Tutanchamuns Totenmaske war in der Vergangenheit Gegenstand vieler Diskussionen. Nicholas Reeves hatte im Jahr 2015 schon die Kartusche unter die Lupe genommen und kam zu dem Schluss, dass der Name darin verändert wurde und ursprünglich wahrscheinlich der von Nofretete war (wir berichteten). Die Ägyptologin Joann Fletcher hat nun andere Beweise dieser Theorie vorgelegt.
Diese Beweise sind jetzt zugegebenermaßen nicht neu, aber da der englische „Express“ diese Woche darüber berichtet hat und die Ergebnisse noch nicht so weit verbreitet sind, greifen wir das gerne auf.
Fletchers Theorie stellt sie in der Dokumentation „The Valley Of Kings: The Egyptian Golden Age“ vor, die man auch auf Youtube anschauen kann. Für ihre Untersuchungen begab sie sich in das Oxford University’s Griffith Institute, wo sich auf empfindlichen Glas-Dias die Originalnegative befinden, die Howard Carter während seiner 10-jährigen Ausgrabung aufgenommen hat.
Fletcher schaute sich dort auch die Aufnahmen der 54cm hohen und 10 kg schweren Totenmaske von Tutanchamun an, die zur Zeit noch im Ägyptischen Museum Kairo ausgestellt ist, aber schon bald seine neue Heimat im Grand Egyptian Museum an den Pyramiden finden wird. Sie weist in der Dokumentation auf ein Detail hin, dass in der jüngeren Vergangenheit schon mehrfach Gegenstand der Diskussionen war: Die durchstochenen Ohren der Totenmaske.
Einige Grabbeigaben von Tutanchamun, wie seine Kleiderbüste, sind auch mit Ohrlöchern abgebildet. Dennoch wäre es für einen erwachsenen König sehr ungewöhnlich, sich damit abbilden zu lassen. Da Tutanchamun im frühen Alter von ungefähr 20 Jahren starb, wird er wahrscheinlich nicht mehr mit Ohrlöchern porträtiert worden sein, so die Meinung der Forscher.
Diese Maske wurde nicht für einen erwachsenen, männlichen Pharao gemacht, ist sich Fletcher sicher. Außerdem war das Gold des Gesichts aus einem komplett anderen Gold gemacht als der Rest der Totenmaske, wie die Forscher herausfanden.
Es sind zudem deutliche Lötspuren erkennbar. Das Gesicht Tutanchamuns könnte also auf den Rest der Totenmaske einfach draufsgesteckt worden sein. Ohren und Nemes-Kopftuch stammen eigentlich von einer ganz anderen Person.
Auch für Fletcher kommt da nur eine Person in Frage. Denn wegen der Ohrringe kann es sich nur um eine Frau gehandelt haben: Nofretete, die vielleicht als Nachfolger von Echnaton Ägypten regiert haben könnte.
Es ist bald 100 Jahre her als Howard Carter am 04. November 1922 Tutanchamuns Grab fand. Der Pharao wird nächstes Jahr in aller Munde sein und wir sind uns sicher, dass es im nächsten Jahr noch einiges Neues und Altbekanntes über Tutanchamun zu berichten geben wird. Vielleicht kommen dann auch endlich die Untersuchungen an Tutanchamuns Grab weiter ins Rollen, wo ja vielleicht auch Nofretete begraben liegt…
Hat denn die Leiche von Tutanchamun Ohrlöcher ?
Ja, dass Tutanchamun als Kind Ohrringe trug und dementsprechend auch Ohrlöcher hat, bezweifeln die Forscher nicht. Nur als erwachsener Mann ist es eigentlich nicht üblich, sich mit Ohrlöchern abzubilden.
Leider finde ich auch nach längerer Suche die Quelle nicht wieder, aber es gab/gibt eine nicht gar so alte Doku, in der genau der „Beweis“ mit den unterschiedlichen Goldsorten widerlegt wurde. Dort wurde berichtet, dass festgestellt worden sei, es handele sich um ein und dasselbe Gold. Wer liegt nun richtig? Es bleiben demzufolge Zweifel und: Es bleibt spannend.
