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Minensiedlungen in Dihmit und el-Hisnein müssen dringend geschützt werden

In dem weitgehend unbesiedelten Wüstengebiet östlich des Nassersees wurden kürzlich zwei Minenareale entdeckt, in denen die alten Ägypter Edelsteine oder seltene Metalle abbauten. Sie errichteten in der Nähe dieser Minen Unterkünfte, Versorgungs- und Verwaltungsgebäude und eine große Schar an Arbeitern hinterließ dort über hunderte von Jahren naturgemäß viele Spuren. Die Altertümerverwaltung und das Antikenministerium haben diese beiden Gebiete bislang noch gar nicht „auf der Rechnung“ und nur eine Handvoll Menschen ist je dort gewesen. Diese antiken Minensiedlungen sollten aber dringend wissenschaftlich untersucht und vor allem geschützt werden, denn moderne „Goldsucher“ sind bereits dabei, dort auf eigene Faust nach Wertvollem zu suchen.

Gold- und Edelsteinminen in der Wüste

Schon immer wollten die Reichen und Mächtigen dieser Welt sich mit Gold und Edelsteinen schmücken. Die Pharaonen der alten Ägypter waren da keine Ausnahme, wie wir spätestens seit dem Grabschatz des Tutanchamun wissen. Manch seltenen Stein konnte man im Handel mit fremden Ländern erwerben, aber das Meiste wurde im eigenen Land oder unterworfenen Nachbarländern selbst gewonnen. So wurde Gold bspw. in Nubien abgebaut, das vermutlich sogar seinen Namen daher hat, denn die Bezeichnung für Gold war im alten Ägypten „nebu“ und im Koptischen „nub“. Und erst kürzlich berichteten wir über die archäologische Stätte Wadi el-Hudi, wo im Mittleren Reich und in der römischen Zeit der seltene, lilafarbene Amethyst abgebaut wurde. Wadi el-Hudi liegt etwa 25 km südöstlich von Assuan und es war eigentlich logisch, dass in dem felsigen Gebiet dieser östlichen Wüste weitere antike Minen beheimatet sein würden. Nur wo?

Siedlungsreste in Wadi el-Hudi. Foto: mit frdl. Genehmigung der Wadi el-Hudi Expedition

Nun gibt es Menschen, die aus Abenteuerlust oder wissenschaftlicher Neugier genau nach solchen, bisher unentdeckten Stätten suchen. Sarah Parcak ist so jemand, die sich auf Satellitenbilder stützt und dabei bereits auf manches Interessante gestoßen ist (wir berichteten).

© J.A.Harrell / R.E.Mittelstaedt, bearbeitet

Der Geologe James Harrell ist ein weiterer Vertreter dieser „Sucher“, der mit Hilfe von Google Earth – oder gerne auch mal höchstpersönlich – in der Wüste auf die Suche geht. 2014 fanden Robert Mittelstaedt und er etliche Kilometer südlich von Wadi el-Hudi vier weitere solche „Forts“, wie sie sie bezeichnen, also befestigte Siedlungen rund um antike Minen. Zwei dicht beieinander, die sie el-Hisnein East und West nennen, und zwei etwas weiter entfernt: Dihmit North und South.

Steinmauern mit nubischer Bautechnik

Während Forts im alten Ägypten in der Regel aus Lehmziegeln errichtet wurden, sind diese Forts in der östlichen Wüste ausschließlich aus losen Steinen gebaut. Das liegt zum einen daran, dass Wasser in der Wüste das kostbarste Gut ist und zum zweiten daran, dass in diesem felsigen Gebiet lose Steine in rauen Mengen herumlagen und durch die Minenarbeiten ständig weiteres „Baumaterial“ anfiel. Da die Wissenschaftler weder in diesen neuen Forts noch im gut untersuchten Wadi el-Hudi einen antiken Brunnen ausmachen konnten, wäre es eine Herkulesaufgabe gewesen, entweder Massen an fertigen Lehmziegeln oder an Wasserkrügen für die Ziegelherstellung vor Ort vom weit entfernten Nil in die Wüste zu bringen. Die Wasserversorgung der Arbeiter war ja schon schwierig genug.

Die Ägypter bedienten sich beim Bauen dieser Steinsiedlungen der Kenntnisse der nubischen Arbeiter, die viel Erfahrung mit dem Errichten von Steinmauern hatten. Kennzeichen dieser „nubischen Bautechnik“ sind aufrechte, leicht schräg gesetzte Steine sowie „Fenster“ in den Mauern. Dies ist von früheren nubischen Dörfern bekannt, wie bspw. aus dem Wadi es-Seboua, das heute auf dem Grund des Nassersees liegt. Nur sein Tempel wurde versetzt und ist heute eine der Attraktionen einer Nasserseekreuzfahrt.

