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Schwein über Bord in Beni Hassan

Und wieder zeigt sich, dass in Beni Hassan, nahe der mittelägyptischen Stadt Minya, außergewöhnliche Tierdarstellungen zu finden sind. Mittels einer speziellen Bildbearbeitungssoftware gelang es, äußerst ungewöhnliche Darstellungen von Schweinen sichtbar zu machen.

Die Gaufürsten des sogenannten Gazellengaus, die sich im Mittleren Reich in den 12 dekorierten Felsengräbern Beni Hassans bestatten ließen (es gibt 27 weitere undekorierte Gräber), scheinen eine große Freude daran gehabt zu haben, die Schönheit und Vielfalt der Natur in ihren Gräbern zu verewigen. Es gibt eine Fülle von Tierdarstellungen, unter denen auch einige höchst ungewöhnliche Tiere sind, die normalerweise nicht in der altägyptischen Ikonografie auftauchen.

Bereits vor einem guten halben Jahr berichteten wir über die erstaunlichen Funde einer Forschergruppe um die australische Ägyptologin Linda Evans, die von Pelikanen, Fledermäusen und dem ganz ungewöhnlichen Bild einer an der Leine geführten Manguste berichtete. Nun hat sie mit Ihrer Kollegin Anna-Latifa Mourad ein neues Papier im »Journal of Archaelogical Science: Reports« veröffentlicht, in dem es um Schweine geht – eine Tierart, von der man kaum Darstellungen aus dem alten Ägypten kennt.

Dass die beiden Forscherinnen in den teils stark verblichenen Grabmalereien überhaupt zweifelsfrei Schweine ausmachen konnten, liegt an der Nutzung des Plugins DStretch, das in die Open Source Bildverarbeitungssoftware ImageJ eingebunden werden kann. Mit DStretch können kaum sichtbare Farben und Konturen verstärkt und kontrastreicher gemacht werden. Die Vorläufer dieser Software wurden genutzt, um Luftbilder auszuwerten und sogar die NASA verwendete sie 2004 zur Anreicherung der Bilder des Marsrovers. 2005 entwickelte der Felsenkunst-Spezialist John Harman daraus dann DStretch, um die Konturen stark verblichener Felsenbilder stärker definieren zu können. Obwohl die Software in der Archäologie zunehmend verwendet wird, wird sie von Ägyptologen bisher kaum genutzt. Das könnte sich nach den spektakulären Ergebnissen dieser Studie nun aber ändern.

Wildschweine im Grab des Baqet III, Beni Hassan, Bilder: Linda Evans, Macquarie Universität Sydney

Auf dem nördlichen Ende der Westwand im Grab des Baqet III, einem Gaufürsten der 11. Dyn. des Mittleren Reiches, stieß man auf bisher unentdeckte Szenen. In den 1890er Jahren konnte der Entdecker der Gräber, Percy Newberry, der alle Dekorationen der Gräber auswertete und abzeichnete, diese Szene nicht richtig erkennen. Erst die neuerliche Auswertung der australischen Forscher hatte ergeben, dass es sich hier um eine großangelegte Marschlandszene handelt. Und in dieser Marschlandszene konnten nun mit Hilfe der digitalen Colorierung via DStretch einzelne Tierdarstellungen ermittelt werden.

So fanden die Forscherinnen u.a. ein Wildschwein mit zwei Frischlingen (s.o.). Die Bildreihe zeigt, wie sehr die Colorierung durch DStretch helfen kann, die Konturen der Darstellungen hervortreten zu lassen. Kennzeichnend dafür, dass es sich um Wildschweine handelt, sind u.a. die Borsten auf dem Rücken der drei Tiere. Den kleinen Frischling unter der großen Wildsau hatte man vor der digitalen Bearbeitung überhaupt nicht gesehen.

Ein Schwein wird ins Wasser gehalten, Grab des Baqet III, Beni Hassan. Bilder: Linda Evans, Macquarie Universität Sydney

Eine weitere interessante, weil völlig überraschende, Szene auf dieser Westwand ist die Darstellung eines Schweines, das von zwei kleinen Booten aus kopfüber ins Wasser gehalten wird. Mehrere Männer halten es dabei an den Hinterbeinen fest.

Ebenfalls unüblich ist die Szene aus dem Grab des Khety (Westwand der Kapelle), in der zwei Träger ein Tier transportieren. Der Erste trägt es auf den Schultern mit den Beinen in der Luft, der Zweite unterstützt den herabhängenden Kopf. Beide gehen nach links auf eine größere Figur zu, die eine Peitsche schwingt (nicht im Bild). Auch wenn hier keine Borsten zu sehen sind, da das Tier ja überkopf dargestellt ist und so mit dem Rücken auf den Schultern des Trägers liegt, deuten die Form der Schnauze bzw. des Rüssels und die in paarhufigen Klauen endenden Beine an, dass es sich auch hier um ein Schwein handelt.

Transport eines erlegten Wildschweins, Grab des Khety, Beni Hassan. Bilder: Linda Evans, Macquarie Universität Sydney

In unserem Bericht im Mai hatten wir noch angekündigt, dass die australischen Forscher demnächst auch Darstellungen von Fledermäusen publizieren würden (und zwei wenig aussagekräftige Bilder sind in diesem Forschungsbericht auch enthalten), aber Linda Evans teilte uns mit, dass daran erst noch weiter geforscht werden müsse, da bislang noch zu wenige Fakten ermittelt seien. Immerhin hätte man mittels DStretch jetzt aber bewiesen, dass es sich tatsächlich um Fledermäuse handelt, die in den Grabgemälden dargestellt sind. .

Geier mit Ankh. Grab des Khety, Beni Hassan. Bilder: Linda Evans, Macquarie Universität

Dafür hat man in der nun veröffentlichten Studie aber das Bild eines Falken, der ein Ei trägt (Grab des Khety, Ostseite der Nordwand), ebenfalls mit der Bildbearbeitungssoftware unter die Lupe genommen. Und siehe da: Newberry lag falsch mit seiner Interpretation. Es ist nämlich gar kein Falke sondern ein Geier – und er trägt auch gar kein Ei sondern ein Ankh-Zeichen! Ohne die Verwendung der Bildsoftware hätte man dies wohl nicht herausgefunden, weil die geiertypische Form von Hals und Kopf auf dem Originalgemälde mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen sind.

Die Darstellung von Falken oder Geiern – als Verkörperung der Götter Horus und Nechbet –, die Ankh-Zeichen tragen, sind aus einigen wenigen königlichen Zusammenhängen bekannt. Was so ein seltenes Motiv jedoch in einem Privatgrab des Mittleren Reiches zu suchen hat, das muss erst noch näher untersucht werden.

1 Gedanke zu „Schwein über Bord in Beni Hassan“

  1. Die Geierfigur mit dem Anchzeichen in den Fängen in einem nichtköniglichen Grab(Nomarchengrab),wäre sicherlich im Alten Reich undenkbar gewesen.
    Hier ist wohlmöglich schon die immer stärker wachsende Macht der Gaufürsten
    spürbar,sich solch eindeutig königliche Attribute anzueignen,welche schließlich
    im weiteren Verlauf des mittleren Reichs zu immer weiterer Schwächung der Zentralgewalt führte.

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