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Ältester Mumifizierungs-Papyrus enthält erstaunliche Anleitungen

In einem 3500 Jahre alten medizinischen Papyrus, dessen eine Hälfte im Pariser Louvre und die andere in der Papyrussammlung der Universität Kopenhagen liegt, fand eine Doktorandin dieser Uni neben Anweisungen für die Mumifizierung auch solche, die sich speziell mit der Behandlung der Gesichter der Verstobenen befassen. Bisher waren nur zwei andere Texte mit Anleitungen zur Einbalsamierung bekannt. In diesem Papyrus, der sich hauptsächlich mit der Kräuterkunde und Schwellungen der Haut befasst, ist der Abschnitt über die Mumifizierung nur kurz, die Anweisungen darin dafür aber sehr viel detaillierter als in den beiden bisher bekannten Texten. Und sie enthalten Informationen zum Einbalsamierungsprozess, die bisher völlig unbekannt waren!

Der Papyrus Louvre-Carlsberg

Die beiden Teile des Papyrus Louvre-Carlsberg – so genannt, weil eben ein Teil im Louvre und ein Teil in der Kopenhagener Carlsberg-Sammlung liegt – stammen aus zwei Privatsammlungen und wurden erst 2006 bzw. 2015 an den Louvre bzw. die Universität Kopenhagen übergeben. Erst 2018 erkannte man, dass die beiden Teile zu ein und demselben Papyrus gehörten. Der in Paris befindliche Teil des Papyrus ist ca. sechs Meter lang und enthält überwiegend die obere Hälfte der Schriftrolle. Der in Kopenhagen liegende Teil umfasst etwa drei Meter der unteren Hälfte, teilte uns die Ägyptologin Sofie Schiødt mit, die sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit intensiv mit beiden Teilen des Papyrus befasst hat. Aufgrund der Form der hieratischen Schriftzeichen wird der Text auf ca. 1450 v.Chr. datiert. Damit ist er etwa 1000 Jahre älter als die beiden anderen Papyri über Einbalsamierung, die beide aus der Spätzeit stammen.

Der beidseitig beschriebene Papyrus befasst sich eigentlich mit der Kräuterkunde und enthält die früheste bekannte Abhandlung über Heilkräuter, mit Beschreibungen des Aussehens, des Lebensraums, des Gebrauchs und der religiösen Bedeutung der „göttlichen Pflanzen“ und ihrer Saat. Daneben enthält der Text noch eine lange Abhandlung über Hautschwellungen, z.B. Tumore, Abszesse, Entzündungen oder Blasen, die als Krankheiten betrachtet wurden, die vom Mondgott Chons verursacht werden. Nur auf dem Louvre-Teil des Papyrus findet sich dann noch ein kurzer Abschnitt, nur etwa drei Kolumnen lang, mit detaillierten Anleitungen zur Einbalsamierung.

Die Übersetzung

Für den Louvre-Teil des Papyrus gibt es seit 2018 eine vorläufige Übersetzung von Thierry Bardinet, dem aber nur einfache Fotos der Schriftrolle zur Verfügung standen. Für ihre Doktorarbeit konnte Sofie Schiødt nun auf hochauflösende digitale Bilder zurückgreifen. Das ermöglichte ihr, einzelne, abgelöste Fragmente am Computer hin und her zu bewegen und auch die Farben zu intensivieren, was insbesondere dort half, wo die antike Tinte etwas verblasst ist. Sie konnte den Louvre-Teil dadurch genauer und umfangreicher übersetzen als Bardinet vor ihr. Der Carlsberg Papyrus wurde von Schiødt erstmals überhaupt übersetzt.

