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Großes Bauwerk im Sand vor den Pyramiden entdeckt — oder doch nicht?

Eine japanisch-ägyptische Forschungsmission hat auf dem Gizeh-Plateau vor den Pyramiden des Cheops und des Chephren mittels verschiedener Scanuntersuchungen vermutlich Bauwerke im Sandboden entdeckt. Die beiden gefundenen „Anomalien“ sind jedenfalls zu groß und übereinstimmend, um natürlichen Ursprungs zu sein, glaubt das Forscherteam. Es handelt sich dabei um eine flache, etwa 10 × 15 m große Struktur, die evtl. mit einer tiefer liegenden, 10 × 10 m großen Struktur verbunden ist.

Die Forschenden der Higashi Nippon International Universität, der Universität Tohoku und des Staatlichen Forschungsinstituts für Astronomie und Geophysik in Helwan bei Kairo haben ein unbebautes Feld auf dem sogenannten Westlichen Friedhof (western cemetery) neben der Großen Pyramide gescannt. Hierfür nutzten sie gleich zwei Scantechniken: Bodenradar und Geoelektrik. Letztere wird im Fachenglisch „electrical resistivity tomography“ (ERT) genannt und kann auch in tieferen Bodenschichten eingesetzt werden als der Bodenradar („ground penetrating radar“, GPR). Die Scans fanden bereits 2021-23 statt, werden aber erst jetzt veröffentlicht.

Lage des Scan-Gebiets im Gräberfeld. Blickrichtung Norden, rechts: Cheops-Pyramide. Aus: Sato, M., et al.: »GPR and ERT Exploration in the Western Cemetery in Giza, Egypt«. In: Archaeological Prospection 2024
Statue des Hemiunu im Roemer- u. Pelizaeus-Museum Hildesheim. Foto: selket.de

Dieses westliche Gräberfeld, das so heißt, weil es westlich der Großen Pyramide des Cheops liegt, ist 560 × 370 m groß. Hier wurden Mitglieder der königlichen Familie und hohe Würdenträger in Mastabas bestattet, die alle in Nordsüd-Ausrichtung erbaut wurden und dicht an dicht aneinander gereiht sind. Die zentral gelegene und weitaus größte dieser Mastabas gehört einem hohen Beamten namens Hemiunu aus der 4. Dynastie. Hemiunu war ein Sohn des Prinzen Nefermaat; köngliches Blut floss also in seinen Adern. Er war daher verwandt mit dem berühmten Pharao Cheops, unter dem Hemiunu dann sogar Wesir wurde und mehrere andere hohe Ämter bekleidete. So trug er auch den Titel „Vorsteher aller königlicher Bauarbeiten“ und war damit wohl auch der Verantwortliche für den Bau der Cheops-Pyramide, was seine herausgehoben große Mastaba direkt neben der Großen Pyramide erklären würde.

Plan eines Teils des Westfriedhofs. Rot: Scangebiet südlich von Mastaba 4000. Aus: Sato, M., et al.: »GPR and ERT Exploration in the Western Cemetery in Giza, Egypt«. In: Archaeological Prospection 2024

Südlich der großen Mastaba Hemiunus, die in der Nummerierung als „Mastaba 4000“ bezeichnet wird, liegt ein etwa 80 – 110 m großes Feld, das keinerlei Grabbauten enthält und in dem es bisher auch keine bemerkenserten Grabungsfunde gab. Dieses freie Feld hatten die Forschenden in den letzten Jahren mit ihren Scans genauer unter die Lupe genommen. In einer Tiefe von 0,5 – 2 m entdeckte das Forschungsteam mithilfe des Bodenradars eine L-förmige Strukur, die sich auf waagerechter Ebene auf einer Fläche von etwa 10 × 15 m erstreckt. Diese flache, anscheinend nur 1,5 m hohe Struktur ist mit homogenem Sand gefüllt, was bedeuten könnte, dass sie nach ihrem Bau absichtlich mit Sand gefüllt wurde. Direkt darunter fand sich mittels geoelektrischer Scans in einer größeren Tiefe von 3,5 – 10 m eine weitere Stuktur, die in horizontaler Richtung auf etwa 10 × 10 m zu finden ist.
Neben diesen beiden übereinanderliegenden Strukturen zeigten die Radarscans östlich der flachen, L-förmigen Struktur in einer Tiefe von 3,5 und 5 m zwei parallele Linien, die — wie die Mastabas an der Oberfläche — exakt in Nordsüd-Richtung liegen und auch genau die gleiche Größe haben, wie eine Mastaba. Die Forschenden glauben, dass dies die Ruine einer Mastaba sein könnte, die aus Steinblöcken erbaut war, deren Steinbrocken sich heute an der Oberfläche finden.