Der versetzte Tempel von Wadi es-Seboua am Nassersee heute

Der Rest des Dorfes im Wadi es-Seboua fiel – wie so viele andere Dörfer Nubiens – den aufgestauten Fluten des Nils zum Opfer. Die Steinmauern der befestigten Siedlung aber sind auf alten Fotos erhalten, die der französische Ägyptologe Serge Sauneron aufnahm, als er 1964/65 im Rahmen des Stausee-Rettungsprojekts die Reste dieser Siedlung untersuchte. Und auf diesen Fotos sieht man in den Steinmauern eben diese besondere nubische Bautechnik mit den aufrechten Steinen und den eingelagerten „Fenstern“. Und beide Merkmale findet man in mehr oder weniger starkem Ausmaß nun auch sowohl in Wadi el-Hudi als auch in den genannten neu entdeckten Wüstensiedlungen.

Nubische Bauweise mit aufrechten, schrägen Steinen und Fenstern in Dihmit South

Wenn Scherben sprechen können

Wo so viele Menschen lebten, da sind natürlich Tonscherben eine wichtige Informationsquelle, speziell an einem Ort, von dem man wusste, dass man hier nicht ewig bleiben würde. Es gab daher auch keinen Grund, mitten in der Wüste kaputte Töpfe, Krüge oder Schalen zu „entsorgen“. Abertausende Scherben liegen daher auf dem felsigen Boden herum und sind in el-Hudi auch verstärkt Gegenstand von Untersuchungen. Die Siedlungen in el-Hisnein und Dihmit dagegen warten noch auf jemanden, der diese Arbeit dort macht.

Bei der Untersuchung der Scherben fällt zunächst auf, dass sich hier sowohl ägyptische als auch nubische Keramiken finden. Eine Inschrift in el-Hudi besagt, dass die nubischen Arbeiter „ihre Besitztümer“, also wohl auch ihre Töpferwaren, mitbrachten. Das ist sicher einer der Gründe für die „nubischen Scherben“ in einer ägyptischen Minensiedlung. Meredith Brand, die Keramikspezialistin in Wadi el-Hudi, fand dort aber auch einen neuen Keramiktyp, den sie »Red Combed Ware« (rote gekämmte Ware) nennt und der ägyptische und nubische Techniken vereint. Diese Töpferwaren hatten einen roten, gebrannten und polierten Überzug – ein eindeutig ägyptisches Merkmal – und waren im oberen Teil verziert mit einem eingeritzten Linienmuster, dessen Linien so dicht beieinander liegen, als wären sie mit einem Kamm gezogen worden. Und diese Art der Dekoration stammt aus Nubien. Dass dieser Keramiktyp bisher nirgendwo anders gefunden wurde, beweist, dass es in diesen abgelegenen Wüstenforts wohl einen einzigartigen Austausch im kulturellen Zusammenleben der beiden Volksgruppen gegeben haben muss. Es wäre sehr interessant zu erforschen, ob es auch in den neu entdeckten Minensiedlungen diesen speziellen Keramiktyp »Red Combed Ware« gab, oder vielleicht sogar eine andere nubisch-ägyptische Mischform.

Scherben mit unterschiedlichen Krugrandformen in Dihmit South

Eine weitere Information, die uns die Tonscherben geben können, ist jene, wann genau hier Menschen gelebt haben. Basierend auf den Krugformen, die man am besten an Scherben des Krugrands erkennen kann, konnte Meredith Brand kürzlich beweisen, dass el-Hudi über das gesamte Mittlere Reich besiedelt war. Die Krugformen hatten sich nämlich im Laufe der Jahrhunderte verändert, wie die Anthropologin Cinzia Perlingieri bereits 2012 an Scherben aus Mersa Gawasis, einer vor allem im Mittleren Reich genutzten Hafenstadt am Roten Meer, herausgearbeitet hatte. Auch in Wadi el-Hudi fand Brand aus jeder Phase des Mittleren Reichs die typischen Scherben. Und auch in der neu entdeckten Siedlung in Dihmit South konnten bei einem ersten Besuch Scherben mit unterschiedlichen Randformen gefunden werden. Es haben also vermutlich auch dort während des Mittleren Reiches über mehrere Jahrhunderte Menschen gelebt. Dies müsste aber dringend näher erforscht werden.

Amethyst, Kupfer oder doch Gold?

Kupferspuren in Dihmit South. Foto: James A. Harrell

Doch was wurde nun in diesen Minen abgebaut? Für Wadi el-Hudi ist die Sache klar: Dort war es Amethyst. Aber in den neu entdeckten Minen?
In Felsinschriften kann man lesen, dass hier „ḥsmn“ abgebaut wurde. Dieser Begriff kann Amethyst, Kupfer, Bronze oder Natron bedeuten, je nach Zusammenhang. Der Geologe Harrell fand zahlreiche Kupfermineralisierungen in den Minen und hält dies daher für den am wahrscheinlichsten dort abgebauten Rohstoff. Zwar könnte das Vorhandensein einiger Quarzadern und die Tatsache, dass moderne „Goldsucher“ dort bereits geschürft haben, auch für Gold sprechen, allerdings konnte er die typischen Mahlsteine nicht finden, die in antiken Goldminen immer verwendet wurden. Und Gold ist eben keine mögliche Übersetzung von „ḥsmn“.