Nachdem Schiødts Doktorarbeit nun abgeschlossen ist, soll 2022 eine finale Übersetzung des gesamten Papyrus durch sie und Marc Etienne, Chefkurator der Ägyptenabteilung des Louvre, publiziert werden. Aber schon jetzt lässt sich sagen, dass im kurzen Mumifizierungsabschnitt dieses Papyrus viele Beschreibungen sehr detailliert sind und in den beiden späteren „Handbüchern“ zur Einbalsamierung so gar nicht vorkommen. Hier werden z.B. Rezepte für spezielle Salben aufgeführt oder auch der Gebrauch unterschiedlicher Arten von Bandagen beschrieben. Dafür sind einfachere Behandlungsschritte, wie z.B. das Trocknen des Leichnams mit Natron, in dieser 3500 Jahre alten Anleitung nicht explizit ausgeführt. Der Text lese sich mehr wie eine Gedächtnisstütze für Fachleute, damit während der Mumifizierung kein noch so kleines Detail vergessen werde, sagt Sofie Schiødt.

Die Einbalsamierung des Gesichts

Wechsel des roten Gesichtstuchs während der Mumifizierung. Zeichnung von Ida Adsbøl Christensen

Einer der aufregenden Teile in diesem Papyrus gibt uns Informationen über die Prozeduren zur Einbalsamierung des Gesichts, schreibt Sofie Schiødt in einem von der Kopenhagener Universität veröffentlichten Statement. Er enthalte eine Liste von Inhaltsstoffen für eine Tinktur aus vorwiegend pflanzlichen, aromatischen Substanzen, die zusammen mit Bindemitteln zu einer Flüssigkeit gekocht wurden, mit der dann eine rote Leinenbinde getränkt wurde. Dieses rote Leinentuch wurde über das Gesicht des oder der Toten gelegt und sollte dieses wie eine Schutzhülle aus Düften und antibakteriellen Substanzen umschließen. Und diese Prozedur musste alle vier Tage wiederholt werden.

Obwohl diese Art der Behandlung zuvor nicht bekannt war, so haben Ägyptologen doch bereits einige Mumien aus dieser Epoche entdeckt, deren Gesichter mit in Harz getränkten Stoffen bedeckt waren. Dies könnte mit dieser Praxis des roten Leinens zusammenpassen, meint Schiødt.

Warum das Leinentuch eine rote Farbe aufweisen musste, ist bislang unbekannt. Vielleicht sollte es eine Verbindung zur Morgen- oder Abendsonne darstellen, die den Beginn bzw. das Ende der gefährlichen Wanderung des Sonnengottes Re durch die Unterwelt symbolisierte und bewies, dass der Gott alle Gefahren der Nacht und der Reise durch die Unterwelt bestehen konnte, vermutet Schiødt. Laut Thierry Bardinet erhoffte man sich von dem roten Tuch nämlich auf jeden Fall eine apotropäische Wirkung, das bedeutet das Abwehren von Unheil, schrieb uns Sofie Schiødt.

Mumifizierung im 4-Tage-Rhythmus

Eine kleine Sensation, die von der Presse bisher weitghehend unbeachtet blieb, ist die Entdeckung der Unterteilung des Mumifizierungsprozesses in 4-Tage-Schritte. Bisher war nur bekannt, dass eine Mumifizierung insgesamt 70 Tage dauerte, in denen zuerst die inneren Organe entfernt wurden, dann der Leichnam mit Natron getrocknet und anschließend bandagiert wurde. Laut dieser neuen Anleitung fanden aber an jedem vierten Tag rituelle Prozessionen der Mumie statt, mit denen jeweils ein weiterer Schritt im Prozess der Vorbereitung des verstorbenen Körpers für das ewige Leben gefeiert wurde, schreibt Schiødt. Insgesamt 17 solcher Prozessionen gab es also während der Einbalsamierung eines/einer Verstorbenen, bis an Tag 68 der Prozess der Mumifizierung abgeschlossen war.

