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„Cyprianische Pest“ forderte auch in Ägypten viele Menschenleben

Im 3. Jh n. Chr. grassierte im römischen Reich eine schlimme Seuche, der unzählige Menschen zum Opfer fielen. Auf Spuren dieser Seuche stießen italienische Archäologen bei Ausgrabungsarbeiten in Theben-West: Im Grabkomplex von Harwa (TT 37) und Akhimenru (TT 404) im Assasif fanden sie in einer dicken Schicht von Kalk die Überreste von Verstorbenen. Gelöschter Kalk galt in der Antike als effektives Desinfektionsmittel gegen Infektionen aller Art. Liegen hier die Toten dieser grausamen Epedemie bestattet?

5000 Menschen am Tag allein in Rom

Eine Kalkschicht im nördlichen Gang von Harwas erster Säulenhalle, in der menschliche Überreste gefunden wurde. Ausgegraben 1997 © Giacomo Lovera | Associazione Culturale per lo Studio dell’Egitto e del Sudan ONLUS.
Eine Kalkschicht im nördlichen Gang von Harwas erster Säulenhalle, in der menschliche Überreste gefunden wurde.
Ausgegraben 1997
© Giacomo Lovera | Associazione Culturale per lo Studio dell’Egitto e del Sudan ONLUS.

Auch heute noch wird gelöschter Kalk für die Kadaver von toten Tieren benutzt, bei denen eine infektiöse Krankheit ausgebrochen ist. Die Forscher der Italian Mission to Luxor (MAIL) unter der Leitung von Francesco Tiradritti vermuten, dass der Gabkomplex von Harwa und Akhimenru wenigstens einmal im Laufe seiner Geschichte auch als Platz zur Beseitigung von Leichnamen aus einer Epidemie benutzt wurde. Überreste von Keramiken und Öllampen lassen auf eine Datierung um das 3. Jh. nach Christus schließen. Um diese Zeit grassierte eine schlimme Seuche im römischen Reich, die „Cyprianische Pest“ genannt wurde. Cyprian war ein Bischof von Karthago, der die Seuche beschrieben hatte. Die Epidemie forderte um die Zeit zwischen 250-271 v. Chr. viele Menschenleben. Eine Quelle spricht gar von 5000 Menschen pro Tag allein in Rom. Was genau die Seuche auslöste, ist heute nicht gesichert. Pocken oder Masern könnten der Grund sein.
Selbst zwei römische Kaiser fielen der Seuche zum Opfer: Hostilian in 351 n. Chr. und Claudius II Cothicus in 270 n. Chr. „Es ist eine allgemein angenommene Haltung, dass die „Plage des Cyprian“ das römische Reich ernsthaft schwächte, seinen Untergang beschleunigte“, schreibt Tiradritti im Journal of Egyptian Archaeology.

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Im Vorhof des Grabkomplexes befand sich anscheinend nach dem 2. Jh. v. Chr. eine ganze Produktionsstätte für gelöschten Kalk. Die Forscher fanden drei Brennöfen, in denen der Kalk produziert wurde. Obwohl dieser auch für verschiedene Baumaterialien benutzt wurde, nahm man ihn in diesem Fall für die Bestattung menschlicher Körper.

Kalkstein von den Grabmonumenten, Sarkophage und Mumien als Brennmaterial

Das Gesicht von einem Sarkophag aus dem 2. Jh. n. Chr.  Francesco Tiradritti
Das Gesicht von einem Sarkophag aus dem 2. Jh. n. Chr., das während der Ausgrabungsarbeiten im Jahr 2005 im Portikus des Grabkomplexes gefunden wurde
© Francesco Tiradritti | Associazione Culturale per lo Studio dell’Egitto e del Sudan ONLUS.

Für ihre grauenvolle Aufgabe nutzten die „Totengräber“ anscheinend alles, was sie dafür in die Finger bekommen konnten. Die Ziegel für die Brennöfen entnahmen sie der Umfassungsmauer von dem nahegelegenden Grab des Padiamenope (TT 33). Für den benötigten Kalkstein mussten die Grabmonumente der Nekropole in Theben-West herhalten. Darunter konnten sogar einige Stücke von der Grabanlage von Harwa und Akhimenru identifiziert werden: ein Fragment gehörte zu Harwas erster Säulenhalle, das andere zu Akhimenrus Eingang.

Auch für die Brennöfen lag genügend Material in unmittelbare Nähe: Verfeuert wurden die in der Nekropole Bestatteten und ihre Sarkophage. Mehrere Fragmente von hölzernen Sarkophagen und Mumien fanden sich bei den Kalköfen. Alle weisen Spuren von Feuer auf. Die meisten stammen aus dem 2. Jh. nach Chr., lagen also gerade einmal einhundert Jahre hier begraben. Nur wenige stammen aus früherer Zeit. Am Boden des Portikus lagen mehrere Mumien und Sarkophagreste verstreut, wahrscheinlich unbenutzte Überreste von Brennmaterial, die einfach von oben herab geworfen wurden. Dort wurden sie dann von den Heizern oder deren Gehilfen aufgesammelt und in den Brennöfen verteilt.

Durch die hohen Temperaturen bei der Verbrennung von Kalkstein entstand Calciumoxid. Um es auf die Toten zu gießen, musste es erst noch mit Wasser abgelöscht werden. Auch dafür wurde ein früherer heiliger Ort verwendet: Im Eingang zu einer Osirisnische in Akhminerus Grab wurde das Calciumoxid mit Wasser gelöscht. Das daraus entstandene Calciumhydroxid konnte nun über die Toten verteilt werden.

Arbeiten auch nachts

Die Menschen damals müssen sogar des nachts gearbeitet haben, um der vielen Toten Herr zu werden. Neben der Kalkschicht fanden die Forscher ein Feuer und mehrere Öllampen in Froschform, die ebenfalls aus dem 3. Jh. n. Chr. stammen. In den Spuren eines großen Feuers fanden die Forscher mehrere menschliche Überreste. Doch warum wurden einige verbrannt, während andere mit Löschkalk überzogen die Zeit überdauerten. Eine Theorie wäre, dass die Bestatter irgendwann mit dem Verbrennen nicht mehr hinterhergekommen sind. Die Leichen blieben also mit Löschkalk überzogen und verwesten mit der Zeit.

Nach der Seuche

Das Grab des Harwa, Oberhofmeister unter Amenirdis I., wurde ursprünglich im 7. Jahrhundert v. Chr. angelegt. Das Grab wurde im Laufe der Zeit jedoch für nachfolgende Generationen immer wieder benutzt. Akhimenru war einer seiner Nachfolger, der hier ein eigenes Grab anlegte. Nach der Seuche wurde der Grabkomplex jedoch nie wieder benutzt und es geriet schließlich in Vergessenheit bis Grabräuber schließlich Anfang des 19. Jh. in das Grab einbrachen.

Die Ausgrabungen des italienischen Teams fanden von 1997 – 2012 statt. Der Originalartikel „Of kilns and corpses: Theban plague victims“ erschien im Journal of Egyptian Archaeology.

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