Forschende der Pariser Sorbonne Universität und der Universität Lüttich untersuchten Wandmalereien in zwei Beamtengräbern auf Luxors Westbank. Mit portablen Röntgenfluoreszenzgeräten bestimmten sie die chemische Zusammensetzung der verwendeten Farben und stießen dabei auf Unterschiede, die Übermalungen belegen. Erst weitere Forschung wird zeigen, ob solche Korrekturen die Ausnahme oder übliche Praxis beim Bemalen von Gräbern war.
Nur wenige Gräber der thebanischen Nekropole wurde bislang mit wissenschaftlichen Methoden detailliert untersucht, so z.B. das Grab des Tutanchamun (KV62), das der Nefertari (QV66) und das des Beamten Menna (TT69). In den letzten Jahren hat die chemische Bildgebung aber große Fortschritte gemacht. Mit Hilfe der Makro-Röntgenfluoreszenzanalyse (MA-XRF) können die einzelnen chemischen Elemente eines Gemäldes oder einer Farbschicht sichtbar gemacht werden. Entsprechende Untersuchungen, z.B. an „alten Meistern“, wurden bisher meist im Labor oder in Museen vorgenommen. Die französischen und belgischen Forschenden haben nun zwei portable MA-XRF-Geräte in Luxor direkt in Grabkapellen gestellt und die Wandmalereien so direkt vor Ort untersucht.
Für diese wissenschaftliche Studie wurden die folgenden zwei Grabkapellen ausgewählt: Das Grab des Menna, ein Aufseher der Katastervermessungen unter Amenophis III., 18. Dyn., 14.Jh. v. Chr., TT 69, und das Grab des Nachtamun, Oberster des Altars im Ramesseum, TT 341, 19./20. Dynastie. Diese beiden Gräber wurden wegen ihres hervorragenden Erhaltungszustands und ihrer Zugänglichkeit ausgewählt.
Die Arme von Menna
Das Grab des Menna aus der 18. Dynastie ist eines der besterhaltenen und meistbesuchten Beamtengräber auf Luxors Westbank. Auf unserer Liste der virtuellen Besichtigungen ägyptischer Sehenswürdigkeiten gibt es auch einen virtuellen Rundgang durch dieses Grab. Das von den Forschenden hier untersuchte Wandbild findet sich im Quergang links hinten an der Stirnwand.
Die Übermalung eines Arms von Menna ist seit der Entdeckung seines Grabes im Jahr 1888 bekannt, weil sie mit bloßem Auge sichtbar ist. Menna steht in dieser Szene mit seiner Frau vor dem Gott Osiris und hat seine Hände zur Anbetung erhoben. Ursprünglich war der vordere Unterarm etwas weiter vorn und wurde dann „korrigiert“. Die weiße Übermalung deckt aber den ursprünglichen Unterarm nur unzureichend ab, so dass ein „Schatten“ weiterhin zu sehen ist. Dies wird zur Zeit von Mennas Bestattung natürlich nicht sichtbar gewesen sein. Die Forschenden vermuten, dass chemische Reaktionen zwischen den antiken Materialien und die Wanderung von bestimmten Inhaltsstoffen an die Oberfläche dafür verantwortlich sind.
Aber wann wurde die „Korrektur“ vorgenommen? Hier sollten die gezielten Scans nach bestimmten chemischen Elementen helfen, die in den Farben der altägyptischen Maler vorkommen. Die Übereinstimmung der Bestandteile der weißen Hintergrundfarbe mit dem Weiß, das zum Übermalen des ersten Arms benutzt wurde, lässt die Forschenden glauben, dass die Änderung noch während der Dekorationsphase des Grabes erfolgte. Allerdings verwundert es dann, dass die Zusammensetzung der Farben der beiden Arme so unterschiedlich ist. Wie aus der „chemischen Kartierung“ des Bereichs hervorgeht, wurde für den ursprünglichen Arm (arm2) eine Farbmischung verwendet, die einen sehr hohen Anteil an Arsen hatte. Im Gegensatz dazu bestand die Farbe des „neuen“ Arms (arm1) aus einem Farbgemisch, in dem Eisen und Arsen fast gleichmäßig verteilt waren.
