Blog

Ein Dutzend mumifizierter Krokodile in Assuan gefunden

In der bekanntesten Nekropole Assuans, dem am Westufer des Nils gelegenen Gräberberg Qubbet el-Hawa, fand das seit 2008 dort grabende spanische Team unter der Leitung von Alejandro Jiménez Serrano von der Universität Jaén in einem unberührten Grab eine Reihe mumifizierter Krokodile. Das Besondere an diesem Fund ist, dass die Krokodile nicht mit Harzen einbalsamiert und auch ohne Bandagen aufgefunden wurden, so dass jetzt direkte Untersuchungen an den mumifizierten Körpern der Krokodile möglich waren.

Der Fund der Krokodilmumien wurde bereits 2019 gemacht, die Ergebnisse aber erst jetzt veröffentlicht. Die Publikation stammt federführend von belgischen Forscher:innen, nämlich den Archäozoolog:innen Bea De Cupere und Wim Van Neere vom Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften (RBINS), die die Krokodilüberreste untersucht haben.

Bea De Cupere und Wim Van Neer, RBINS, studieren eine der Krokodilmumien in Qubbet el-Hawa. Foto: Patricia Mora Riudavets

Die Fundstätte

Der Gräberberg Qubbet el-Hawa auf der Westseite des Nils in Assuan. Foto: selket.de

Der Fund wurde in einem kleinen Felsengrab gemacht, das auf der Ostseite des Gräberbergs unterhalb zweier gößerer und bereits bekannter Gräber aus dem Mittleren Reich, nämlich QH34aa und 34bb (QH = Qubbet el-Hawa), gefunden wurde. Unter einer dicken Schicht von Schutt aus byzantinischer Zeit fanden die Spanier im Vorhof dieser beiden Gräber insgesamt sieben kleine Felsengräber, die unterhalb des Plateaus, auf dem die beiden großen Gräber liegen, in den Felsen gehauen waren.

Vorhof der Gräber QH34aa und 34bb; vorn der Schutthaufen, unter dem die Gräber gefunden wurden. Foto: selket.de

Diese sieben kleinen, undekorierten Felsengräber stammen aus der 1. Zwischenzeit, also etwa 2200-2000 v.Chr. (7.-11. Dynastie). Das Grab mit den Krokodilmumien, das wie die sechs benachbarten Gräber unberührt war, erhielt die Bezeichnung QH34LL. Bei einigen dieser Gräber war die Decke wohl schon in der Antike eingestürzt, weshalb ihre Wiederbenutzung in späterer Zeit quasi „von oben“ geschah. Und auf genau diesem Weg begannen die spanischen Archäologen 2019 auch die Ausgrabungsarbeiten.

Das Grab mit den Krokodilmumien (roter Pfeil). Bild: José Louis Pérez Garciá, Universität Jaén

Das Grab QH34LL ist etwa 2 × 1,80m groß und hatte seinen ursprünglichen Eingang vom Hang her, also an der Ostseite. Bei ihrer Grabung fanden die spanischen Archäologen in der obersten Schicht die Teile mehrerer Krokodile. Einige davon waren ursprünglich vermutlich auch eingewickelt gewesen, da die Forscher Überreste von Bandagen und Palmenblättern fanden. Diese waren im Laufe der Zeit aber wohl von Insekten oder anderen im Boden lebenden Tieren aufgefressen worden, so dass keines der Krokodilteile noch eingewickelt war. Leider gab es in dieser Bodenschicht keine anderen Artefakte, wie Tonscherben, aus denen man eine Datierung hätte erstellen können.

Archäologe Vicente Barba Colmenero gräbt einen der Krokodilköpfe aus. Foto: Patricia Mora Riudavets

Unterhalb der Krokodile befand sich eine dicke Sandschicht, die vermutlich vor den Krokodilbestattungen eingestreut worden war, um einen ebenen Boden dafür zu schaffen. In diesem Sand fanden die Archäologen eine Reihe von länglichen Fayenceperlen, die in das Neue Reich datiert werden können. Die Krokodilmumien müssen also aus einer späteren Zeit stammen, also wohl dem letzten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung.
Unter der Sandschicht fand man dann Überreste von vier menschlichen Bestattungen in Holzsärgen. Grabbeigaben, wie mittelgroße Tonschalen, erlauben hier die Datierung dieser Bestattungen auf das Ende der ersten Zwischenzeit.

