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Balsamierungswerkstatt gibt Rezepte fürs ewige Leben preis

Ein interdisziplinäres Team aus Forschenden mehrerer deutscher Universitäten und Institute (Tübingen, München, Würzburg, Leipzig) sowie weiterer internationaler Forschungseinrichtungen hat die Zusammensetzung einiger Substanzen entschlüsselt, die die alten Ägypter bei der Mumifizierung der Toten verwendeten. Dabei fanden sie heraus, dass unterschiedliche Körperteile auch mit unterschiedlichen Mitteln einbalsamiert wurden und dass einige der Zutaten für diese Substanzen aus weit entfernten Ländern importiert werden mussten.

Im Jahr 2016 fanden deutsche und ägyptische Archäolog:innen des »Saqqara Saite Tombs Project« direkt neben der Unas-Pyramide eine teils unterirdische Struktur, die der Einbalsamierung der Toten diente. Der Fund wurde allerdings erst 2018 groß in der Presse behandelt, als dort auch eine silberne Totenmaske gefunden wurde (wir berichteten). In dieser Einbalsamierungswerkstatt wurden damals auch Tongefäße entdeckt, die nicht nur Rückstände der darin verwahrten Substanzen enthielten sondern auch noch mit dem Namen des Inhalts und dem Verwendungszweck beschriftet waren – ein echter Glücksfall für die Forschung. Mithilfe von chemischen Rückstandsanalysen konnten die Forschenden nun zum einen die Zusammensetzung dieser Substanzen identifizieren und zum anderen durch die Beschriftung auch noch deren Rolle im Mumifizierungsprozess ergründen.

Mumifizierungswerkstatt mit angeschlossenen Gräbern

3D-Abbildung des Grabungsgeländes (© M. Lang, Universität Bonn) und darin gelegene Balsamierungswerkstatt mit den Fundorten der Gefäße . Inschrift weißer Becher: „auf den Kopf zu geben“, rote Schale: „sefet + trockenes antiu“ . Aus: Rageot, M. et al. (see end of article)

Die 2016 gefundene Balsamierungswerkstatt stammt aus der 26. Dynastie (664-525 v.Chr.) und besteht aus einem oberirdischen Teil, von dem ein 30m tiefer Schacht zu einer unterirdischen Grabanlage mit mehreren Grabkammern für Gemeinschaftsbestattungen führt. Am Rande der Struktur führt ein weiterer Schacht in 13m Tiefe zu einem kleinen Raum, in welchem den Toten die Eingeweide entfernt wurden. Dieser unterirdische Raum enthielt ein Steinbett, einen Kanal zum Ableiten der Flüssigkeiten und ein großes Räuchergefäß. Derjenige Abschnitt einer Mumifizierungswerkstatt, wo die inneren Organe entnommen wurden, hieß bei den alten Ägyptern „wabet“. Seine Lage so tief in der Erde hatte sicher damit zu tun, dass es hier nicht so heiß war, wie an der Oberfläche, sondern hier die Temperaturen für die Konservierung der Leichname günstig waren.

Blick hinunter in den Schacht zur „wabet“. Vorn die Steinliege, hinten die Drainagerinne, rechts Reste eines großen Räuchergefäßes. © Saqqara Saite Tombs Project

Von den oberirdischen Anlagen ist nicht mehr viel erhalten, aber es sind noch die großen Becken zu sehen, in denen vermutlich die Körper der Verstorbenen zum Trocknen in Natronsalz gelegt wurden. Dies wird daher wohl ein Balsamierungszelt, ein „ibu“, gewesen sein, meint Dr. Susanne Beck von der Universität Tübingen, Leiterin der Ausgrabung in Sakkara.

Woraus bestanden die Mixturen der Einbalsamierer?

In dem Mumifizierungsraum „wabet“ fanden die Archäolog:innen ein Lager mit Tongefäßen wie Bechern und Schalen, von denen einige an der Außenseite Brandpuren zeigen oder Spritzer von Flüssigkeiten tragen, die wohl kochend dort eingefüllt worden waren. Unter diesen Gefäßen und größeren Scherben tragen 121 eine Beschriftung in Hieratisch oder Demotisch, die entweder Balsamierungsanweisungen, eine Inhaltsangabe oder manchmal auch den Namen eines Mitarbeiters der Anlage enthält. Aus diesen 121 suchte das Forschungsteam neun Becher und 22 rote Schalen, die besonders eindeutig beschriftet sind, für die chemische Rückstandsanalysen aus. Zusätzlich wurden auch vier Gefäße aus den Grabkammern 3 und 4 dazugenommen: zwei rote Schalen, ein Fayencebecher und ein rotes, zylindrisches Gefäß.

