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Hawass glaubt nicht an Nofretetes Grab – gebohrt wird vielleicht trotzdem!

In einem langen Zeitungsartikel in der ägyptischen Wochenzeitung Al-Ahram Weekly, die in englischer Sprache erscheint, befasst sich der bekannte Archäologe Zahi Hawass mit den Theorien des englischen Kollegen Nicholas Reeves, nach denen das Grab Tutanchamuns in das größere Grab einer Königin – Reeves‘ Meinung nach Nofretete – gebaut wurde. Hawass glaubt nicht an diese Theorie, liefert in seinem Artikel aber auch nur wenig Fakten, die seine Meinung untermauern können. Dafür verrät er am Ende ein Geheimnis, das nun keines mehr ist…

Die widersprüchlichen Radaruntersuchungen

Zunächst geht er auf die verschiedenen Radaruntersuchungen ein, die in und um Tutanchamuns Grab durchgeführt wurden. Wer noch einmal nachlesen will, welche Scans es alles gab, kann das hier tun. Kurz gesagt hatte die erste Radaruntersuchung durch ein japanisches Team ergeben, dass in der Nordwand von Tutanchamuns Grab Anomalien gefunden wurden, die auf weiterführende Räume hindeuten. Die zweite und die dritte Scanserie, unter US-amerikanerischer bzw. italienischer Führung, schlossen Hohlräume hinter der Wand definitiv aus. Reeves argumentierte, dass solche weiterführenden Gänge mit Schutt zugeschüttet sein könnten, wie Howard Carter ja auch den Gang zu Tutanchamuns Grab vorgefunden hatte, aber das Antikenministerium erklärte die Sache für beendet: keine Hohlräume, also keine weiteren Untersuchungen!

Hawass bemängelt, dass die japanischen Radardaten nicht öffentlich zur Überprüfung verfügbar seien. Allerdings habe der Leiter der damaligen Scans, der sehr erfahrene, inzwischen leider verstorbene Hirokatsu Watanabe auf einer Konferenz gesagt, dass er Anhaltspunkte für einen Hohlraum gefunden habe. Die zweite und dritte Scanserie, ein bzw. drei Jahre später, die gezielt nach solchen Hohlräumen gescannt hatten, konnten dies aber nicht bestätigen. Hawass plädiert aufgrund dieser widersprüchlichen Ergebnisse dafür, eine weitere Radaruntersuchung durchzuführen, deren Ergebnisse von einem vorher zu benennenden, internationalen Komitee diskutiert werden sollen.

Nofretete oder Eje?

Die Westwand im Faksimile von Tuts Grab

Hawass hält es aber grundsätzlich für höchst unwahrscheinlich, dass man Tuts Grab in das Grab der Nofretete hineingebaut hätte. Viel wahrscheinlicher ist für ihn, dass das Grab ursprünglich für Eje, Tuts Nachfolger auf dem Thron, gebaut war. Als Beweis dafür sieht er die Ähnlichkeiten der Darstellungen auf der Westwand, welche mit einer Reihe von Pavianen die erste Nachtstunde des Amduat darstellen. Eine sehr ähnliche Darstellung findet sich in Ejes endgültigem Grab, das sich im sogenannten „Tal der Affen“ befindet – ein Name, der sich von den vielen Paviandarstellungen in Ejes Grab ableitet.

Ein weiteres Argument gegen ein weiterführendes Grab von Nofretete sieht Hawass in der Tatsache, dass der Boden von Tuts Grabkammer um 60-75 cm „tiefergelegt“ wurde, damit die Schreine um seinen Sarkophag herum auch in die Grabkammer passten. Die Spuren eines in der Nordwand weiterführenden Ganges, die Reeves gefunden haben will, liegen aber auf der höheren Bodenebene. Aber auch in eine Grabkammer der Nofretete hätten ja solche Schreine gebracht werden müssen, was aufgrund der zu geringen Höhe des evtl. weiterführenden Ganges dann aber gar nicht möglich gewesen wäre. Also kann hinter Tuts Grabkammer zumindest keine weitere Grabkammer liegen, glaubt Hawass.

