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Virtuelle Besichtigung: Der Tempel von Amada

Die von uns bereits viel gelobten virtuellen Rundgänge, die das Antikenministerium in diesen Coronazeiten mithilfe der Firma Matterport anbietet, gehen in eine neue Runde. Diesmal ist es der Tempel von Amada, der am Rande des Nassersees wiederaufgebaut wurde, weil er sonst nur noch von Tauchern besucht werden könnte. Wer auf dem Nassersee schon mal nach Abu Simbel geschippert ist, hat ihn gesehen. Alle anderen haben hier nun eine unerwartet „preisgünstige“ Alternative. Und vor allem: Hier ist man nun ganz alleine im Tempel – während einer Kreuzfahrt drängelt sich ja hier eine ganze Schiffsbesatzung (und wenn man Pech hat sogar mehrere) mit Führern in 3-4 Sprachen.

Bevor wir auf einige Schwerpunkte im Inneren hinweisen, hier zunächst einmal der kurze Text, der in unserem Lieblingsreiseführer »Ägypten indivuell« (bzw. seiner kleinen Schwester »Ägypten. Das Niltal, von Kairo bis Abu Simbel«) als Hintergrundinformation abgedruckt ist:

»Der Tempel von Amada – Amun-Re und Re-Harachte geweiht – stand in einer großen Nilschleife an der Stelle, wo der Fluss südwärts floss. Er wurde unter Thutmosis III., Amenophis II. und Thutmosis IV. (15. Jh.v.Chr., 18. Dyn.) gebaut bzw. erweitert. […] Echnaton ließ die Bilder des Amun-Re ausmeißeln, Sethos I. erneuerte sie. Die Kopten nutzen den Tempel als Kirche, der von ihnen aufgebrachte Gipsputz trug zum langfristigen Erhalt der Reliefs bei, die heute zu den farbenfrohesten der nubischen Tempel zählen. Als 2000 Jahre später das Wasser des Stausees zu steigen begann, verpackte eine französische Firma den hinteren Tempelteil – der wegen seines brüchigen Baumaterials nicht zersägt werden konnte – mit einem Stahlkorsett, setzte ihn auf niedrige Wagen, verlegte Schienen und zog die 800 Tonnen Historie in dreimonatiger Arbeit 2,6 km weit und 65 m höher an den Rand des künftigen Stausees«
(Aus: Tondok, Wil: »Ägypten individuell«, Reise Know-How Verlag 2011, Seite 514)

Hier der Link zum virtuellen Rundgang durch den Amada-Tempel bei Matterport:
https://my.matterport.com/show/?m=wpdMtL8MgHG

Wer an der Startposition im Inneren des Tempels gelandet ist, sollte sich umdrehen und noch einmal kurz aus dem Tempel heraustreten. Hier hat man einen schönen Blick auf den Nassersee an einem Tag mit ungewöhnlich bedecktem Himmel. Nach links kann man zum Tickethäuschen gucken, wo auch die Boote anlanden. Da es in Neu-Amada keinen Bootsanleger gibt, beginnt hier schon das erste kleine Abenteuer, wenn man aus dem Beiboot des Kreuzfahrtschiffes über einen wackeligen Steg zum Ufer balancieren muss. Die geübte Schiffscrew hält aber einen Handlauf bereit, damit der Ausflug nicht schon zu Beginn ins Wasser fällt.

Neu-Amada: Das Aussteigen ist eine wackelige Sache. Foto: selket.de

Guckt man nach rechts, sieht man den Weg, auf dem man zum Tempel von el-Derr und zum Grab des Pennut weitergehen würde, wenn man tatsächlich vor Ort wäre. Aber wir sind ja für den Amada-Tempel hier und drehen uns daher nun wieder um und treten in den Eingangsbereich.