Dort, wo die beiden Farbmischungen übereinander liegen, erreicht der Arsenwert einen Höchststand. Das lässt die Forschenden vermuten, dass der neue Arm einfach über den alten drübergemalt wurde, ohne den alten Arm vorher mit der weißen Hintergrundfarbe zu übermalen.
In Nahaufnahmen einiger Stellen am Handgelenk und am Ellenbogen, an denen die Übermalung abgebröckelt und die Farbe des ersten Arms sichtbar ist (Bilder B, C, D), stellen die Forscher ein etwas helleres Rot fest. Der erste Arm ist etwas mehr orangerot (Bild D) und wurde vielleicht mit Realgar, einem Pigment aus Arsenschwefel, hergestellt. Die Farbe des zweiten Arms ist dunkler und enthält mehr Eisenoxid. Dies wird in dem rechten Bild (E) sehr schön sichtbar, in dem das Eisen rötlich und das Arsen grünlich dargestellt ist.
Das dunklere, eisenhaltige Ocker war eine sehr gut deckende Farbe, die den helleren Ton des ersten Arms problemlos überdecken konnte. Dennoch sehen wir heute dort, wo beide Farbschichten übereinander liegen, eine dunklere Schattierung der Hautfarbe (Bild A). Die hellere, arsenbasierte Farbe des übermalten Arms reagierte also im Laufe der Zeit irgendwie sowohl mit der weißen Abdeckfarbe als auch mit dem dunkleren Ocker des zweiten Arms, so dass heute an beiden Stellen ein „Schatten“ des ersten Arms sichtbar ist.
Wieso für die „Korrektur“ des Arms überhaupt eine andere Farbmischung verwendet wurde als für den ursprünglichen Arm, können die Forschenden nicht abschließend erklären. Vermutlich waren die Arbeiten in Mennas Grab unter mehreren Handwerkern aufgeteilt, darunter einfache Maler und spezialisierte Zeichner. Details der Pinselführung lassen vermuten, dass mindestens vier verschiedene Zeichner bzw. Schreiber tätig waren. Vielleicht wurde die Grabdekoration über einen längeren Zeitraum hergestellt. Leider geben uns all diese Vermutungen über das Wie gar keinen Hinweis auf das Warum. Aus welchem Grund diese, aus unserer heutigen Sicht irgendwie unbedeutende Veränderung der Armposition überhaupt durchgeführt wurde, kann diese Studie nicht beantworten.
Eine ungewöhnliche Darstellung von Ramses II.
Das zweite untersuchte Wandbild befindet sich in der Grabkapelle des Nachtamun, dessen Lebensdaten nicht ganz klar sind. Er lebte jedenfalls in der Zeit der Ramessiden, also der 19. oder 20. Dynastie, da er Oberster des Altars im Ramesseum war. Wegen eines Abbilds von Pharao Ramses II. in seinem Grab wird allgemein davon ausgegangen, dass er in der 19. Dynastie lebte. Dieses Bild von Ramses II. ist allerdings aus zweierlei Gründen sehr ungewöhnlich: Erstens ist es eines der ganz wenigen Abbildungen, die einen Pharao mit einem Dreitagebart zeigen und zweitens – gleichermaßen selten – sieht man hier am Hals des Königs einen hervorstehenden Adamsapfel. Damit passt das Bild überhaupt nicht in den künstlerischen Kanon dieser Zeit, in der Abbildungen sehr standardisiert und irgendwie „immer gleich“ ausgeführt wurden.
Manche Ägyptolog:innen nehmen an, der Bart sei als Zeichen der Trauer über den Tod seines Vaters Sethos I. anzusehen, aber das würde nicht erklären, warum Ramses II. in dieser Szene unter einem Kult-Baldachin vor einem Bild des Gottes Ptah und eben nicht vor seinem verstorben und zum Gott gewordenen Vater sitzt. Auch wegen dieser offenen Fragen wählte das Team der Forschenden dieses Wandbild ebenfalls für ihre Untersuchung aus.