Die 70 Tage waren dabei zunächst in zwei Hälften unterteilt: eine 35 Tage dauernde Trocknungsperiode und eine weitere 35-Tage-Periode der Bandagierung. Die Trocknung des Leichnams mit Natron begann am vierten Tag; während der ersten drei Tage war der Körper gereinigt und seine inneren Organe sowie das Gehirn entfernt worden. Alle weiteren vier Tage, also an Tag 8, 12, 16, usw. wurde das Natronsalz erneuert, vermutlich weil das alte dann von den Körperflüssigkeiten gesättigt war. Die letzte Natronerneuerung erfolgte demnach an Tag 32.

In der zweiten Hälfte der Mumifizierung, beginnend mit Tag 36, wurde an jedem vierten Tag der Körper erneut mit speziellen Salben und Tinkturen behandelt und mit getränkten Stoffen bedeckt. Wenn nicht am Leichnam gearbeitet wurde, wurde er für die restliche Zeit mit Stoff und darübergelegtem Stroh bedeckt, das mit Duftstoffen getränkt war, um den Leichengeruch zu überdecken und Insekten und Aasfresser fernzuhalten. In diesen zweiten 35 Tagen kam dann u.a. auch die Gesichtsbehandlung mit dem roten Tuch zum Einsatz, das ebenfalls alle vier Tage erneuert wurde. An Tag 68, also nach dem 17. Viertages-Intervall, war die Mumie fertig und wurde in den Sarg gelegt. Die folgenden zwei Tage 69 und 70 wurden mit rituellen Handlungen verbracht, die dem/der Verstorbenen ein Leben im Jenseit ermöglichen sollte.

Diese strikte Einteilung in Schritte, die alle vier Tage vollzogen wurden, war bisher völlig unbekannt und ist nur in diesem kurzen Abschnitt des Louvre-Papyrus beschrieben. In den beiden späteren „Handbüchern“ zur Mumifizierung, die ja aus der Spätzeit des altägyptischen Reiches stammen, ist hiervon keine Rede. Jene enthalten aber auch nicht so detaillierte Anweisungen – ob es daran liegt, oder ob diese Praxis der 4-Tage-Schritte nur im Neuen Reich praktiziert wurde, muss erst noch weiter erforscht werden. In jedem Fall aber müssen unsere bisherigen Beschreibungen des Einbalsamierungsprozesses wohl umgeschrieben oder ergänzt werden.

8 Gedanken zu „Ältester Mumifizierungs-Papyrus enthält erstaunliche Anleitungen“

  1. En m’excusant d’écrire en français, j’espère que vous pourrez quand-même me lire:
    L’article est quelque peu tendancieux. En effet, il s’agit ici du papyrus médical Louvre E 32847, qui a été publié et traduit par Thierry Bardinet aux éditions Louvre-Khéops en 2018 sous le titre Médecins et magiciens à la cour du pharaon. Il avait publié auparavant plusieurs articles à propos de certaines parties de ce papyrus, en particulier dans ENiM (3 articles en ligne). Il ne s’agit en aucun cas d’un manuel de momification: l’essentiel du papyrus concerne les tumeurs envoyées par Khonsou. La traduction du chapitre sur l’embaumement se trouve dans le chap. IV de la publication de Th. Bardinet, p. 210-226. Toutes les idées évoquées par l’égyptologue danoise (tissu rouge sur le visage etc.) sont déjà exposées dans la publication de Th. Bardinet, et pour la lecture de ce texte consacré à l’embaumement le nouvelles photos du papyrus n’apportent rien.
    La Fondation Carlsberg de Copenhague possède 20% du document, et non la moitié. En février a été soutenue à l’université de Copenhague une thèse portant sur ces documents, facilitée, bien sûr, par la connaissance qu’avait la doctorante de la publication préalable de Th. Bardinet.
    Cordialement.