Der Eingangsbereich

Rechts sehen wir senkrecht die beiden großen Kartuschen von Ramses II., der hier verewigt hat, dass (auch) er es war, der diesen Tempel restaurierte. Rechts daneben hat sich der, zur Zeit Ramses‘, Vizekönig von Kusch, Setau (kniend hinter dem Eingangsgitter), abbilden lassen. Wie sein Pharao, so war auch Setau eine lange Zeit in seinem Amt tätig und hat bei fast allen Tempeln des heutigen Nassersees die Bau- oder Restaurierungsarbeiten überwacht – und dabei seine Spuren hinterlassen. Sein Felsengrab ist übrigens in El-Kab zu bewundern.
Gegenüber, auf der linken Eingangswand, steht einer der Erbauer des Tempels, Amenophis II., zwischen Amun-Re und Re-Harachte. Auf dem langen Text darunter, der wie eine Stele angeordnet ist, erzählt Merenptah, Sohn und Nachfolger Ramses‘ II., einen Schwank aus seinem 4. Regierungsjahr, als er (natürlich erfolgreich) eindringende Libyer zurückschlug. Links neben dieser Textstele hat sich „sein“ Vizekönig von Kusch, mit dem Namen Messui (ebenfalls kniend), für die Ewigkeit einmeißeln lassen.

Das Hypostyl

Hypostyl des Amada-Tempels. Foto: selket.de

Die Pfeilerhalle (Hypostyl), die hinter dem Eingangsbereich beginnt, war ursprünglich ein offener Hof mit nur den 4 runden Säulen, die hinten vor dem damaligen Eingang stehen. Auf diesen 4 Säulen hatten sich die Erbauer, Thutmosis III. und Amenophis II., verewigt. Ihr Nachfolger Thutmosis IV. machte dann aus diesem offenen Hof eine Halle, indem er 12 eckige Pfeiler davor (und ein Dach darauf) setzte. Auf den Pfeilern findet sich daher sehr prominent und deutlich die Kartusche Thutmosis‘ IV., auf den runden Säulen dagegen die von Thutmosis III.

Amada: Kartuschen von Thutmosis IV, Thutmosis III und Amenophis II. Fotos: selket.de

Ihre Thronnamen, Mencheperure bzw. Mencheperre, unterscheiden sich nur durch das „U“, das in der Kartusche durch 3 Pluralstriche ganz unten dargestellt wird. Also auf den eckigen Säulen sehen wir ihre Kartuschen – darin die Sonne (Re), ein Spielbrett (Men) und ein Skarabäus (Cheper) – MIT den 3 Strichen darunter, auf den runden Säulen, am besten auf der rechten zu sehen, OHNE diese 3 Striche.

Auf der Rückwand der Halle sind, rechts und links neben dem Durchgang, im untersten Register zwei weitere berühmte Personen dargestellt. Rechts sehen wir die Königin Tausret, stehend, mit zwei Sistren (Musikinstrumenten) in den Händen. Tausret regierte zunächst für ihren noch jungen Stiefsohn Siptah, bevor sie, nach dessen Tod, die Königswürde vollends annahm und – wie 3 Jahrhunderte vor ihr schon die Königin Hatschepsut – auch offiziell alle Pharaonentitel führte. Sie hat im Tal der Könige auch ein ziemlich großes, wenn auch selten besuchtes (weil ganz hinten liegendes) Grab, das aber von ihrem Nachfolger Sethnacht usurpiert und teilweise umdekoriert wurde.
Auf der linken Seite des Durchgangs sehen wir kniend ihren mächtigen Schatzmeister Bai, eine der Hauptfiguren im Roman »Tage des Ra« aus unserer Roman-Bestenliste. Am Rande erwähnt seien auf dieser Wand auch die Kamele, die rechts ganz oben unter der Decke wohl nicht von den alten, sondern vermutlich von etwas jüngeren Ägyptern oder Nubiern hinterlassen wurden.

Die Querhalle

Im Durchgang selbst hat links und rechts Sethos I., der Vater von Ramses II., eingemeißelt, dass er hier Restaurationsarbeiten durchführte (die nach der Amarnazeit zur Wiederherstellung des Gottes Amun-Re auch sicher nötig waren). Die Inschrift ist in dieser Präsentation nur zu erahnen, weil die „Standpunkte“ davor und dahinter zu weit weg liegen.