Gefäße aus der Balsamierungswerkstatt. © Saqqara Saite Tombs Project, Universität Tübingen, Foto: M. Abdelghaffar

Mithilfe der Gaschromatografie und der Massenspektrometrie wurden dann die Inhaltsstoffe der in den Gefäßen enthaltenen Substanzen ermittelt, meist Teere, Harze, pflanzliche und tierische Fette. Unter den Produkten aus Koniferen (Nadelhölzern) wurden am häufigsten Teere oder Öle aus Wacholder bzw. Zypressen (gleiche Pflanzenfamilie) entdeckt. Teere oder Öle aus Zedernholz sind die am zweitmeisten gefundenen Stoffe, weiterhin Pistazienharz sowie zwei Harze aus dem tropischen Regenwald: Elemi und Dammar. Elemi ist ein Harz aus den Balsambaumgewächsen, vorwiegend aus der Canarium-Familie, Dammarharz stammt dagegen von Laubbäumen, die in Südostasien wachsen. Tierisches Fett fand sich in der Hälfte aller untersuchten Proben, Pflanzenöle und Bienenwachs dagegen in nur wenigen Gefäßen.

Außerdem entdeckte man molekulare Marker von Rezepten, in denen Harz mit Fett oder Bienenwachs zusammengekocht wurden. In zwei Bechern wurde Elemi-Harz mit Fett zusammengemischt und in einer Schale wurde Dammar-Harz mit Bienenwachs festgestellt. Bitumen fanden die Forschenden dagegen in zwei Gefäßen aus den Grabkammern. Der chemischen Zusammensetzung nach stammte dieses Bitumen vom Toten Meer.

Wofür wurden die Mixturen verwendet?

Wichtig für diese Forschungsarbeit sind aber nicht nur die Inhalte sondern auch die Aufschriften auf den Gefäßen, welche Anweisungen für die Behandlung verschiedener Körperteile, besonders des Kopfes, aber auch der Vorbereitung der Bandagen enthalten. Acht der 35 untersuchten Gefäße sind mit Instruktionen für den Kopf beschrieben; so trägt ein weißer Tonbecher die Aufschrift: „auf den Kopf zu geben“. Die Einbalsamierer in Sakkara nutzen dabei drei unterschiedliche Mixturen (A, B u. C in der Grafik) für den Kopf, die alle Elemi-Harz mit unterschiedlichen Beiprodukten enthielten (siehe unten).
Weitere acht Gefäße waren beschriftet mit „zum Einbalsamieren und Umwickeln“, waren also vermutlich für die Behandlung der Bandagen gedacht. Sieben davon enthielten zwei unterschiedliche Mixturen (D u.E), eine weitere war mit reinem tierischen Fett gefüllt. Am häufigsten war Mixtur E, eine Mischung aus Wacholder/Zypressen- und Zedernöl, Tierfett, Pflanzenöl und Elemi.
Bitumen und Bienenwachs, die man bisher häufig in Mumienbandagen fand, konnten hier in Sakkara in keinem der Gefäße für die Bandagen gefunden werden. Dafür zeigt sich hier zum ersten Mal, dass dafür auch Elemi und Wacholder/Zypressenöl genutzt wurden, was bisher unbekannt war.

Organische Substanzen und Mixturen sowie Inschriften der Gefäße. Aus: Rageot, M. et al. (see end of article)

Sechs Scherben enthielten Informationen zum Waschen des Körpers, Vermindern der Körpergerüche, Pflege der Haut sowie der Behandlung der Leber und des Magens. Die Schale, die mit „zum Waschen“ beschriftet war, enthielt Koniferenöl, die mit der Inschrift „den Geruch angenehm machen“ erstaunlicherweise Rinderfett (wobei nicht klar ist, ob es sich um Körperfett oder Milchfett handelt) und für den „angenehmen“ Geruch außerdem auch Harz von Balsamgewächsen. Im Gefäß „Weichmachen der Haut“ – und diese Behandlung wurde wohl alle drei Tage vorgenommen – war eine Mischung aus Rinderfett und heißem Bienenwachs.