Die Krokodile

Insgesamt elf Krokodile glaubten die Forscher dort enteckt zu haben und nummerierten ihre Funde entsprechend von 1 bis 11. Später stellte sich heraus, dass zwei Fundstücke zusammengehörten und es wohl doch nur zehn Tiere waren. Das kleinste davon maß 1,80 m, das größte war ganze 3,50 m lang. Nur eines der Krokodile, die Nr. 5, bestand noch fast „aus einem Stück“, vier weitere Exemplare waren nur noch fragmentarisch erhalten; dazu kommen fünf einzelne Krokodilköpfe.

Krokodil Nr. 5 mit erhaltener Haut und Schuppen, 3 der 4 Füße angelegt. Foto: Bea De Cupere, RBINS

Der Erhaltungszustand der verschiedenen Mumien ist sehr unterschiedlich. Nur bei einem Tier, eben Nr. 5, sind die Haut und das Gewebe noch vollständig erhalten, dafür fehlten diesem Krokodil einige Zehenglieder und die Schwanzspitze. Ohne dieses fehlende Schwanzstück ist der getrocknete Körper 2,23m lang; von der Größe des Kopfes her wurde eine Lebendgröße von 2,63 m errechnet. Drei Füße sind an den Körper angelegt, das linke Vorderbein steht seitlich ab. Im Gegensatz zu anderen bekannten Krokodilmumien, bei denen immer alle vier Beine nach hinten ausgerichtet sind, sind hier bei den beiden Krokodilen, bei denen man die Beine noch erkennen kann, die Hinterbeine nach vorn an den Körper angelegt worden und bei Nr. 5 zeigt das linke Vorderbein ja zur Seite und steht somit in einer fast natürlichen Position. Einen Grund für diese außergewöhnliche Ausrichtung der Beine konnten die Forscher:innen bislang nicht erkennen.

Forscher des RBINS beim Zusammensetzen der Skelettknochen. Foto: Patricia Mora Riudavets
Vollständigkeit der vier Krokodilskelette. Grafik: Noor Van Der Smissen

Von den anderen vier im Ganzen bestatteten Krokodilen sind nur noch Skelettteile übrig, was darauf hindeutet, dass die Körper schon bei der Bestattung in schlechtem Zustand gewesen sein könnten oder dass deren Mumifizierung unterschiedlich zu Krokodil Nr. 5 erfolgte. Es könnte aber auch sein, dass Teile der getrockneten Körper, die evtl. nicht bandagiert waren, schon beim Transport nach Qubbet el-Hawa abgebrochen und verloren gegangen waren.

Ein sehr unterschiedlicher Erhaltungszustand ist auch bei den separaten Krokodilköpfen zu sehen: Während einige gut erhalten sind und sogar noch Hautstücke anhängend haben, fehlen einem anderen sämtliche Zähne. Die Schnittspuren am Hinterkopf zeigen übrigens, dass diese Köpfe erst nach dem Trocknungsprozess vom Körper abgetrennt wurden. Zur Todesursache der Krokodile lässt sich bei keinem der Tiere eine Aussage treffen. Die bei Scans anderer Mumien aus div. Museen sichtbaren Schäden am Hinterkopf, die auf ein Erschlagen der Tiere hindeuten, konnten hier nicht festgestellt werden.

Schädel des größten Krokodils. Foto: Bea De Cupere, RBINS

Durch ein Loch in der Bauchhaut sind im Verdauungstrakt des gut erhaltenen Krokodils Nr. 5 mehrere Gastrolithen (Magensteine) zu erkennen, die beweisen, dass bei der Mumifizierung die inneren Organe nicht entnommen wurden. Die weiteren Untersuchungen ergaben. dass im Bauch dieses Tieres auch Eierschalen von Eidechsen oder Schlangen zu sehen waren, welche die Krokodile vermutlich gefressen hatten. Auch 20 Ameisenlarven, immerhin etwa 1 cm lang, wurden entdeckt sowie drei Arten von Milben, die aber wohl erst nach der Bestattung in den toten Körper Einzug hielten. Ebenfalls fanden sich einige Pflanzensamen in den Mägen der Krokodile, z.B. von Riedgras oder Laichkräutern.

