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Reiche Adlige einbalsamiert mit Fischöl

Ein Grab, das die Jahrtausende bis in die heutige Zeit ungeöffnet überstanden hat, ist immer eine archäologische Sensation. 1906 wurde auf dem Westfriedhof von Deir el-Medina ein solches Grab gefunden, in dem der königliche Baumeister Kha und seine Frau Merit begraben lagen. Ihre Mumien gaben Wissenschaftlern bisher Rätsel auf, da den Körpern entgegen der damals üblichen Mumifizierungspraxis nicht die inneren Organe und das Gehirn entnommen worden waren. Konnte es sein, dass ein so bedeutender Beamter keine ordentliche Einbalsamierung erhalten hatte? Und was war das für eine schwarzglänzende Masse, mit der die äußeren Sarkophage überzogen waren? Hatte man sie mit Bitumen gegen Feuchtigkeit abdichten wollen? Diesen Fragen wollte ein Forscherteam um Frank Rühli und Michael Habicht von der Universität Zürich mit einer neuen Untersuchung nachgehen. Nach früheren Durchleuchtungen 1966 und 2001 wollte man eine erneute Röntgenuntersuchung mit modernster Technik durchführen; zusätzlich sollten aber erstmals auch chemische Analysen der Einbalsamierungssubstanzen und der Beschichtung der Sarkophage vorgenommen werden.

Wer waren Kha und Merit?

Kha und Merit lebten etwa 1400 v.Chr. in der damaligen Hauptstadt Waset (später Theben, heute Luxor). Obwohl Kha vermutlich aus bescheidenen Verhältnissen stammte, machte er Karriere und wurde schließlich zum Vorsteher der königlichen Arbeiten in Deir el-Medina, wo er die Aufsicht über die Arbeiten an den königlichen Gäbern hatte. Er diente drei Pharaonen, zuletzt Amenhotep III., während dessen Regierung er im Alter von etwa 60 Jahren starb.

Kha und Merit waren wohlhabend, wie man den 5 verschachtelten und teilweise vergoldeten Sarkophagen und den fast 500 Grabbeigaben entnehmen kann, die derzeit übrigens im Turiner Museum in einer nachgebauten Grabkammer ausgestellt werden. Sie hatten zwei Söhne und eine Tochter. Khas „Herrin des Hauses“, seine Ehefrau Merit, starb früh, vermutlich noch vor ihrem 30. Lebensjahr, und das wohl völlig überraschend, denn sie wurde in einem viel zu großen Sarkophag bestattet, der wohl für ihren Mann angefertigt worden war.

Der Grabfund

Bereits im frühen 19. Jh. hatte der italienisch-französiche Diplomat und Kunstsammler Bernadino Drovetti auf dem Westfriedhof des Dorfes Deir el-Medina Khas bemalte Grabkapelle und eine Grabstele gefunden, so dass Daten über Khas Leben bereits bekannt waren. Erst 1906 aber fand der italische Archäologe Ernesto Schiaparelli etliche Meter von der Grabkapelle entfernt die noch versiegelte Grabkammer von Kha und Merit, die man tatsächlich so vorfand, wie man sie beim Begräbnis verschlossen hatte. Nicht einmal Tutanchamun hatte dieses Glück, da sein Grab in der Antike zumindest einmal geöffnet worden war. Der Fund war und ist daher ein Glücksfall für die Wissenschaft, da hier viele Erkenntnisse über die Bestattungsriten der damaligen Zeit, insbesondere über solche von nicht-königlichen Begräbnissen, gewonnen werden konnten.

In dem Grab hatten sich keine Kanopen befunden, das sind die vier krugähnlichen Gefäße, die normalerweise die inneren Organe der Toten beherbergen. Aus den früheren Scans weiß man auch, dass Khas und Merits Körper tatsächlich unversehrt sind und sich Gehirn und innere Organe also noch an ihren natürlichen Stellen befinden, obwohl es, nach allem was wir wissen, damals die übliche Praxis war, diese während der Einbalsamierung zu entfernen. Das hatte die bisherige Meinung gefördert, dass die beiden Adligen nur schlampig oder evtl. überhaupt nicht einbalsamiert worden waren.

Bisherige und neue Erkenntnisse

Merit wurde in einem viel zu großen Sarkophag bestattet, der ursprünglich ihrem Mann gehörte
Merit wurde in einem viel zu großen Sarkophag bestattet, der ursprünglich ihrem Mann gehörte

Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass Kha etwa 171-172 cm groß und vermutlich übergewichtig war, und dass er Arteriosklerose hatte, als er mit etwa 60 Jahren starb. Er hatte sich einen Bruch des ersten Lendenwirbels zugezogen, litt unter Arthritis an der Wirbelsäule und den Knien und hatte nur noch wenige Zähne. Das Skelett und auch die inneren Organe hatten dagegen einen hervorragenden Zustand.
Die neuen Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse und zeigen zusätzlich, dass Kha eine Sehnenentzündung am linken Ellenbogen hatte und an verschiedenen Wirbeldegenerationen litt. Ein Beleg für eine Todesursache, bspw. eine tödliche Krankheit oder Verletzung, lassen sich auch aus den neuen Untersuchungen aber nicht erkennen.

