Bei einer kurzen Forschungsexpedition zur befestigten Siedlung eines bislang unerforschten Minenareals, genannt Dihmit South, das in dem Wüstengebiet östlich des Nassersees liegt, fanden die Archäolog:innen dort nicht nur Beweise für die Verarbeitung des Edelsteins Amethyst, sondern auch mehrere Felsinschriften sowie drei beschriftete Stelen. Das Expeditionsteam bestand aus Mitgliedern derjenigen Forschungsgruppe, die eigentlich das ca. 50 km entfernte Minengebiet von Wadi el-Hudi, südöstlich von Assuan, untersucht. Für diesen „Ausflug in unerforschtes Terrain“ erhielt das Team extra eine Sondergenehmigung des Tourismus- und Antikenministeriums.
Wir hatten ja bereits 2019 darüber berichtet, dass in dieser östlichen Wüste neue „Forts“, also befestigte Siedlungen in antiken Minenarealen, entdeckt worden waren und dass diese damals völlig schutzlos in der Wüste lagen und dringend durch Polizei oder Armee geschützt werden müssten. Leider ist die Situation auch heute nicht anders, so dass weiterhin Plünderer und moderne „Goldsucher“ dort nach Wertvollem suchen können und dabei bis zu 4000 Jahre alte Siedlungsspuren zerstören.
Umso wichtiger und bemerkenswerter, dass nun das Team der Wadi el-Hudi Expedition rund um Leiterin Dr. Kate Liszka und den für die Minen und Steinbrüche der Gegend zuständigen Inspektor Sayed el-Rawy endlich von den Behörden die Genehmigung erhielt, zumindest eine dieser vier bisher unbeachteten archäologischen Stätten kurz besuchen zu dürfen. Ziel des Forschungsausflugs war ursprünglich, die Stätte auf Ähnlichkeiten zu den Mienensiedlungen in Wadi el-Hudi hin zu untersuchen. Dieser Auftrag wurde dann ausgeweitet auf die photogrammetrische Dokumentation, so dass das Team innerhalb von 2½ Tagen etwa 30.000 Fotos machte, mit denen nun ein digitales Modell der Stätte erstellt werden soll.
Der Besuch in Dihmit South war allerdings mit einigen logistischen Herausforderungen verbunden, was schon mit der Anreise begann. Da es keine Wüstenstraße gibt, musste das Team auf dem Seeweg anreisen. Dazu hatten sie extra ein Boot angemietet, auf dem sie, mangels sonstiger Unterkünfte in dieser kargen Gegend, auch übernachten mussten. Zusätzlich mussten die Teammitglieder dann jeden Tag vom Schiff aus stundenlange Fußmärsche für Hin- und Rückweg bewältigen, auf denen sie auch noch das ganze Equipment sowie ihre Verpflegung und vor allem Trinkwasser tragen mussten.
Vor Ort mussten für die umfassende Foto-Dokumentation dann naturgemäß auch Bilder von erhöhten Positionen aus gemacht werden, die einen Überblick über die Gesamtstruktur ermöglichten. Dazu erklommen die Forschenden die umliegenden Hügel, wie es vor tausenden von Jahren auch die ägyptischen Soldaten getan hatten, die von diesen natürlichen „Wachtürmen“ aus die Gegend beoachtet und nach Gefahren Ausschau gehalten hatten. Die Forscher fanden daher auf diesen Hügeln bereits in der Antike aufgebaute Steinhaufen sowie auch Bilder und Inschriften, die die Soldaten während ihrer Wache, vielleicht aus Langeweile, in den Fels geritzt hatten.
Obwohl neben dem kontinuierlichen und systematischen Fotografieren von über 30.000 Bildern nicht viel Zeit blieb, sich auf diesen Hügeln genauer umzusehen, fanden die Archäolog:innen auf einem der nördlich gelegenen Hügen dennoch, und eher zufällig, drei beschriftete Stelen. Eine davon entdeckte Omer Farouk, der langjährige „Reis“ (Organisationschef) und multitalentierte einheimische Problemlöser des Wadi el-Hudi Forschungsteams. Eine weitere Stele entdeckte Dr. Maria Vecchiotti, Mitglied des Archäologischen Insituts von Amerika (AIA) und Mäzenin der Wadi el-Hudi Expedition, und die dritte Stele wurde von Expeditionsleiterin Dr. Kate Liszka selbst gefunden. Die Stelen wurden in ein Magazin in Assuan gebracht, wo sie nun dokumentiert und übersetzt werden müssen. Dr. Liszka schrieb uns, dass die Verfasser darauf aber anscheinend ihre Namen und Titel sowie kleine Informationen über sich hinterlassen haben.