Gastrolithen im besterhaltenen Krokodil Nr. 5. Foto: Bea De Cupere, RBINS

Glücksfall für die Wissenschaft

Obwohl es in den Museen der Welt hunderte von Krokodilmumien gibt, waren bisher nur wenige davon Studienobjekte der Wissenschaft. Das liegt auch daran, dass für Untersuchungen heute nur noch non-invasive Techniken, wie das Scannen dieser Mumien, verwendet werden, weil mit der Mumifizierung so viele Harze oder Bitumen verwendet wurden, dass ein „Auswickeln“ nicht in Betracht kommt. Bei den meisten in Museen gescannten Krokodilmumien waren die Eingeweide teilweise oder gänzlich entfernt, bei einigen aber auch nicht. Fast alle waren jedoch äußerlich (und teils auch innen) mit Harzen behandelt worden.

Teile von Palmenblättern, Leinen und Schnur. Foto: Bea De Cupere, RBINS

Die Krokodile aus Qubbet el-Hawa wurden alle nicht ausgeweidet und sind auch nicht mit Harzen oder Bitumen behandelt worden. Die gefundenen Reste von Leinen, Palmblättern und Schnüren, die vermutlich dazu dienten, die Pflanzenblätter zusammenzuhalten, deuten darauf hin, dass zumindest einige Tiere bandagiert oder eingewickelt waren, auch wenn von diesen Materialien im Laufe der Jahrtausende nicht viel übrig geblieben ist. Außerdem wurden die Tiere wohl erst im getrockneten Zustand eingewickelt. Das bedeutet, dass bei den hier gefundenen Krokodilen keine Mumifizierung wie beim Menschen – mit dem Entfernen der inneren Organe, Trocknung in Natronsalz, Einbalsamieren mit Ölen und Harzen und Bandagieren aller Körperteile – stattfand, sondern die toten Körper vermutlich einfach im heißen Wüstensand getrocknet und dann in Pflanzenmatten eingewickelt bestattet wurden. Dies spricht für eine Datierung vor die Ptolemäerzeit, da in dieser wieder große Mengen Harz und Bitumen bei Mumifizierungen verwendet wurden. Das passt auch zur Tatsache, dass die Nekropole Qubbet el-Hawa nur etwa bis zum 5. Jh. v.Chr. genutzt wurde, während die Zeit der Ptolemäer erst gegen Ende des 4. Jh. v.Chr. begann.

Krokodilkopf mit erhaltenen Farben der Haut und Schuppen. Foto: Bea De Cupere, RBINS

Die Tatsache, dass die Tiere hier so weitgehend „unbehandelt“ beerdigt wurden, ist nun ein Glücksfall für die Wissenschaftler:innen, weil hier viel detailliertere Untersuchungen an den Tieren möglich sind, als bei den bandagierten Exemplaren der meisten Museen. Nicht nur der Erhaltungszustand der Haut und des Gewebes, sogar der Mageninhalt ist teilweise sichtbar und untersuchbar (s.o.), und sogar eine Genanalyse oder eine Radiocarbon-Datierung sind durch den direkten Zugriff auf das Körpergewebe möglich. Solche Untersuchungen stehen allerdings noch aus.

Wir warten nun natürlich darauf, dass wir auch zu den menschlichen Bestattungen dieser sieben Gräber bald nähere Informationen erhalten, da die Aufschriften auf den Särgen erhalten geblieben sein sollen.

Einen kurzen Einblick in die Arbeit der Archäologen bei diesem Krokodilfund in Qubbet el-Hawa geben dieses kurze Video der Grabungsmission sowie dieses Video des RBINS.

Schreibe einen Kommentar

* Die DSGVO-Checkbox ist ein Pflichtfeld

*

Zustimmung zur Datenspeicherung lt. DSGVO