Gut möglich, dass ein Teil der Mumienmaske für jemand anderen gedacht war, aber die Ohrlöcher sind hierfür sicher kein Beweis. Die Mumie selbst hat besonders große Ohrlöcher und man hat Tut dafür sehr schöne Ohrringe mit ins Grab gegeben. Außerdem weisen auch andere Gegenstände im Grab durchstoßene oder durch Vertiefung angedeutete Ohrlöcher auf (z.B. Tut als Gott Nefertem, die Kanopenköpfe, die Miniatursärge, die Kleiderpuppe u.a.). Leider wird auch bei diesen Stücken diskutiert, ob sie ursprünglich für jemand anderen gedacht waren, somit helfen sie uns nicht weiter. Es gibt aber Figuren, die definitiv für Tut gemacht wurden, wie den Uschebti von General Min-Nacht und die aufgebahrte Mumienminiatur von Schatzmeister Maja. Und auf beiden Figuren werden die Ohrlöcher deutlich angezeigt.
Übrigens waren die Ohrlöcher der Mumienmaske ursprünglich durch Goldblättchen abgedeckt, diese fehlen heute an der Maske leider genauso wie die drei große Halsketten.
Das mit den Uschebti finde ich besonders interessant: Gerade einige der schönsten Exemplare sehen in meinen Augen ausgesprochen feminin aus und wurden/werden aber als Abbilder Tutanchamuns beschrieben. Steht auf diesen Uschebtis tatsächlich der Name Tutanchamuns oder nur die Bezeichnung „Verstorbener“?
Um die ganze Angelegenheit noch rätselhafter zu machen, sei bemerkt, dass selbst bei den Sarkophagen nur der äußerste keine Ohrlöcher aufweist.
Aber letztendlich würden all diese Hinweise auf Grabbeigaben Nofretete´s doch bedeuten, dass Tutanchamun (bzw. die für seine Bestattung Verantwortlichen) das Grab von Nofretete ausgeraubt haben. Sollte sich dieses daher tatsächlich noch hinter der Nordwand befinden, so dürfte dort nicht mehr viel zu finden sein.
Vor dem Hintergrund dass die Ohrlöcher zum Zeitpunkt der Bestattung verschlossen waren, finde ist es nur logisch anzunehmen das die Maske ursprünglich eine andere Verwendung finden sollte.
Weshalb hätte man sie sonst verschlossen?
@ Tim: Den Grund kann man nur vermuten, aber eines ist klar, für die Reise ins Jenseits musste alles absolut perfekt sein und da man die Ohrlöcher nicht praktisch nutzen wollte, hat man sie vielleicht aus ästhetischen Gründen abgedeckt. Dadurch waren sie nicht weg, aber es gab kein sinnloses Loch mehr.
@ Dr. Höfer: Die beiden oben genannten Figuren sind Geschenke des Generals bzw. des Schatzmeisters an Tut. Der General z.B. hat auf der Fußsohle des Uschebti eine Widmung hinterlassen: „…für seinen Herrn, den zu Osiris gewordenen König Neb-Cheperu-Re…“. Das ist ziemlich eindeutig.
Ob hinter Tuts Grab noch ein weiteres intaktes Grab ist, halte ich auch für unwahrscheinlich. Zumal Nofretete weder als Gemahlin von Echnaton noch als seine Mitregentin oder seine Nachfolgerin einen Grund gehabt hätte, sich im Tal der Könige bestatten zu lassen. Ihre Welt war Amarna, dort gab es das große Königsgrab, welches für die gesamte Familie gedacht war. Erst Tut hat Amarna verlassen und wahrscheinlich das große Königsgrab in Amarna aufgelöst und Ersatzbestattungen im Tal der Könige vorgenommen. Sicher ist KV55 eine solche Nachbestattung (für seinen Vorgänger und/oder Vater). Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass sich hinter den Wänden unvollendete Hohlräume befinden, die bei Übernahme des Grabes durch Tut verfüllt wurden.