Frontispiz aus REEVES, N.: »The Tomb Of Tutankhamun (KV62): Supplementary Notes«. Rechts: © Factum Arte. Links: © Brück & Sohn Kunstverlag. Artwork: © Peter Gremse, ConzeptZone.de
Eje links, Tut rechts. © Factum Arte / Antikenministerium Ägypten

Auch die von Reeves vertretene Auffassung, dass die Figuren der Mundöffnungsszene auf der Nordwand ursprünglich die verstorbene Nofretete und ihren Nachfolger Tutanchamun zeigen – Reeves sagt, Nofretete wurde immer mit senkrechten Falten an den Mundwinkeln dargestellt, Kinder, wie der bei Nofretetes Tod noch kindliche Tutanchamun, mit einem Doppelkinn (und beides sieht Reeves auf der Nordwand) – findet Hawass „nicht überzeugend“. Dann hätten ja auch die Namenskartuschen überschrieben werden müssen und dafür gäbe es keine Beweise. Nun, „Beweise“ nicht, da hat er Recht, aber Reeves hatte ja auch dafür zumindest ein Indiz gefunden, da er in der Kartusche mit dem Namen von Eje den „Schatten“ eines übermalten Zeichens ausmachen kann, das zu Tutnachamuns Namen gehört. Hierauf geht Hawass aber nicht ein. Aufgrund der neuen Techniken, wie z.B. der Röntgenfluoreszenz, die Übermalungen zeigen können (wir berichteten), ließe sich hier aber vielleicht Klarheit schaffen, wenn das Antikenministerium ernsthaft daran interessiert wäre.

Für wen war die Totenmaske ursprünglich?

Die Maske Tutanchamuns mit den großen Ohrlöchern. Bild von qwelk (Eigenes Werk) [Public domain], via Wikimedia Commons

Eine weitere Theorie von Nicholas Reeves besagt, dass die berühmte Totenmaske Tutanchamuns eigentlich für eine Frau gemacht war. Ein Argument dafür sieht Reeves in den großen Ohrlöchern der Maske. Zwar trugen auch Kinder Ohrringe, aber im Erwachsenenalter wurden Könige nicht mehr damit dargestellt. Hawass sieht dagegen keinen Grund dafür anzunehmen, dass die unter den Grabbeigaben gefundenen Ohrringe – mindestens sechs Paare – nur von dem kindlichen Tut getragen wurden, nicht aber auch vom König Tutanchamun. Schließlich zeige die Mumie Tuts richtige Ohrlöcher und nicht nur Vertiefungen an den Ohrläppchen.

Kartusche Tutanchamuns auf der goldenen Totenmaske mit Spuren einer früheren Beschriftung. Foto: Ahmed Amin, Ägyptisches Museum Kairo

Auch Reeves‘ Hauptargument für eine „Vorbesitzerin“ dieser Maske, nach dem die Namenskartusche auf der Maske ursprünglich einen anderen Namen zeigte (wir berichteten), will Hawass nicht gelten lassen. Schließlich habe der renommierte Christian Eckmann, der die Maske kürzlich restaurierte, auf einer Tutanchamunkonferenz 2016 gesagt, dass er keine Spuren von Nofretetes Namen auf der Maske gefunden habe. Das hatte Reeves allerdings auch nicht behauptet. Er hatte Spuren des Namens „Anchcheperure, geliebt von Echnaton“ gefunden. Dieser war wohl ein Mitregent von Echnaton und viele Ägyptologen vermuten, dass dieser Anchcheperure in Wahrheit Nofretete gewesen sein könnte. Aber auch dazu kein Wort von Hawass.

Oben: heutige Kartusche, unten: vermutete ursprüngliche Kartusche. Zeichnung von Marc Gabolde.

Zum Ende seiner Ausführungen betont Hawass, dass er sich der Meinung Khaled El-Enanys, dem früheren Antikenminister, anschließe, dass diese Sache noch mehr wissenschaftliche Untersuchungen benötige, da bisher keine Scanserie definitive Beweise geliefert habe. Dabei solle man sich nicht auf Hohlräume sondern auf das Mauerwerk konzentrieren, das den vermuteten Hohlraum verschließt. Solches Mauerwerk würde die Radarstrahlen ganz anders zerstreuen, als kompakter Fels und müsste daher leicht sichtbar zu machen sein. Ideal dafür sei die Westwand, hinter den Reeves ja eine weitere Kammer vermutet, da Grabkammern immer vier solcher Anhang-Kammern hatten, nämlich auf 2, auf 4, auf 8 und auf 10 Uhr (12 ist Norden). Tuts Grab hat aber nur zwei Seitenkammern, auf „8“ liegt hier der mit „Annex“ benannte Raum, in dem Tuts Grabbeigaben gefunden wurden und auf „2“ liegt die Schatzkammer. Auf „4“ kann kein Raum mehr sein, da hier der Eingangskorridor liegt, aber auf „10“ könnte eben noch eine Seitenkammer liegen, und das wäre dann genau hinter der Westwand, wo Reeves auch entsprechende Linien und rauheren Putz an einer Wandstelle gefunden haben will.