Hinter dem Durchgang liegt eine Querhalle, von der drei Längsräume abgehen. Wendet man sich nach links so sieht man auf der Wand zur Pfeilerhalle hin Amenophis II., der gerade von den Göttern Thot und Horus mit dem Wasser des Lebens (Ankh-Zeichen) übergossen wird. Rechts daneben an der Seitenwand ist er dargestellt bei einem Kultlauf zum Gott Amun-Re. Die rechte Seite dieser Querhalle ist dem anderen Erbauer, Thutmosis III., gewidmet, der ebenfalls mit verschiedenen Göttern dargestellt ist.

Die Längskammern

Amada: farbenfroher Türsturz, rechte Längskammer. Foto: selket.de

Wenn wir schon mal hier rechts sind, gehen wir nun auch in die rechte Längskammer. Hier sind die Erbauer in verschiedenen Szenen, von der Grundsteinlegung bis zur Einweihung dieses Tempels dargestellt.
Im mittleren Raum, dem Allerheiligsten, sind links und rechts ebenfalls die beiden Bauherren mit verschiedenen Göttern eingemeißelt. Auf der Rückwand steht oben rechts Amenophis II. in einer Barke und opfert den beiden sitzenden Hauptgöttern dieses Tempels, Amun-Re und Re-Harachte, Wein.

Amada: Text des Amenophis II. Foto: selket.de

In dem langen Text darunter rühmt er sich, in seinem 3. Regierungsjahr bei einem Feldzug in Syrien 7 feindliche Fürsten gefangen genommen zu haben, deren Leichen er auf der Rückfahrt kopfüber am Bug seines Schiffes aufhängen ließ. Später sollen 6 davon an den Mauern Thebens und einer als Warnung im nubischen Napata aufgehängt worden sein.

In den beiden kleinen Kultkammern rechts und links sowie der linken Längskammer sind verschiedene Opferszenen der Erbauer, meist vor den beiden Hauptgöttern abgebildet. Guckt man aus der linken Seitenkammer zurück zur kleinen Kultkammer, ist über dem Durchgang allerdings ausnahmsweise auch mal eine weibliche Göttin dabei: Hathor, wie die quadratische Hieroglyphe über ihrem Kopf bezeugt (da ihr üblicher Kopfschmuck, die Sonne im Kuhgehörn, hier schlecht zu erkennen sind).

Damit wären wir auch am Ende des Rundgangs. Vor Ort würde man nun aus dem Tempel heraus und nach rechts gehen zum nächsten Felsentempel von el-Derr, der ein paar Jahrhunderte jünger ist (Erbauer Ramses II). Danach folgt dann noch (alles fußläufig erreichbar) das sehr kleine und etwas enttäuschende Grab des Pennut, bevor man dort wieder in die Boote einsteigt, die einen zurück zum Schiff bringen.
Unser Fazit ist auf jeden Fall: Wer für die Reise zu den Tempeln von Abu Simbel die luxuriöseste Variante, die Kreuzfahrt (entweder 3-4 oder 7 Tage), wählt, der bekommt unterwegs Einiges zu sehen! Und die Anfahrt auf die immer größer werdenden Kolossalstatuen der beiden Abu-Simbel-Tempel ist ohnehin unvergesslich.

Off-Topic Nachtrag:
Zur Zeit sind Kreuzfahrten natürlich gar nicht möglich, aber das Antikenministerium hat gerade mitgeteilt, dass die wichtigsten 5 Museen und 8 archäologischen Stätten jetzt im Juli wieder eröffnet werden sollen oder es bereits wurden. Und da die Corona-Pandemie anscheinend auch in Ägypten die Digitalisierung befördert, soll es laut einer bisher unbestätigten Meldung der »Egypt Today« demnächst auch möglich sein, die Tickets dafür online zu buchen! Zumindest arbeite man im Ministerium bereits an einer solchen Lösung, wird Sabah Abdel Razek, der Leiter des Ägyptischen Museums am Tahrirplatz, zitiert.

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