Die ersten drei Bilder der unten abgebildeten Reihe zeigen gezielte Scans nach einzelnen Elementen (Kupfer, Arsen und Eisen) , das vierte Bild ist eine Komposition der drei ersten. Kupfer ist hauptsächlich in den Blau- und Grüntönen enthalten, Eisen in manchen Rot- und Gelbtönen. Eisen findet sich aber auch in den Bereichen, wo die Haut durch den transparenten Stoff hindurch schimmert, was dafür spricht, dass hier erst die Haut gemalt wurde, und dann ein transparentes Weiß darüber gelegt wurde. Arsen wird auch in manchen Rot- und Gelbtönen gefunden, aber eben nicht in allen, wie an der Schulter und dem Zepter zu sehen.
Aus den verschiedenen Scans entwickelten die Forschenden dann den heute nicht mehr zu sehenden, ursprünglichen, ersten Umriss des Portraits (grüne und blaue Linien) und markierten dazu den endgültigen, heute sichtbaren Umriss (rote Ljnie).
Interessant ist, dass alle drei königlichen Insignien, die Chepresch-Krone, das Heka-Zepter und der Wesech-Kalskragen noch einmal übermalt und verändert wurden. Das Zepter war in der ursprünglichen Version wohl deutlich breiter und überlappte so mit dem Gesicht von Ramses. Die Korrektur in ein Zepter mit einem schmaleren Bogen machte daher durchaus Sinn. Außerdem war das erste Zepter einfach nur ein gerader Stab mit einem gebogenen Kopf. Eigentlich wurden solche Heka-Zepter aber mit einem eher kreisförmigen Kopf dargestellt, wie es in der korrigierten Version auch der Fall ist.
Auch die Chepreschkrone und der Halskragen wurden noch einmal verändert. Die blaue Krone erhielt eine schmalere, eher längliche Form und der Schmuckkragen wurde sogar gänzlich umgewandelt. In der heutigen Version trägt Ramses einen Wesechkragen (rote Linie), das ist ein flacher, kreisförmiger Schmuckkragen mit einem Loch in der Mitte für den Kopf. In dem Arsenscan kann man aber eher einen Shebyu-Kragen (grüne Linie) identifizieren, der aus mehreren breiten Goldketten zusammengesetzt war, die aus großen und schweren linsenförmigen Perlen bestanden. Solche Shebyukragen waren zur Zeit Amenhoteps III. und IV. (Echnaton), also in der 18. Dyn., in Mode. Während der Ramessidenzeit wurden sie eher nicht verwendet, erst in der späten 20. Dynastie tauchen sie wieder auf. Das könnte bedeuten, dass Nachtamun doch nicht zur Zeit von Ramses II. lebte, sondern seinen Dienst für den verstorbenen Pharao erst sehr viel später durchführte. Seine Grabkapelle wäre dann erst während der 20. Dynastie bemalt worden und erst später, als auffiel, das zur Zeit Ramses II. Wesechkragen getragen wurden, hat man dann vielleicht den „falschen“ Shebyukragen übermalt. Wenn das der Fall wäre, wäre die Datierung des Grabes in die 19. Dynastie falsch.
Während im Grab von Menna vielleicht einfach nur ein fehlerhaft positionierter Arm korrigiert wurde, so sind im Grab des Nachtamun gezielt die königlichen Insignien von Pharao Ramses II. verändert worden. Warum das geschah, lässt sich nicht so einfach beantworten. Vielleicht hatte sich ihre symbolische Bedeutung verändert und das Aussehen musste daher angepasst werden. Beide Beispiele zeigen uns jedenfalls deutlich, dass wir heute noch immer nicht genau wissen, was für die Augen der alten Ägypter in der Ikonografie der jeweiligen Zeit wirklich wichtig war. Die Forschung muss also weitergehen und die hier vorgestellte Röntgenfluoreszenz-Methode scheint geeignet, solchen Änderungen in der altägyptischen Kunst auf die Spur zu kommen – und das eben nicht nur im Labor oder in Museen, sondern dank portabler Geräte auch direkt vor Ort in Tempeln und Gräbern.