Von Merit wusste man, dass sie zwischen 148 und 160 cm groß war und mit 25-30 Jahren starb. Ihr Skelettzustand war wegen mehrerer nach ihrem Tod erfolgten Knochenbrüche sehr schlecht, dafür war ihr Gebiss noch fast vollständig und gut erhalten.
Die neuen Untersuchungen sprechen eher für eine Körpergröße von 160 cm als für die kleinere Variante. Die Knochen der Arme, des Oberkörpers und der Hüfte sind aufgrund mehrerer Brüche z.T. deutlich verschoben.

Chemische Untersuchungen

Aufschlussreicher als die neuen Röntgenbilder sind die Ergebnisse der chemischen Untersuchungen, die an diesen Mumien und den Sarkophagen erstmals durchgeführt wurden. Die Einbalsamierung von Kha erfolgte mit einer Mixtur aus tierischem Fett und Pflanzenöl, gemischt mit etwas Balsam, Duftessenzen, einem Pflanzengummi und Koniferenharz. Dieses Harz und der Balsam gaben der Einbalsamierungslösung eine antibakterielle und insektizide Wirkung. Sehr überrascht waren die Forscher, dass bei Merits Einbalsamierung tatsächlich Fischöl verwendet worden war. Dies ist eine höchst ungewöhnliche Entdeckung. In dem roten Leichentuch, das sie umhüllte, fand man zudem das seltene und sicher kostspielige Pistazienharz.

Bezüglich des schwarzglänzenden Überzugs der Sarkophage konnte die bisherige Vermutung, dass es sich hier um Bitumen handelt, widerlegt werden. Vielmehr handelt es sich um stark erhitztes Pistazienharz, vermischt mit ein wenig Balsam und Zedernöl. Die schwarze Färbung ist wohl auf das starke Erhitzen des Harzes zurückzuführen. Vielleicht wurde hier aber auch ein wenig mit Holzkohle nachgeholfen.

Geschmückt für das Jenseits

Schmuck, insbesondere metallener, lässt sich auf Röntgenbildern natürlich auch gut ausmachen. Hier eine Auflistung der Schmuckstücke der Toten:
Kha trägt einen steinerner Schlangenkopf, üblicherwise aus Karneol gefertigt, der schützend vor seiner Stirn liegt, außerdem das Ehrengold, eine Kette aus Goldscheiben, und große Ohrringe, bezogen mit 1 mm dickem Blattgold. Weiterhin trägt er sechs Ringe an den Fingern, einen Herzskarabäus, ein Amulett der Isis um den Hals und goldene Oberarmreifen.
Merits Schmuck besteht aus einem breiten Halskragen aus Gold und Edelsteinen, zwei gerippten Ohrringen, vier Fingerringen, einem Gürtel aus Perlen und metallenen Kaurimuscheln, einer Halskette aus feinen Perlen, verbunden durch kleine Goldröhrchen, und einem Perlenarmband.

Auch bei Merit sieht man noch die Überreste ihres Gehirns (siehe Pfeile). Das Gebiss lässt auf ein Alter von ungefähr 30 Jahren schließen. Eventuell hatte auch Merit zu Lebzeiten eine Hakennase. Um ihren Hals sieht man deutlich den Usech-Kragen. Als weiteren Schmuck trägt sie zwei geriffelte Ohrringe (Doppelpfeil) und einen Fingerring, der hinter ihrem Nacken verrutscht ist
Auch bei Merit sieht man noch die Überreste ihres Gehirns (siehe Pfeile). Das Gebiss lässt auf ein Alter von ungefähr 30 Jahren schließen. Eventuell hatte auch Merit zu Lebzeiten eine Hakennase. Um ihren Hals sieht man deutlich den Usech-Kragen. Als weiteren Schmuck trägt sie zwei geriffelte Ohrringe (Doppelpfeil) und einen Fingerring, der hinter ihrem Nacken verrutscht ist

Ungewöhnliche Mumifikation, aber state-of-the-art

Der Sarkophag des Kha beim digitalen Röntgen
Der Sarkophag des Kha beim digitalen Röntgen

Von einer schlampigen oder gar fehlenden Einbalsamierung des reichen Ehepaares kann nach diesen neuen Erkenntnissen also keine Rede sein. Im Gegenteil sind beide Mumien, und auch die Gehirne und inneren Organe, in einem hervorragenden Zustand, der nur durch eine sorgfältige Mumifizierungsprozedur erreicht werden konnte. Die teuren Zutaten, die verwendet wurden, und auch die üppigen Grabbeigaben und der Schmuck, den die Toten tragen, lassen nur den Schluss zu, dass beide Begräbnisse sehr bewusst und standesgemäß durchgeführt wurden.

Bisher wusste man nur von einigen Königinnen des Mittleren Reiches, dass diese mit ihren inneren Organen einbalsamiert worden waren. Die neuen Untersuchungsergebnisse beweisen nun, dass diese Mumifizierungspraxis auch im Neuen Reich zumindest bei nicht-königlichen Toten als vollwertige Einbalsamierung galt, und dass die Erhaltung des Körpers für die Ewigkeit damit durchaus erfolgreich bewerkstelligt werden konnte. Der bisher allseits akzeptierte Umstand, dass Gehirn und Organe zur Mumifizierung immer entfernt wurden, muss also seit dieser Untersuchung neu überdacht werden.

Den ganzen (englischsprachigen) Artikel findet ihr bei Plos One

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