Aber letztlich hoffe ich natürlich auch auf eine spektakuläre Entdeckung! Und wenn nicht, dann war es auf jeden Fall sehr spannend und inspirierend! 🙂
@ Oliver: Merci für die Information. Lassen Sie mich aber trotzdem folgende ketzerische Möglichkeit erläutern: Es scheint ja inzwischen zweifelsfrei klar zu sein, dass ein (Groß-?)Teil der Grabbeigaben Tutanchamuns aus dem ursprünglichen Grab Nofretetes stammen. Könnten die entsprechenden Uschebtis deshalb auch nachträglich ihre Widmung erhalten haben bzw. war es zu dieser Zeit überhaupt üblich, derartige Widmungen an den Fußsohlen zu platzieren? Ein graphologischer Vergleich der Hieroglyphen (ist so etwas überhaupt möglich?) könnte darüber vielleicht Auskunft geben.
Noch eine Anmerkung bezüglich der Ohrlöcher und Bärte bei Pharaonen: Die einzige, nachgewiesene Frau des mittleren Reiches, die als Pharao (gibt es die Bezeichnung Pharaonin überhaupt?) regierte, war Hatschepsud. Bisher habe ich bei keiner ihrer Statuen Ohrlöcher gesehen, jedoch öfters Abbildungen ohne den sog. Pharaonenbart. Wie steht es denn mit dem Bärten bei den verschiedenen Statuen und Sarkophagen bei Tutanchamun? Sind die Sarkophagbärte original oder nachträglich hinzu gefügt worden? Gerade die sehr feminin wirkenden Uschebtis mit Widmung von General Minnacht sind bartlos.
@ Dr. Höfer: Ketzerische Anmerkungen im Zusammenhang mit der Zeit des Ketzerkönigs finde ich nachvollziehbar. 🙂
Eine Widmung könnte man natürlich auch nachträglich ergänzen oder verändern. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass die heiligen Gegenstände eines von Amts wegen aufgelösten Grabes an Staatsdiener verteilt werden, damit diese sie zusammen mit einer (neuen) Widmung an einen anderen Herrscher zurückgeben. Außerdem trägt der Jenseitsdiener von General Min-Nacht die Blaue Krone, das wäre für eine Frau sehr ungewöhnlich gewesen. Selbst die Pharaonin Hatschepsut ließ sich damit nur sehr selten abbilden.
Was die Bärte angeht, so haben die meisten von Tuts hochwertigen Uschebtis keinen Bart, während seine Standarddiener in der Regel einen Bart tragen. Aber ich weiß nicht, welche Rückschlüsse man daraus ziehen kann, denn auch bei anderen Pharaonen kommen bartlose Uschebtis vor (z.B. Sethos I.).
Falls sich Nofretete in Amarna tatsächlich mit all den Beigaben als Pharaonin hat beisetzen lassen, so kam man nach der Rückkehr zum alten Glauben/Weltbild und bei der Umbettung ihrer Mumie sicher auch auf den Gedanken, dass eine Frau kein Pharao sein kann. Somit hätte ihr nur das Begräbnis einer Königin zugestanden und der überwiegende Teil der Grabausstattung wäre für sie überflüssig und damit für Tut verfügbar gewesen…
Echnaton wird auf Reliefs und in Plastiken mit Ohrlöchern dargestellt. Bei einer Statue Haremhabs sind ebenfalls Ohrlöcher erkennbar. Warum also die Behauptung, das wäre für einen erwachsenen Mann unüblich gewesen?
Wegen der umgewidmeten Grabbeigaben stimme ich Oliver zu. Nofretete hat meiner Meinung nach während ihrer Regentschaft ein Pharaonenbegräbnis für sich vorbereitet. Nach ihrem Tod wurde beschlossen, dass ihr nur ein Königinnenbegräbnis zusteht und die Grabbeigaben „eingezogen“ und für Tut umgearbeitet. Allerdings gehe ich davon aus, dass das Grab in Amarna nach der Aufgabe der Stadt geplündert wurde und die Mumien von Echnaton und Teje (und möglicherweise Nofretete) deshalb ins Tal der Könige umgebettet wurden. Da die goldenen Grabbeigaben bei einer Plünderung sicher gestohlen worden wären, ist das für mich ein Hinweis darauf, dass Nofretete nie mit ihnen bestattet worden ist.