Eine neue Gesichtsrekonstruktion macht Anfang dieses Jahres Schlagzeilen, weil sie einem der berühmtesten Pharaonen der altägyptischen Geschichte ein Gesicht gibt: König Ramses II. oder Ramses der Große, wie er auch genannt wird. Basierend auf CT-Scans der Mumie entwickelten ägyptische und britische Forscherinnen nun die wissenschaftlichen Parameter, aus denen dann eine Computersoftware, die auch bei Kriminalfällen eingesetzt wird, das mögliche Gesicht entwickelte.
Dr. Sahar Saleem, Professorin für Radiologie an der Universität Kairo, scannte alle 22 königlichen Mumien, bevor diese im vergangenen Jahr mit einer großen Parade (wir berichteten) feierlich vom altehrwürdigen Ägyptischen Museum am Tahrirplatz in das neue Nationalmuseum der ägyptischen Zivilisation (NMEC) überführt wurden. Aus ihren CT-Scans der Mumie Ramses‘ II. entwickelte Saleem dann ein dreidimensionales, virtuelles Modell des Schädels.
Ausgehend von diesem 3D-Schädel rekonstruierte ein Team um Prof. Caroline Wilkinson, Leiterin des sogenannten „Face Lab“ der britischen Liverpool John Moores University (LJMU), das Gesicht des großen Pharaos. Wenn man sich einen Schädel ansehe, dann schaue man zuerst auf die charakteristischen Merkmale, erklärte Wilkinson. Bei Ramses II. war das ein sehr breites Nasenbein, das sogar zwischen den Augen noch hoch und ausgeprägt war.
Mit Hilfe der CGI-Technik, die man auch aus dem Einsatz in Animationsfilmen kennt, ergänzte Wilkinson Haut, Augen und Haare in der Art, wie sie nach Dr. Saleems Meinung im alten Ägypten häufig vorkamen. So ergab sich zunächst das Gesicht des Pharaos zum Zeitpunkt seines Todes. Bei Hautfarbe, Falten, Augen und Haaren sei man natürlich auf Schätzungen angewiesen, sagte Wilkinson. Was aber die Form angehe, so hätten 70% der Oberfläche eines rekonstruierten Gesichts weniger als 2mm Fehlervarianz; hier sei die Rekonstruktion also sehr genau.
Nachdem das „gealterte“ Gesicht des Pharaos hergestellt war, wurde eine andere Software verwendet, mit der man Altersspuren zurückführen und somit ein Gesicht „verjüngen“ kann. So wurde aus dem Gesicht des 90-jährigen Ramses II. ein zweites, jüngeres Abbild generiert, das den ca. 45 Jahre alten Ramses II. darstellt. Diese Arbeit war besonders herausfordernd, sagte Caroline Wilkinson, weil der ganze Prozess in 3D erfolgen sollte.
Sahar Saleem ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es zeige eine sehr gut aussehende ägyptische Person mit den für Ramses II. charakteristischen Gesichtszügen, nämlich einer ausgeprägten Nase und starker Kinnlade. Für sie helfen solche Gesichtsrekonstruktionen, die Menschlichkeit der Mumien ein Stück weit wiederherzustellen. Wenn die Mumien „ein Gesicht bekommen“ würden sie menschlicher und das schaffe eine neue Art der Verbindung und helfe auch, ihr Vermächtnis wieder herzustellen.
Pharao Ramses II. wurde ca. 90 Jahre alt und regierte von 1279 bis 1213 v.Chr., also 66 Jahre lang. So hatte er viel Zeit, Bauwerke zu erschaffen, die seinen Ruhm bis heute verkünden. Aber nicht nur deshalb gilt er als einer der bedeutendsten Könige Ägyptens. Er führte das ägyptische Reich zu einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Blüte und war auch als Militärführer und Diplomat so erfolgreich, dass Ägypten unter seiner Regierung eine überwiegend friedliche Zeit erlebte. Seine Mumie wurde 1881 in der Cachette von Deir el-Bahari im heutigen Luxor gefunden und 5 Jahre später von Gaston Maspero ausgewickelt.
Ein Video der oben beschriebenen Computer-Rekonstruktion findet ihr hier. Dies sei die bisher erste wissenschaftliche Rekonstruktion des Gesichts von Ramses II., da sie auf CT-Scans seines Schädels basiere, sagen die beiden Wissenschaftlerinnen. Frühere Versuche waren eher künstlerischer Art und gingen rein von zweidimensionalen Bildern des Gesichts der Mumie aus. Wer trotzdem Lust hat, kann einmal in diese beiden kurzen Videos schauen: Video 1 und Video 2, die ebenfalls spekulieren, wie Ramses II. ausgesehen haben könnte.