Zwei Gefäße waren mit dem Namen jeweils eines Kanopengottes beschriftet: Amset, der für Leber des Verstorbenen zuständig war, und Duamutef für den Magen. Der Behälter für die Leber enthielt Wacholder-/Zypressenöl und Elemi, der für den Magen nur heißes Bienenwachs. Ein Gefäß trägt den Titel eines Siegelbewahrers der Nekropole, der wohl auch Balsamierungsaufgaben für den Kopf ausführte; es enthielt Fett und Wacholder-/Zypressenöl, wie die Mixtur D für die Bandagen. Vermutlich bandagierte dieser Siegelbewahrer den Kopf der Toten.

Antiu und Sefet – Neue Bedeutungen für alte Namen

Durch diese Forschungsergebnisse ist es nun möglich, einige bekannte altägyptische Begriffe näher zu definieren. „Namentlich sind viele dieser Balsamierungsstoffe seit der Entzifferung der altägyptischen Schrift bekannt“, sagte Susanne Beck von der Universität Tübingen und Leiterin der Ausgrabung in Sakkara,“aber welche Substanz sich hinter einem Namen verbarg, konnten wir bislang nur erahnen“. So übersetzte man „antiu“ bisher meist mit „Myrrhe“ und in „sefet“ sah man ein unbekanntes Öl. Aber die Funde in Sakkara zeigen, dass die fünf Töpfe, die mit „antiu“ beschriftet sind, eine Mixtur aus Zedernöl, Wacholder-/Zypressenöl und tierischem Fett enthielten. Es gibt Hinweise in den Beschriftungen, dass dieses „antiu“ sowohl in einer trockenen Form angewendet wurde, wie auch in der Verbindung mit „sefet“.

„Sefet“ sah man bisher als ein nicht näher identifiziertes Öl an, das wohl eines der „sieben heiligen Öle“ war, die bei der Einbalsamierung und in der Mundöffnungszeremonie zum Einsatz kamen. In drei „sefet“-Gefäßen dieser Mumifizierungswerkstatt wurden aber Reste tierischen Fetts gefunden, zweimal in Verbindung mit Wacholder-/Zypressenöl und einmal war es Rinderfett zusammen mit Elemi. Also zumindest hier in Sakkara war „sefet“ eine fettbasierte, parfümierte Salbe mit pflanzlichen Zusatzstoffen wie Zypressen- oder Balsambaum-Extrakten.

Globale Handelsketten im alten Ägypten

Die meisten verwendeten Rohstoffe für die Einbalsamierungsmittel mussten importiert werden: Bitumen vom Toten Meer, Harze von Pistazien-, Oliven-, Wacholder- und Zypressenbäumen aus dem Mittelmeerraum und Zedernöl aus der Levante. Elemi-Harze stammen dagegen aus Regenwäldern, die man entweder in Südwestafrika oder Asien finden kann und Dammar-Harze konnte man ausschließlich aus den tropischen Regenwäldern Südostasiens erhalten.

Mögl. Herkunftsorte der Zutaten. Karte © S. Lucas. Aus: Rageot, M. et al. (see end of article)

Da der Warenbedarf für die altägyptische „Mumifizierungsindustrie“ ein großer war, bedurfte es eines guten und stabilen Handelssystems. Für den Mittelmeerraum war ein solches bekannt, aber es muss im 7. Jh. v.Chr. eben auch mit Südasien einen etablierten Warenaustausch gegeben haben, der für den dauerhaften und sicheren Nachschub dieser wichtigen Produkte sorgte. Die Forschungsarbeit bringt also nicht nur das Wissen um die Technik der Mumifizierung einen großen Schritt weiter sondern zeigt auch, dass die alten Ägypter sogar mit weit entfernten Regionen auf dem asiatischen Kontinent stabile Handelsbeziehungen pflegten.

Erst vor einem Jahr hatte es einen sehr ähnlichen Fund von Tongefäßen mit Einbalsamierungsmitteln in einem 14m tiefen Schacht in Abusir gegeben (wir berichteten). Es wäre interessant zu erfahren, ob dort ähnliche oder ganz andere Mixturen verwendet wurden. Die Ergebnisse der geplanten Untersuchungen des tschechischen Forschungsteams in Abusir liegen aber leider noch nicht vor.


Die Informationen und die drei entsprechend gekennzeichneten Abbildungen stammen aus dem Artikel:
Rageot, M., Hussein, R.B., Beck, S. et al.: »Biomolecular analyses enable new insights into ancient Egyptian embalming«. Nature (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05663-4

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