Horizontale Schnitte des GPR in unterschiedlichen Tiefen. Oben: L-förmige Struktur, unten: parallele Linien rechts oben. Aus: Sato, M., et al.: »GPR and ERT Exploration in the Western Cemetery in Giza, Egypt«. In: Archaeological Prospection 2024

Die Größen- und Lageübereinstimmung der beiden großen, übereinander liegenden Strukturen lassen die Forschenden glauben, dass die tieferliegende und die flachere Struktur zusammengehören könnten und sie vielleicht sogar miteinander verbunden sind. In ihrer vorsichtigen Zusammenfassung der Ergebnisse am Ende des Forschungsberichts sprechen sie bzgl. der tiefer gelegenen Struktur ganz allgemein davon, dass diese, mit hohen elektrischen Widerständen gemessene, große Anomalie sowohl spezieller Sand als auch ein Hohlraum sein könnte. An anderer Stelle des Berichts wird aber gesagt, dass es sich bei der flacheren Struktur auch um vertikale Kalksteinwände oder Schächte handeln könnte, die evtl. zu einer tiefergelegenen Grabanlage führen. Man empfiehlt daher weitere Untersuchungen, um diese Anomalien weiter zu erforschen. Natürlich könnten Radar- und Geoelektrikscans nur etwas über Größe und Lage von Anomalien oder Strukturen aussagen, nicht aber über das dort vorhandene Material. Es sei aber möglich, dass es sich hierbei um eine ziemlich große archäologische Stätte handelt, die hier begraben im Sand des Pyamidenplateaus liegt, schließt der Bericht.

L-förmige Struktur in GPR-Scan. Aus: Sato, M., et al.: »GPR and ERT Exploration in the Western Cemetery in Giza, Egypt«. In: Archaeological Prospection 2024

So weit der Forschungsbericht, der in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift »Archaeological Prospection« erscheinen wird. Die Forschenden hatten diesen Bericht bereits im August 2023, also einige Monate nach Abschluss ihrer Arbeiten auf dem Gizeh-Plateau, beim zuständigen Verlag eingereicht. Solche Einreichungen werden durch Fachleute des entsprechenden Wissenschaftsgebiets aber immer erst gelesen und bewertet, bevor sie dann zur Veröffentlichung freigegeben werden. Und diese Revision geschah erst im März und April dieses Jahres, so dass der Artikel nun in der kommenden Ausgabe des Fachblatts erscheinen kann. Da er aber bereits freigegeben und somit online beim Verlag bereits verfügbar ist, haben mehrere Onlineportale und Social-Media-Plattformen bereits über einen „großen Fund in Gizeh“ berichtet, was das ägyptische Antikenministerium (das Funde ja immer gerne als Erster meldet) aber anscheinend geärgert hat. Das MoTA (Ministerium für Tourismus und Antikes) hat daher eine Art Dementi dieser „Sensationsmeldungen“ auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Danach ist es so, dass nach Abschluss der Scans im Jahr 2023 das MoTA die japanisch-ägyptische Mission aufgrund deren Scanergebnisse beauftragt hat, nun dort auch Grabungen (!) durchzuführen. Dies sei gerade im Gange, habe aber noch zu keinen wichtigen Entdeckungen geführt. Sobald die Ausgrabungsarbeiten beendet sind, soll das Team einen Bericht erstellen, der dem neuen Generalsekretär des Obersten Rates für Altertümer vorgelegt werden soll. Dreimal darf man raten, wer die nächste Pressemeldung zu evtl. Funden vor der Großen Pyramide herausgeben wird… 😉


Die Bilder und Informationen stammen aus:
Motoyuki Sato, Ryuma Saito, Abbas Mohamed Abbas, Hany Mesbah, Ayman Taha,| Wael R. Gaweish, Mohamed Aldeep, Ahmed M. Ali, Hiromasa Kurokouchi, Kazumitsu Takahashi, Gad El- Qady, Sakuji Yoshimura: »GPR and ERT Exploration in the Western Cemetery in Giza,
Egypt«
. In: Archaeological Prospection 2024, published by John Wiley & Sons Ltd.

2 Gedanken zu „Großes Bauwerk im Sand vor den Pyramiden entdeckt — oder doch nicht?“

  1. Danke danke danke für die viele Mühe mit den Recherchen und Updates und Tut-tv-Planern. Seit meiner Kindheit versuche ich jeden Tag zu Weltgeschichte und insbesondere Ägypten hinzuzulernen, und Ihre Seite ist grandios. Alles Gute Ihnen!

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