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Mehrere Sphingen aus Luxor sollen nach Kairo

Diverse Pressemeldungen besagen, dass vier widderköpfige Sphingen aus dem Karnaktempel nach Kairo gebracht werden sollen, um sie dort auf dem berühmten Tahrir-Platz aufzustellen, zusammen mit einem Obelisken aus San el-Hagar, dem antiken Tanis, der bereits vor einigen Wochen nach Kairo gebracht wurde. Der Leiter der Karnak Altertümer, Mostafa el-Sagheer, bestätigte diesen Plan, betonte aber auch, dass diese Sphingen nicht aus der berühmten Kebbash Road genommen werden, die vor dem Karnaktempel beginnt und in alter Zeit einmal quer durch Luxor bis zum Luxortempel führte.

Diese Sphingenallee quer durch Luxor wird seit einigen Jahren wieder aufgebaut, nachdem in den vergangenen Jahren die Häuser einfach abgerissen wurden, die dabei „im Weg“ standen – trotz natürlich großer Proteste der Bewohner. Aber in autoritär regierten Staaten zählt das Ziel mehr als der Weg. Und das Ziel – eine aus ca. 1200 Widdersphingen gebildete Allee, die den Luxortempel und den Karnaktempel miteinander verbindet – ist für die touristische Vermarktung Luxors natürlich ein absolutes Highlight. Und seien wir ehrlich: Wir alle werden gerne auf dieser Allee wandeln, wenn sie (angeblich 2020) dann fertiggestellt sein wird…

Kahlschlag durch die Stadt. Ein Blick von der Mitte der geplanten Sphingenallee nach links und rechts (Jan. 2019)

Die vier Sphingen für den Tahrir-Platz werden also nicht aus dieser Allee genommen, und auch nicht von den berühmten Sphingen vor dem Karnaktempel (siehe Titelbild), sondern sollen aus dem ersten Hof des Karnaktempels kommen, der hinter dem ersten Pylon liegt. Dort stehen etwa 60 Widder-Sphingen an den Seiten, die keinen Zweck mehr erfüllen, sondern nur noch dekorativ aussehen. Sie wurden vor über 2500 Jahren dort erst einmal „abgestellt“, weil man nicht wusste, wohin damit – bis jetzt. Doch wenn man es ganz genau nimmt, dann gehörten auch diese 60 Widder-Sphingen einmal zu der langen Allee dazu, denn ursprünglich ging diese Straße natürlich bis zum Tempeleingang – und der lag damals noch im heutigen 2. Pylon.

Widdersphingen im 1. Hof des Karnaktempels

Aber nach einer Erweiterung des Tempels und einem neuen, noch viel größeren Eingang davor (dem heutigen ersten Pylon), wurde das nun innen liegende Stück der Straße überflüssig – und damit auch die 60 Sphingen. Spätere Pharaonen ließen sie daher an den Rand stellen, um statt dessen im neu entstandenen Hof bauen zu können. Pharao Taharqa bspw. (25. Dyn., ca. 700 v.Chr.) baute dort vor dem 2. Pylon eine riesige Kolonnade (Säulengang), von der heute leider nur noch eine einzige gewaltige Säule, die „Taharqa-Säule“, vorhanden ist.

Die Taharqa-Säule im Karnaktempel

In Luxor sind aber Viele mit der Überführung der Sphingen nicht einverstanden. So befürchtet die Kammer für Tourismus und Reiseunternehmen negative Auswirkungen auf den Tourismus, wenn weiterhin Artefakte aus Luxor entfernt werden. Im letzten Jahr seien Luxor bereits 121 Artefakte weggenommen worden, bemängelt Mohamed Abo Saleh, der Direktor des Luxor Centers für Forschung, Dialog und Entwicklung. Darunter seien u.a. sämtliche Stücke des Tutanchamun aus dem Luxor-Museum gewesen sowie auch die 30 Sarkophage aus dem letzten, sensationellen Fund einer Mumien-Cachette auf Luxors Westbank (wir berichteten). Schon damals habe man protestiert (siehe hier). Er fordert die Behörden auf, ihre Entscheidung zu überdenken und Luxor lieber dabei zu helfen, ein weiteres Museum einzurichten, das neue Funde aufnehmen könne, anstatt diese Luxor wegzunehmen.

Aus informierten Kreisen will die Egypt Independent allerdings erfahren haben, dass auch der Transport einiger königlicher Statuen – darunter auch einige aus dem Archiv des Luxor-Museums, die 1989 gefunden wurden – in das neue Megamuseum GEM bei den Pyramiden bereits beschlossene Sache sei. Der Streit wird also weitergehen und die Verantwortlichen in Luxor werden vermutlich noch lauter werden.

3 Gedanken zu „Mehrere Sphingen aus Luxor sollen nach Kairo“

  1. ich finde das sehr schlimm! reicht es nicht, dass total viel ägyptische kunst über den ganzen erdball verstreut in museen liegt, und schlimmer noch, in besitz von privatleuten ist und somit der interessierten menschheit entzogen wird?
    man sollte die artefakte an ort und stelle belassen…alles andere ist doch unecht

  2. Ein sehr kontroverses Thema. Ich persönlich freue mich auch über ägyptische Kunst in europäischen Museen und über Obelisken in europäischen Städten. Und man könnte auch sagen, wenn heute überhaupt ein Land das Recht hat, über ägyptische Kunstwerke zu entscheiden, dann doch wohl Ägypten selbst. Außerdem sind die Shpingen ja sowieso nicht mehr an ihrem „originalen“ Platz, weil sie schon in der Antike „im Weg“ waren und beiseite gestellt wurden.
    Trotzdem bin ich in diesem Fall auch gegen eine „Verlegung“ der Sphingen, gerade weil Luxor doch die Sphingen-Allee wieder aufbaut. Und wenn man sich da mal die Anzahl der leeren Sockel anguckt, dann fragt man sich unwillkürlich, wo man denn die ganzen Sphingen herbekommen will für diese Allee. Vermutlich wird man mehrere hundert Sphingen extra dafür anfertigen lassen. Und daher fände ich es in diesem Fall sinnvoll, diese 60 Sphinx-Figuren aus dem Karnaktempel, die ja einmal zur Allee gehörten, nun auch wieder dort aufzustellen. In Kairo könnte man dann „nachempfundene“ Exemplare aufstellen.
    Aber wie gesagt: ein kontroverses Thema und ich verstehe auch die andere Seite.

  3. Ich persönlich finde es wirklich arg, daß alles nach Kairo geht. Ich habe das Mumienmuseum in Luxor besucht und war sehr enttäuscht darüber, dass alleine die Tutenchamun Ausstellung, die ich in Graz sah mindestens 5 mal so groß war. Das ist ja lächerlich für diese Stadt der antiken Geschichte. Es ist natürlich auch schön geschichtliche Ausstellungen auch zuhause sehen zu können, doch der Großteil sollte doch am Fundplatz bleiben und von Touristen dort bestaunt werden können. Luxor wird sehr oft sehr stiefväterlich von der Regierung behandelt, gerade so, als gehöre es nicht mehr zu Ägypten. Ich bin mit einem Tourguide von Luxor zusammen und habe deshalb schon einiges in diesem Bereich mitbekommen. Es ist einfach nur mehr traurig, einst die reichste Stadt Ägyptens kämpft sie nun mit purer Armut.

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