In einem multidisziplinären Ansatz haben Wissenschaftler und Künstler das Gesicht einer ägyptischen Frau ermittelt und wiederhergestellt, deren 2000 Jahre alter Kopf lange in den Kellerregalen einer australischen Universität lag. In weiteren Untersuchungen soll nun noch mehr über das Leben und die Herkunft dieser Frau erforscht werden, vielleicht sogar Details aus ihrem Leben: woher sie stammte, welche Krankheiten sie hatte und wie sie sich ernährte.
Der vergessene Kopf
Wie die Universität Melbourne in den Besitz dieses mumifizierten Kopfes kam, ist nicht mehr bekannt. Fast 100 Jahre lang lag er im Keller der Universität zwischen anderen Körperteilen, die in Gläsern mit Formaldehyd oder in anderer Art der Präservation dort gelagert sind. Der Kopf lag in seiner Archivbox mit dem Gesicht nach oben, weil dies die respektvollste Art sei, fand Kurator Dr. Ryan Jefferies.
Er hatte auch den Anstoß zu dieser Untersuchung gegeben, denn er befürchtete, dass der Kopf vielleicht von innnen zerfiel, ohne dass es jemand bemerkte. Natürlich wollte man die Mumienbinden nicht entfernen, um dem Schädel nicht zu schaden. So wurde eine CT-Untersuchung angesetzt, die mehrere Fragen aufwarf. Daraufhin entschied man, dass man diesen Fall nutzen wollte, um in Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen die Chancen zu nutzen, die dies für die Forensik und die Lehre an der Universität bot.
Eine Frau wird wieder zum Leben erweckt
Für diesen Fall arbeiteten Forscher der Fakultät für Medizin zusammen mit denen der Zahnmedizin, der Gesundheitswissenschaften, Ägyptologie und Kunst. Neben medizinischer Forschung kamen auch forensische Mittel, CT-Scans und 3D-Druck zum Einsatz. Ziel der Reise sollte es sein, mit Hilfe modernster Technike diese Frau sozusagen wieder zum Leben zu erwecken. Das Artefakt wäre dadurch viel mehr, als nur ein interessantes Ausstellungsstück. Studenten sollten daran erkennen, wie forensische Spuren zu erkennen und bewerten sind und wie die Umgebung, in der man lebt, eine Bevölkerung beeinflusst.
Dass Meritamun – diesen Namen gaben die Forscher der Frau, von der der Schädel stammt – im alten Ägypten lebte, fand Dr. Janet Davey heraus. Sie ist forensische Ägyptologin an der Monash University Melbourne, wo die CT-Scans durchgeführt wurden. Das Geschlecht leitete sie aus verschiedenen Schädelmerkmalen ab, wie dem Winkel des Kiefers, der Enge des Mundraumes und der Form der Augenhöhlen.
Dr. Davey schätzt die Größe von Meriatamun auf etwa 162 cm, wobei sie berücksichtigt, dass die Menschen der Antike etwas kleiner als die heutigen Menschen waren. Ohne einen Knochen von Arm oder Bein ist die Größe jedoch nicht exakt ermittelbar.
Wann lebte Meritamun?
Die Datierung des Kopfes ist ebenfalls schwierig. Meritamun hatte erhebliche Schäden an den Zähnen, was typisch für die griechisch-römische Zeit sei, als erstmals Zucker eingeführt wurde. Andererseits könnte auch Honig diese Auswirkungen gehabt haben. Die mit sehr feinen Leinenbinden ausgeführte Mumifikation spricht aber eher dafür, dass Meritamun eine hochstehende Persönlichkeit war und in einer Zeit vor Alexander dem Großen lebte. Eine noch ausstehende Radiocarbon-Datierung wird diese Zeit exakter einengen können.
Woran starb Meritamun?
Stacey Gorski, Masterstudentin der Biomedizin, sollte die Gesundheit bzw. mögliche Krankheitsbilder von Meritamun untersuchen. Sie sah schon auf den CT-Scans, dass neben zwei Abszessen im Zahnbereich auch am Schädel Bereiche waren, wo der Knochen dünn oder sogar löchrig war. Dies sei ein klares Zeichen für Blutarmut, meint sie. Die Ausdünnung geschehe, wenn das Knochenmark sozusagen verzweifelt versuche, mehr rote Blutkörperchen zu bilden. In Meritamuns Fall könnte dies von Malariaparasiten oder Bilharziose ausgelöst worden sein, die damals im Nildelta vorkamen. Vor ihrem Tod wird Meritamun daher vermutlich bleich und lethargisch gewesen sein.
