Die Schließung aller archäologischen Stätten und Museen des Landes nutzt die ägyptische Regierung, um umfangreiche Desinfizierungsmaßnahmen durchzuführen. Das Ministerium für Altertümer und Tourismus postet seit Tagen Fotos davon aus Hotels, Museen, Flughäfen, Bahnhöfen und von archäologischen Stätten. Nun hat es sogar ein kurzes Video veröffentlicht, in dem das Areal um die Pyramiden in Gizeh desinfiziert wird: die Wege, Schilder, das Ticket-Office und das Besucherzentrum. Man sei in der ersten von mehreren Desinfektionsphasen, sagt Ashraf Mohie El-Din, der Generaldirektor der Pyramiden. Zunächst würden alle Touristenstätten desinfiziert, später müssten Fachleute dann auch noch die Artefakte mit speziellen, schonenden Methoden reinigen.
Die Stätten und Museen wurden von der Regierung zunächst nur bis zum 31. März geschlossen, aber es ist kaum vorstellbar, dass diese Maßnahme nicht verlängert wird, schließlich sind auch die Schulen und Universitäten bis Mitte April zu. Andererseits ist in Ägypten Vieles vorstellbar – und es leben zu viele Menschen direkt oder indirekt vom Tourismus, als dass man einen „freiwilligen Shutdown“ der Tourismusindustrie lange durchhalten könnte. Antiken- und Tourismusminister El-Enany plant denn auch schon neue Vorhaben, um nach Corona mit neuen Angeboten mehr Touristen anzuziehen.
Im Schlafwagen vom Roten Meer ins Tal der Könige?
Einen dieser Pläne besprach er am vergangenen Montag mit dem Minister für Transport, Kamel Al-Wazir, sowie mit weiteren wichtigen Amtsträgern, wie den Vorsitzenden der Handelskammer und der Verbände der Hotels und der Tourismusfirmen. Die alte Bahnstrecke von Abu Tartour über Qena und Safaga bis nach Hurghada soll ausgebaut werden und dann will man dort Schlafwagenzüge einsetzen, mit denen Touristen vom Roten Meer nach Luxor, oder umgekehrt, fahren können. Damit sollen der Entspannungsurlaub und der Kultururlaub besser miteinander verbunden werden, da der Zug erheblich billiger als ein Inlandsflug sein würde. Von der besseren CO2-Bilanz wird in diesem Zusammenhang nicht gesprochen – Ägypten hat derzeit andere Sorgen als das Klima…
Bereits durch die Errichtung von Museen in den großen Badeorten Hurghada und Sharm el-Sheikh (wir berichteten) hatte man den Badeurlaubern auch Kulturangebote vor Ort gemacht. Zukünftig wolle man umgekehrt auch im Niltal, bspw. in Luxor oder Assuan, den Erholungs- und Entspannungsurlaub fördern, sagte El-Enany.
Arbeiten im GEM gehen planmäßig weiter
Ob das Große Ägyptische Museum (GEM) auf dem Pyramidenplateau tatsächlich wie geplant Ende des Jahres öffnen wird, hatten manche Fachleute schon länger bezweifelt. Angesichts der Coronakrise sind diese Zweifel nicht geringer geworden. Aber man bemüht sich natürlich, so würde das Museum angeblich täglich sterilisiert, bevor die Arbeiter hineingelassen würden und an den Eingängen fänden Temperaturmessungen statt, sagte Atef Moftah, der General Supervisor des Museums. Die große morgendliche Versammlung zur Anwesenheitskontrolle sei abgeschafft worden und außerdem wurden Banner mit der Aufschrift „Kein Händeschütteln!“ aufgehängt. Zusätzlich habe man die Arbeitspausen in drei Schichten eingeteilt, um größere Ansammlungen zu vermeiden.
Einrichtung der großen Halle schreitet voran
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen sei man aber im Zeitplan, wird betont. Insgesamt sollen einmal 87 Statuen altägyptischer Könige in der großen Treppenaufgangshalle stehen. 36 besonders große Statuen habe man bereits aufgestellt, 51 kleinere werden in den nächsten Wochen folgen.
