Seit 1971 liegt im Egypt Centre der Universität von Swansea, einer Küstenstadt im Süden von Wales, ein 52cm kleiner Sarkophag aus steifem Leinen und Gips. Er trägt die Bezeichnung W1013 und gehört zur Wellcome-Sammlung der Universität. Das bedeutet nicht, dass die Besucher mit dieser Sammlung willkommen geheißen werden, sondern dass die Stücke von einem Sammler namens Henry Wellcome zusammengetragen wurden. Bei einem kürzlich durchgeführten CT-Scan stellte man nun fest, dass sich in der Kartonage ein etwa 12-16 Wochen alter mumifizierter Fötus befindet.
Der bemalte Sarkophag gehört vermutlich in die 26. Dynastie, etwa 600 v.Chr. Woher er stammt, ist unklar, da es von Henry Wellcome keine Aufzeichnungen hierzu gibt. Die auf den Gipskarton gemalte Mumie trägt eine blaugelbe Perücke und einen breiten Kragen. Diese Art der Perücke wurde hauptsächlich für Särge von Männern verwendet, kam aber gelegentlich auch bei Frauen vor. Auch die rotbraune Gesichtsfarbe spricht eher für einen männlichen Sarg. Der Sargkörper ist mit vielen diagonal gekreuzten Linien versehen, was vermutlich ein netzartiges Tuch darstellen soll, das man manchmal über die Mumien legte.
[werbung-gr]
Verwirrung stiftete die Beschriftung der Kartonage, denn die Hieroglyphen ergeben keinerlei Bedeutung. Man vermutete deswegen sogar, es könne sich bei diesem Stück eventuell auch um eine Fälschung handeln. Andererseits waren auch schon andere echte Särge aus der Spätzeit mit bedeutungslosen Bemalungen gefunden worden, z.B. in Sakkara. Vielleicht waren es schriftunkundige Handwerker, die die Särge herstellten. Hieroglyphen mussten aber vermutlich trotzdem auf einem Sarkophag sein, egal, ob sie einen Sinn ergaben oder nicht. Vielleicht schrieb man ihnen eine magische Schutzwirkung oder eine Hilfe im Leben nach dem Tode zu.
Die Frage blieb jedoch: War dies nun ein echter Sarkophag und enthielt er eine Mumie oder nicht? Eine Röntgenuntersuchung im Jahre 1998 war ergebnislos geblieben, da die Bilder nicht schlüssig waren. Am 28. April dieses Jahres wurde nun am Clinical Imaging College of Medicine der Swansea Unversität eine CT-Untersuchung durchgeführt, die erstaunliche Ergebnisse zutage brachte. Der Innenraum des Sarges war zum größten Teil mit einem mehrfach gefalteten Material, vermutlich Leinenbinden, ausgefüllt. Darin ist ein etwa 10cm großer Bereich, der ein Fötus zu sein scheint sowie vermutlich ein Oberschenkelknochen. An einer anderen Stelle vermuten die Forscher ein Amulett sowie Perlenbänder und Quaste. Insbesondere Perlenbänder waren zu dieser Zeit durchaus üblich in Mumienbinden.
Begräbnisse von Föten waren keine Ausnahme im alten Ägypten. Auch in Tutanchamuns Grab wurden zwei Särge mit Föten gefunden. In Deir El-Medina, dem Handwerkerdorf nahe dem Tal der Könige, war ein Teil des östlichen Friedhofs anscheinend für Kinder reserviert. Dort wurden auch Föten und sogar Plazentas in blutigen Tüchern begraben. Die Plazenta wurde als Zwilling des Ich angesehen und daher mit großer Sorgfalt behandelt.
Obwohl die Kindersterblichkeit hoch war und es auch oft zu Fehlgeburten kam, haben sich die alten Ägypter anscheinend nie daran gewöhnt und solche Schicksalsschläge nicht gleichgültig hingenommen. Davon zeugen die sorgsam mumifizierten und begrabenen Babies und Föten. Auch der Fötus in W1013 steht für den schrecklichen Verlust, den eine Mutter und ein Vater ca. 600 v.Chr. erleiden mussten.
Alle Bilder und der Bericht über die Ergebnisse der Untersuchungen stammen von Carolyn Graves-Brown, Kuratorin am Egypt Centre der Swansea University. Wir danken für die Erlaubnis zur Nutzung der Bilder aus dem Blog des Egypt Centre.