen antiken Stätten dringend braucht, hat man ja gerade erst einige bisher unzugängliche Gräber wieder geöffnet. Und trotz der für ägyptische Verhältnisse horrenden Eintrittspreise von 1000 bzw. sogar 1200 £E (50/60 €) für die Gräber von Sethos I. und Nefertari, werden diese durchaus von Touristen besucht.
Und so fordert Neville Agnew, der wissenschaftliche Leiter des Konservierungsprojekts im Tutanchamungrab, auch nicht dessen komplette Schließung, er hofft aber, dass ihre Arbeit wenigstens das Bewusstsein für die Wichtigkeit dieses Grabes erhöht hat. Ein Besuch solle in Demut, Interesse und Ehrfurcht erfolgen, denn es handele sich um das Grab eines Königs und nicht um eine Freakshow, zitiert ihn die National Geographic.
Dem können wir uns nur anschließen – und sind trotzdem froh, dass man derzeit noch die Originalgräber besichtigen kann. Wer weiß, ob unsere Enkelkinder diese Möglichkeit auch noch haben werden.