Ohne weitere Körperteile wird es unmöglich sein, die Todesursache mit Bestimmtheit zu ermitteln, aber die Anämie und die Zahnabszesse, wenn sie sich entzündet hätten, könnten dazu beigetragen haben. Gorski will nun eine kleine Gewebeprobe aus dem nicht umwickelten Teil des Nackens nehmen, um daran DNA-Untersuchungen durchzuführen. Vielleicht finden sich Hinweise auf einen Parasiten. Solche DNA-Untersuchungen sind aber sehr teuer und sprengen das momentane Budget. Daher plant sie zunächst eine histologische Untersuchung, bei der die Gewebeprobe befeuchtet und dann mit dem Elektronenmikroskop untersucht wird.
In welchen Teil Ägyptens lebte sie und was aß sie
Gorski hofft sogar herausfinden zu können, was Meritamun aß und in welchem Teil Ägyptens sie lebte, ausgehend von den Anteilen an Stickstoff- und Kohlenstoffatomen, denn die unterschiedlichen Pflanzen, Früchte, Gemüse und Getreide produzieren unterschiedliche Atome bzw. Isotope, die sich vielleicht noch nachweisen lassen. Anhand dieser Nahrungsmittelpalette lasse sich dann vielleicht eine bestimmte Gegend in Ägypten ausmachen, in der Meritamun gelebt haben könnte.
Die Technik
Insgesamt 140 Stunden Druckzeit benötigte ein einfacher, überall erhältlicher 3D Drucker, um den Schädel Meritamuns zu erstellen, der schließlich für die Rekonstruktion des Gesichts genutzt wurde. Nicht mitgerechnet die Feineinstellungungen und Designarbeiten von Gavan Mitchell, die in der Abteilung für Anatomie und Neurowissenschaft arbeitet. Weil der 3D Drucker immer von unten anfängt und oben erst detaillierter wird, musste Mitchell den Schädel in zwei Sektionen aufteilen, um Kiefer und Basis des Schädels besser einfangen zu können.
Meritamun bekommt ein Gesicht
Jennifer Mann gab Meritamun anhand des 3D Drucks schließlich ihr Gesicht zurück. Gesichtsrekonstruktionen lernte sie am forensischen Anthropologie Center an der Universität in Texas, wo sie unidentifizierbare Gesichter von Mordopfern rekonstruierte. Natürlich können Gesichtsrekonstruktionen nur die ungefähre Ähnlichkeit einer Person zu Lebzeiten wiedergeben, wie Mann sagte, aber ihre Arbeit in Texas kam den lebenden Personen immer sehr nahe.
Für ihre Rekonstruktion hielt sie sich an spezielle Merkmale des ausgedruckten Schädels und an Durschnittswerte von Bevölkerungsdaten. Die Daten wurden von denen moderner Ägypter abgeleitet, die speziell von Rekonstruktionsexperten in der ganzen Welt gesammelt wurden.
Der Ton wurde dann nach der Muskulatur des Gesichts und nach bekannten anatomischen Verhältnissen aufgetragen. Meritamuns Nase war durch die enge Anbringung der Bandagen während der Einbalsamierung sehr plattgedrückt, aber Mann konnte die Nase durch eigene Kalkulationen, die sich an die Abmessungen der Nasenhöhle orientierten, wieder rekonstuieren. Meritamun hatte zudem einen leichten Überbiss, wie Mann rekonstruierte. Ihre Ohren wurden anhand der CT-Scans rekonstruiert.
Farbton der Haut und Haare
Schwierig wurde es bei der Farbe des Gesichtes und die Forscher wählten letztendlich eine Mittelweg zwischen den Meinungen der schon lange andauernden Debatte, welche Hautfarbe die alten Ägypter hatten. Meritamuns Gesicht trägt nun einen dunklen Olivton. Vorbild für ihre Haare war die Frisur der Dame Rai, die um 1570 – 1530 v. Chr. in Ägypten lebte und deren Mumie im Ägyptischen Museum Kairo liegt. Einen ganzen Tag lang brauchte der Melbourner „African Hair Salon“ für die Perücke mit ihren vielen geflochtenen Strähnen.
Dr. Davey freut sich, dass die Forscher der Dame ohne Namen ihre Identität zurückbringen konnten. Und als Gegenleistung hat sie der Gruppe aus unterschiedlichsten Forschern die Gelegenheit gegeben, zu forschen und die Grenzen des Wissens und der Technologie so weit wie möglich auszudehnen.
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Sowas finde ich sehr interessant. Gerade wenn man selber modelliert und zeichnet. Ebenso das Interesse an Mumien und Geschichte vorhanden ist. 😉 Wenn man der Modellierung des Gesichtes glauben darf, dann war das eine sehr hübsche Frau. Merkwürdig dass keiner mehr weiß wo der Kopf her kam. Bzw wer ihn gefunden hatte und wo der Rest der Mumie hin ist.