Reste eines Brennofens in Dihmit South

Auch die Überreste eines Brennofens, der vielleicht zum Schmelzen von Metallen verwendet wurde, sprächen eher für Kupfer (oder Gold) als für Amethyst, erklärte uns Harrell. Wäre hier über Jahrhunderte hinweg Amethyst abgebaut worden, dann müssten dort auch heute noch kleine Stücke davon auf dem Boden zu finden sein – in Wadi el-Hudi gibt es schließlich reichlich davon –, hier fand er aber kein einziges. Nach Abwägung aller Indizien ist sich der Geologe Harrell daher ziemlich sicher, dass in den neu entdeckten Minen Kupfer gefördert wurde.

Felsinschrift in Dihmit South

Bryan Kraemer, der für Inschriften verantwortliche Wissenschaftler in Wadi el-Hudi, sieht das allerdings anders. Seiner Meinung nach wird in einer Inschrift auf einem großen Felsbrocken über Dihmit South von Amethyst gesprochen. Dort schreibt der für die Expedition verantwortliche Mann – vermutlich hieß er Intef und war der Sohn des »Aufsehers des Südens«, User-Montu –, dass er im 31. Regierungsjahr des Pharaos Sesostris I. sowohl „ḥsmn“ als auch weitere edle Steine von hier geliefert habe. Und Dr. Kate Liszka, Leiterin der Wadi el-Hudi Expedition, sieht in Dihmit South sehr wohl Hinweise auf Amethyst, weil dort nämlich weißes Quarzkristall auf dem Boden zu finden sei, das im Prinzip der gleiche Stein wie Amethyst sei. Kraemer übersetzt das „ḥsmn“ in dieser Inschrift daher mit Amethyst.
Welcher der Wissenschaftler Recht hat – was also tatsächlich vor 3-4000 Jahren in den Minen der neu entdeckten Siedlungen abgebaut wurde – wird wohl erst eine genaue wissenschaftliche Untersuchung der Stätten ergeben.

Die Zeit drängt! Es wird bereits geplündert!

Aber wer soll diese Arbeit machen? Das Antikenministerium hat die „neuen“ Forts ja bisher gar nicht auf dem Schirm! Was passieren kann, wenn nicht bald gehandelt wird, zeigt das Beispiel von el-Hisnein West. Als Harrell 2013 zur Vorbereitung seiner Reise Bilder auf Google Earth ansah, waren hier noch keine „modernen“ menschlichen Spuren zu sehen gewesen. Als er dann ein Jahr später dort eintraf, war der Innenraum des Forts von unzähligen Löchern übersät und von großen Sandhaufen, die die Plünderer wahllos daneben geschaufelt hatten. Ob sie etwas fanden, ist unklar – zerstört haben sie dabei aber bis zu 4000 Jahre alte Siedlungsspuren.

unten rechts: Löcher und Sandhaufen von Plünderern in El-Hisnein West

Und auch in Dihmit South sind bereits moderne Schatzsucher dabei, nach vermeintlichen Reichtümern zu graben. Getarnt als Fischer auf dem nahen Nassersee, treiben sie tiefe Löcher in die Berge – hier allerdings wenigstens etwas abseits der Minensiedlung, so dass hier noch nicht viel zerstört wurde. Dr. Kate Liszka, Missionsleiterin in Wadi el-Hudi, sieht viele Übereinstimmungen der neuen Siedlungen mit el-Hudi, so dass es eigentlich sinnvoll wäre, alle Stätten von demselben Forschungsprojekt untersuchen zu lassen. Ihre Anfrage, die neuen Siedlungen für eine erste Inspektion besuchen zu dürfen, wurde aber vom Antikenministerium kürzlich abgelehnt. Vielleicht liegt das an der ungeschriebenen Regel, dass eine einzelne Person auch immer nur eine Grabungskonzession halten darf, mutmaßt Liszka. Wenn also die Konzessionen für el-Hisnein und Dihmit an andere Forscher vergeben werden, dann hofft sie, dass sich zumindest einzelne Teammitglieder überschneiden, schrieb sie uns, damit wenigstens eine gewisse Kontinuität in der Arbeit an den doch sehr ähnlichen Stätten gewährleistet sei. An wen das Antikenministerium aber einmal diese Grabungslizenzen vergeben wird, steht noch in den Sternen.

Mitten in der felsigen Wüste: El-Hisnein East

Und die Voraussetzung dafür wäre natürlich zunächst, dass das Ministerium diese Stätten überhaupt erst einmal offiziell in seinen „Katalog“ aufnimmt und die Arbeiten dort ausschreibt. Und der allererste Schritt müsste sein, die Stätten durch Polizei oder Militär schützen zu lassen, so dass nicht noch mehr Jahrtausende alte Geschichte durch Plünderer, Schatzsucher oder moderne Minenfirmen zerstört werden kann. Denn derzeit liegen diese vier jungfräulichen, archäologischen Stätten völlig schutzlos in der Wüste.

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