  2. @ciaobella: Leider ist mein Französisch très mal, daher habe ich den Google-Übersetzer bemühen müssen. Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden.
    Ich weiß nicht, was an unserem Artikel Sie als voreingenommen betrachten. Unser Titelbild stellt unseres Erachtens einen Abschnitt aus dem Carlsberg-Papyrus dar, nicht aus dem Louvre-Papyrus. Dass es vom Louve-Papyrus bereits eine frühere Übersetzung von Thierry Bardinet gab, hatten wir erwähnt. Frau Schiødt hat nun den Carlsberg-Papyrus erstmals, und den Louvre-Papyrus erneut übersetzt. Dabei ergaben sich nach unserer Kenntnis einige Veränderungen zur Übersetzung Bardinets, weil Fr. Schiødts Bildmaterial des Originals einfach besser war. Wie groß diese Veränderungen waren, wissen wir nicht, aber keinesfalls wollten wir Bardinets Übersetzung schlecht darstellen. Fakt ist, dass 2022 eine Neuübersetzung des kompletten Louvre-Carlsberg Papyrus erscheinen soll.
    Dass der kurze Abschnitt über die Einbalsamierung nur auf dem Louvre-Teil vorhanden ist, hatten wir auch erwähnt. Der Einbalsamierungsschritt mit dem roten Tuch ist daher sicher auch schon von Bardinet beschrieben worden. Uns war dieser Fakt bisher aber trotzdem nicht bekannt, weshalb wir es besonders herausgestellt haben. Ebenfalls hatten wir geschrieben, dass der größere Teil des Papyrus (6 Meter) in Paris liegt und der Kopenhagener Teil nur ca. 3 Meter lang ist. Ihre Prozentzahl von 20% mag daher durchaus stimmen – vielen Dank für diese Ergänzung!
    Der Begriff „Handbuch“, den wir im Zusammenhang mit den beiden Papyri aus der Spätzeit benutzt haben, ist natürlich nicht wörtlich zu verstehen. Alle drei bekannten Texte enthalten Informationen oder Details oder Anleitungen zu bestimmten Schritten der Einbalsamierung. Keiner davon ist natürlich ein komplettes „Handbuch“. Hier war unsere Wortwahl etwas ungenau oder umgangssprachlich. Trotzdem haben wir uns Mühe gegeben, einen sachlichen und informativen Text zu schreiben. Keinesfalls sollte er tendenziös sein. Daher vielen Dank für Ihre Informationen bzw. Ergänzungen.

  3. Vielen Dank für euren spannenden Blog über das Alte Ägypten! Wirklich, sehr tolle und auch informative Beiträge.

    Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Reihe who is who der Mumien fortführt. Diese finde ich richtig klasse.

    Vielen Dank für eure Arbeit!

  4. Es freut uns, dass Dir der Blog gefällt!
    Beim Who-is-who der Mumien ist der Auslöser für einen Beitrag meist eine aktuelle Meldung zu einer Mumie. Schwebt Dir denn eine bestimmte Mumie vor, auf die Du „wartest“?

  5. Merci beaucoup Jolly Thews pour votre réponse et vos remarques. En effet le vrai problème est „Pourquoi la chercheuse danoise a eu la possibilité de voir et utiliser les photos du Papyrus du Louvre restauré, bien meilleures et disponibles pour un traitement numérique alors que cette possibilité a été par contre niée au chercheur français lui interdisant d’effectuer une révision de sa traduction de 2018 ?“
    Bien à vous

  6. @ Jolly Thews

    Nein, mir schwebt keine bestimmte Mumie vor. Ich finde jeden Bericht einfach super spannend. Insbesondere das Familiengeflecht während der Amarnazeit und dem „King Tutankhamun Family Project“ interessieren mich besonders.

    Viele Grüße

  7. Zwar kein neues Whoiswho, aber Selket schreibt gerade an einer neuen Meldung über die Mumie KV55. Kommt in den nächsten Tagen!

  8. @ ciaobella
    Ja, das ist eine gute Frage, die wir aber nicht beantworten können. Leider haben wir die Veröffentlichungen von Thierry Bardinet 2018 nicht bemerkt (vielleicht, weil sie nur auf Französisch erschien), sonst hätten wir schon damals über die Übersetzung des Louvre-Papyrus berichtet.

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