In dem riesigen „Treppenhaus“ des Museums soll es vier Bereiche geben. Im ersten Sektor liegt der Fokus auf bildhauerischen Darstellungen des Königs, im zweiten auf religiösen Kult- und Opferhandlungen. Ein dritter Bereich illustriert die Beziehung der verschiedenen Könige zu ihren Göttern und im vierten Abschnitt sollen die Mumifizierung und das Leben nach dem Tod beleuchtet werden.
In der oberen Ebene des großen Treppenhauses ermöglicht ein riesiges Panoramafenster dann den Blick auf die Pyramiden und vermittelt dem Besucher, dass alles Streben der alten Ägypter auf die Ewigkeit ausgerichtet war.
Coronabekämpfung auf Ägyptisch
Wenn man sich die annähernd 100 Fotos ansieht, die das Ministerium inzwischen veröffentlicht hat, auf denen aus großen Behältern eine Flüssigkeit versprüht wird, fragt man sich unwillkürlich, wo Ägypten wohl so viel Desinfektionsmittel her hat, wenn das doch weltweit derzeit gerade Mangelware ist. Und wer Ägypten kennt, der kann sich durchaus vorstellen, dass in dem einen oder anderen Behälter auch „ägyptisches Desinfektionsmittel“ ist, also eine Flüssigkeit, zu deren Risiken und Nebenwirkungen man einen Arzt oder Apotheker nicht erst fragen muss. Als „wirkungslos“ kann man es aber auch nicht bezeichnen, denn gerade wegen der Wirkung auf die eigene Bevölkerung und die Tourismusbranche wird es ja versprüht – und dies recht medienwirksam in dutzenden Posts und Pressemitteilungen nach außen getragen!
„Typisch ägyptisch“ ist auch diese Meldung, die uns eine Freundin aus Luxor zukommen ließ: An den Geldautomaten der Stadt hängen nun Rollen mit Papiertüchern aus, die man abreißen kann, um dann den Geldautomaten damit zu bedienen. Sofern dazu überhaupt ein Mülleimer gestellt wurde, ist dieser aber (typisch ägyptisch) überfüllt und daher liegt der ganze Raum voll mit theoretisch kontaminierten und im Wind herumflatternden Papiertüchern.
Auch sehr treffend sind diese drei „Schmankerl“, die wir unter den offiziell veröffentlichten Fotos gefunden haben. Denn auch das ist Ägypten, wie es leibt und lebt:
• Viele Männer gucken einer Frau beim Arbeiten zu,
• auch die Landschaft wird desinfiziert,
• Schutzkleidung à la Ägypten bedeutet Jogginganzug und Adiletten – Hauptsache der Chef zeigt Dir, wohin gesprüht werden muss.
Mangelnden Einsatz kann man den Ägypter*innen jedenfalls nie – auch nicht in der Coronabekämpfung – vorwerfen…
Ich reise seit über 30 Jahren als Hobbyforscher nach Ägypten. Dieses Jahr wäre es Ende April. Doch selbst wenn ich fliegen könnte, was derzeit nicht möglich ist, verschiebe ich die Reise für unbestimmte Zeit. Die Desinfektionsmaßnahmen mögen ja überaus gut gemeint sein, doch bekannterweise erfolgt eine Ansteckung mit dem Virus maßgeblich über Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Anstatt tonnenweise Chemie zu versprühen, was keine nachhaltige Maßnahme ist, sollten die Verantwortlichen, und das gilt für alle Länder – nicht nur für Ägypten, besser möglichst viele Händedesinfektionsspender aufstellen und eine Maskentragpflicht verordnen. Denn selbst Papier- und Stoffmasken, die sich von kleinen Manufakturen schnell und einfach herstellen lassen, verhindern beim Niesen oder Husten recht wirkungsvoll, dass eine bereits infizierte Person das Virus weitergibt. Das scheinen – für mich völlig unverständlich – bisher aber nur die Asiaten kapiert zu haben. Und so steigt die Zahl infizierter Personen weltweit stetig an und die Wirtschaft bleibt dabei zum Teil völlig unnötigerweise auf der Strecke.