Bereits nach diesem einen Kurzbesuch – es waren letztlich ja nur 2½ Tage – kann Dr. Liszka die erstaunlichen Parallelen zwischen dieser Minensiedlung in Dihmit South und „ihrer“ archäologischen Stätte in Wadi el-Hudi erkennen. Die befestigte Siedlung mit ihrer teils 2m hohen Umfassungsmauer aus losen Steinen ähnelt sehr der „site 9“ in Wadi el-Hudi und der Beobachtungshügel, auf dem die antiken Soldaten während ihrer Wache Bilder und Schriften in die Steine und Felsen ritzten, entspricht ziemlich genau der „site 6“ in Wadi el-Hudi. Aufgrund dieser Übereinstimmungen wäre es absolut wünschenswert, wenn der Wadi el-Hudi Expedition im Jahr 10 ihres Bestehens auch die Leitung der wissenschaftlichen Arbeiten an den vier weiteren „Forts“ in der östlichen Wüste übertragen werden würde. Man müsste dort noch viel mehr untersuchen, kartografieren und auch kleine Ausgrabungsaktionen vornehmen, schrieb uns Dr. Liszka. Dies würde allerdings wohl mehr Personal und ein deutlich höheres Budget für ihr Expeditionsteam erfordern, glauben wir. Außerdem müsste die Logistik für ein Camp der Wissenschaftler:innen vor Ort oder in der Nähe dieser Siedlungen geschaffen werden, da es bisher ja überhaupt keine Infrastruktur zu diesen vier Stätten gibt.
Wir hoffen sehr, dass die neuesten, eher zufälligen Funde und die fotografische Dokumentation dieses Kurzbesuchs das Tourismus- und Antikenministerium Ägyptens davon überzeugen, dass diese vier neuen Stätten in der Wüste vor weiteren Plünderungen geschützt werden müssen, wie wir es ja schon vor vier Jahren gefordert haben. Dr. Kate Liszka sitzt bereits an einem wissenschaftlichen Artikel zur Auswertung der Funde von Dihmit South. Spätestens nach dessen Veröffentlichung kommt hoffentlich Bewegung in diese seit Jahren stockende Sache. Man werde aber auf jeden Fall erneut eine Besuchserlaubnis für Dihmit South beim Ministerium beantragen, so Liszka.
Hintergrundinformationen über die vier „neuen Forts“ in der östlichen Wüste findet ihr in unserem Beitrag »Minensiedlungen in Dihmit und el-Hisnein müssen dringend geschützt werden«.
Infos über Wadi el-Hudi gibt es hier: »Wadi el-Hudi, eine antike Minensiedlung in der Wüste« , oder auf der offiziellen Internetseite der Wadi el-Hudi Expedition.
Vielen Dank für diesen interessanten Bericht! Spannend was da noch alles zum Vorschein kommen wird.
Da schlummert noch so viel Entdeckenswertes in dieser östlichen Wüste, wenn man sieht, was in Wadi el-Hudi alles gefunden wurde und weiterhin wird (dort ist man inzwischen bei über 50 „sites“, also Stellen, an denen man graben oder entdecken kann). Leider ist in den vier „neuen Forts“ die Logistik wirklich schwierig, was vielleicht auch der Grund ist, warum man dort kein Sicherheitspersonal stationieren kann. Für Wadi el-Hudi können die Forscher in Assuan wohnen und die „paar Kilometer“ nach el-Hudi mit dem Auto fahren. Aber die vier „neuen Forts“ liegen halt komplett in der Einöde, ohne jede Anbindung an irgendeine Infrastruktur, wie Straße, Wasser, Abwasser oder Strom.
Umso bemerkenswerter, dass die alten Ägypter hier trotzdem über Jahrhunderte hinweg leben und Edelsteine abbauen konnten…