Auch Mamdouh El-Damaty, ebenfalls ehemaliger Antikenminister, sagte vor wenigen Tagen auf einer großen Ägyptologie-Konferenz im niederländischen Leiden, dass es im Grab des Tutanchamun durchaus versteckte Kammern geben könne. Er stimme mit Reeves überein, dass Tuts Grab ursprünglich wohl für eine andere Person angelegt worden sei. Nofretete müsse das aber nicht unbedingt sein, auch wenn er zugibt, dass das „wundervoll“ wäre. Er glaube aber eher daran, dass es sich um eine der anderen Damen der Echnaton- und Tutanchamunzeit handelt. In seiner Rede sprach El-Damaty auch davon, dass zwei Radaruntersuchungen ja doch Ungewöhnliches angezeigt haben, einige Meter neben Tuts Grabkammer (siehe hier und hier). Bisher seien das aber nur „unklare Anomalien“, sagte er, weshalb weitere Untersuchungen an diesen Stellen durchgeführt werden müssten, um Klarheit zu bekommen.
Insgesamt sprechen sich nun also gleich drei ehemalige Antikenminister für neue Radarscans aus. Wir vermuten, dass es dann auch bald dazu kommen wird.

Kommt das Bohrloch in Tutanchamuns Grab doch noch?

Die wirkliche Sensation in Hawass‘ langem Zeitungsartikel kommt dann aber ganz unscheinbar am Ende seines Beitrags daher. Er schreibt, das „Egyptian Permanent Committee“ – ein 2017 unter Minister Khaled El-Enany eingerichtetes Komitee aus Fachleuten unterschiedlicher wissenschaftlicher Richtungen – habe der Antikenbehörde (also vermutlich dem Supreme Council of Antiquities) die Erlaubnis gegeben, in Tuts Grab tatsächlich ein Loch zu bohren! WHAAAT?!? Angeblich mit der Begründung, dass Zahi Hawass ja auch in der Großen Pyramide ein Loch bohren durfte, wäre diese Erlaubnis erbeten und auch erteilt worden, allerdings mit der Auflage, dies geheim zu halten! Hawass äußert in seinem Zeitungsartikel nun seine Bedenken gegen ein solches Vorhaben. Man könne die Große Pyramide, von der Abbasid Kalif Maamoun, Sohn des Haroun Al-Rashid, bereits vor 1500 Jahren tausende von Steinblöcken wegtransportieren ließ, nicht mit Tutanchamuns Grabkammer vergleichen, wo das Bohren eines Lochs die weltberühmten Wandmalereien beschädigen könnte. Man müsse sich erst absolut sicher sein, dass durch den Bohrvorgang keine Beschädigungen ausgelöst werden können, bevor man so etwas ins Auge fasse, meint Hawass.

Trotz aller gegenteiligen Meldungen, in denen es immer hieß, dass ein Bohrloch nicht infrage käme, hat man seitens der Antikenbehörde sich also doch damit befasst und im Geheimen sogar schon eine Erlaubnis dafür eingeholt. Vielleicht erleben wir also doch noch weitere Radaruntersuchungen und irgendwann dann auch den langersehnten Kamerablick hinter die Wände von Tutanchamuns Grab. Danke für diese wichtige Information, Herr Hawass!

9 Gedanken zu „Hawass glaubt nicht an Nofretetes Grab – gebohrt wird vielleicht trotzdem!“

  1. Das die Grabbeigaben ursprünglich teils für jemand anders gemacht wurden, ist ja nichts besonderes, – auch unter dem Gesichtspunkt das der Tod unerwartet war und schnell das Grab inventar her musste… Aber Nofretete die Ketzerin liegt sicher in keinem ehrenvollen Grab…Wenn man Echnatons geistige und materielle Auslöschung, sowie die zerhackte Mummie betrachtet Das ist so was von unlogisch….fast schon unsinnig 🙂

  2. @ proxima !