Und hier kommt den langjährigen Leser:innen unseres Blogs natürlich sofort ein Gedanke: Wäre diese Technik nicht geeignet, um in Tutanchamuns Grab die Theorien des britischen Ägyptologen Nicholas Reeves zu überprüfen? Dieser hatte doch Indizien dafür geliefert, dass die Namenskartuschen über der berühmten Mundöffnungsszene verändert worden sein könnten (siehe hier). Und mehrere der auf der Grabwand dargestellten Personen sollten seiner Meinung nach in der Antike großflächig übermalt worden sein. Und für die moderne Neubemalung des Schurzes und der Knie von Figur 5 – angeblich durch Howard Carter selbst – lieferte er sogar handfeste Beweise (hier). Vielleicht ist Reeves‘ eigene Aussage, nach der die ursprünglichen Schriftzeichen und Figuren durch die Übermalung „unwiederbringlich verloren“ sind, doch noch nicht das letzte Wort? Da es sich bei der Röntgenfluoreszenz-Methode ja um eine zerstörungsfreie Technik handelt, kann das Antikenministerium eigentlich nichts dagegen haben.
Die Informationen und Bilder stammen aus:
Martinez P, Alfeld M, Defeyt C, Elleithy H, Glanville H, Hartwig M, et al. (2023) Hidden mysteries in ancient Egyptian paintings from the Theban Necropolis observed by in-situ XRF mapping. PLoS ONE 18(7): e0287647. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0287647
Das wäre in der Tat eine sehr schöne, „salomonische“ Lösung, um Reeves‘ Theorie zu überprüfen. Möge die ägyptische Altertumsbehörde genug Weisheit bekommen, wissenschaftlichen Fortschritt über ihre eigene Arroganz zu stellen.?
Bitte lasst das gendern sein.
Danke für den interessanten und informativen Beitrag. Es wäre mehr als wünschenswert wenn diese Untersuchungen nun auch in Tutankhamuns Grab durchgeführt werden “dürften”.
Nicht nur das Grab selbst, auch die Glaubwürdigkeit der ägyptischen Altertumsbehörde würde damit sicher keinen Schaden nehmen.
„Bitte lasst das gendern sein.“
Ich bin dafür….Das ein Jeder ein Recht darauf hat peinlich zu sein, hehe.
Da stehn wir drüber 😉
Ich bin mal dem Link zu „Nofretetes Grab? Reeves legt neue Indizien vor (Teil 1)“ gefolgt und habe mir Tuts Kartusche über der Mundöffnungszeremonie angesehen. Dort sind mir zwei Dinge aufgefallen:
a) es fehlt das zweite „t“ in „Tut“, was trotz der Wichtigkeit der Szene für Tuts ewiges Leben die für Eile von Maler und Kontrolleur spricht und
b) scheint der Schimmel immer nur von der schwarzen Farbe in die weiße gewandert zu sein. Wenn die weiße Untergrundfarbe aber nicht von sich aus geschimmelt hat, dann wäre sie trocken gewesen, als die Kartuschen darauf gemalt und beschriftet wurden. Allerdings hätte nach Reeves Theorie hier eine Übermalung von Nofretetes Kartusche stattgefunden, somit hätte die weiße Farbe hier neu/feucht und damit schimmlig sein müssen. Die gelbe Untergrundfarbe außerhalb der Kartuschen war dagegen wohl neu/feucht und hat daher Schimmel angesetzt.
Also eine ideale Stelle für die neue Technik und hoffentlich spannende Erkenntnisse!
Es ist kein Geheimnis das die alten Ägypter recht oft Grabkammern, Grabbeigaben und etc. von anderen übernommen und dann als eigene ausgegeben haben.