    Haben wir denn Echnatons Mumie zweifelsfrei schon gefunden ?
    Außerdem, gibt es doch die Vermutung, daß Nofretete evtl. schon einen Wandel von Aton weg, und wieder hin zu Amun vollzogen hat.
    Außerdem hatte Tut anch Amun, beim Umzug, auch der Mumien, doch wohl das sagen, und was sollte der gegen Nofretete gehabt haben.
    Wir wissen es nicht.

  3. Die Mumie brauchen wir gar nicht zweifelsfrei kennen, es genügt wenn wir uns an die Ausradierung seiner Existenz halten. Den Vater hielten die Söhne für wichtiger, doch der bekam kein Grab vom Sohnemann, nach der Schreckensherrschaft wäre das geradezu ein unvorstellbar er Skandal gewesen. Das Nofrete wieder zum alten Glauben fand hat null Substanz und ist blosses Gedankenspiel.

  4. Ob nun gebohrt wird oder nicht, jedenfalls finde ich es toll, dass endlich mal wieder Bewegung in die Sache kommt. Mich interessieren vor allem die beiden Hohlräume in der Nähe von Tuts Grab, von denen zumindest einer ja recht vielversprechend zu sein scheint. Dort hätte man in der Zwischenzeit doch bestimmt schon mal den guten alten Spaten ansetzen können, oder? Vielleicht hängt Hawass‘ veränderte Haltung mit den zunächst groß angekündigten, dann jedoch nicht veröffentlichten Ergebnissen der neuesten DNA-Analysen zusammen. Dieser für Hawass doch recht untypische Rückzieher könnte bedeuten, dass er nicht finden konnte, wonach er suchte -nämlich Nofretetes Mumie- und dass er die Suche nun woanders fortsetzt, unter anderem in Tuts Grab. Zugeben würde er das natürlich -wenn überhaupt- nur scheibchenweise.

  5. Ja es ist positiv, dass nun Bewegung in die Sache kommt, um herauszufinden, ob Reeves richtig liegt mit seiner Theorie. Versetzen wir uns doch mal in die Situation vor rund 3500 Jahren. Echnaton stirbt und wird in einem prunkvollen Begräbnis im Königsgrab von Achet Aton beigesetzt. Seine Mitregentin und Nachfolgerin Nofretete regierte noch 1-3 Jahre alleine. Ob nun schon Sie oder erst die Tutanchamun-Regierung die Aufgabe von Achet Aton beschlossen hat, bleibt Spekulation. Sicher jedoch war für die Pharaonin klar, dass ihr Begräbnis nicht mehr im Königsgrab der Atonstadt erfolgen kann. Sie hatte genügend Zeit, um im Tal der Könige für sich zu planen. Warum nicht KV62? Bei ihrem Tod sorgte Nachfolger Tutanchamun gemäß der Traditionen für ein angemessenes Begräbnis, schon um seine Thronbesteigung zu legitimieren. Er war es auch, der dafür sorgen musste, dass die in Achet Aton begrabenen Mitglieder der Königsfamilie in Sicherheit gebracht und umgebettet werden. So kam Echnaton und Teje ins KV55. Weitere Personen mussten umgebettet werden: Maketaton, Königin Kia, sowie einige jüngere Töchter von Echnaton und nicht zuletzt Meritaton, die zumindest Große Königliche Gemahlin war. Der Gedanke eines Sammelgrabes (KV62?) liegt nahe. Der Verdacht, dass in KV62 Nofretete und/oder weitere Mitglieder der Amarna-Familie liegen, muss dringend widerlegt oder bestätigt werden. Spannend allemal !

  6. Ich hoffe nur, daß es nicht, wie so oft, bei der Ankündigung bleibt, um endlich etwas Klarheit in die ganze Sache zu bekommen. Ich bin schon riesig gespannt auf die Ergebnisse, so es welche gibt.

  7. Spielen wir doch einmal „was wäre wenn“. Es wird gebohrt. Man findet eine Kammer. Und dann? Weg mit den Pavianen? wie kommt man da rein?
    DAS wird spannend. Könnte man glatt einen Roman schreiben…

  8. Ganz toll, dass es langsam aber endlich weiter geht! ad Rainer: Gab es da nicht schon mal so Konzepte mit Ballons, die man mit einem Stab durch eine kleine Öffnung führt, um sich in einem Raum dahinter zu entfalten/ auszudehnen, an denen eine Kamera befestigt ist?

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